Retrokino als Musical: „Pretty Woman“ ankert in Hamburg
Medienpremiere am 28. September 2019 im Theater an der Elbe
Vor der Vorstellung
Kaum das man mit der Fähre über die Elbe gelangt ist und von der Mitte des Musicalboulevards zum Theater geht, kann man schon den Merchandise-Shop erkennen. Dieser ist von außen als Imitation eines Geschäftes auf dem Rodeodrive zu erkennen. Er soll den bisherigen Theatershop ergänzen und den Besuchern das Flair eines Modegeschäftes vermitteln. So kann man schon vor der Vorstellung bei Nellées shoppen gehen und nicht erst mit Vivian später in der Geschichte selber.
Hier gibt es verschiedene Kleidungsstücke mit dem Pretty-Woman-Aufdruck. Eigentlich so, wie man es gewohnt ist. Ergänzt wird das Sortiment durch Sekt to go, einen großen Shopper und sogar ein Kosmetiktäschen. Die Taschen werden aber ohne Inhalt angeboten. Zudem gibt es ein Armband, einen Schlüsselanhänger sowie einen Magneten zu erwerben. Ebenfalls kommt man an ein Halstuch, Haarbänder und eine Geldbörse. Die Oberbekleidung war zum Moment der Medienpremiere überraschenderweise nur für die Damen vorhanden. Hier wird ganz klar auf die weibliche Leidenschaft des Einkaufens und Geldausgebens gesetzt.
Der Teppich und die Stühle im Foyer vom Theater an der Elbe sind von vorn herein in rot gefasst und das passt natürlich auch zum Kleid, welches Vivian zum Ende des Films in der Oper trägt. An diesem Abend kann man mehrere Damen sehen, denen die Farbe Rot zusagt und die ihre Verehrung dem Film gegenüber durch Tragen eines passenden Abendkleides ausdrücken. Dabei ist die Schattierung egal, hauptsache Rot. Es gab aber auch rote Blusen, einfarbig, mit schwarz gemixt und rote Hosen.
Als der Film in die Kinos kam, war ich gerade mal 11 Jahre jung und was ich darüber mitbekommen habe, stammte aus der BRAVO. Gesehen habe ich Pretty Woman erst, als die ARD ihn als Erstausstrahlung im Fernsehen zeigte. Ja, damals hatten sich zwar schon RTL und SAT1 zu unseren drei Fernsehsendern gesellt, aber die ARD hatte noch das Monopol auf Fernsehpremieren. So in den Bann gezogen wie Dirty Dancing hat mich Pretty Woman nicht. Aber für viele andere Menschen ist der Film bis heute ein nicht wegzudenkender Kult.
Da Pretty Woman nun auch zum Musical umgearbeitet und als Nachfolger von Mary Poppins in Hamburg angekündigt wurde, zeigte man ihn wieder einmal nach langem im Fernsehen. Zeit also, sich der Geschichte neu zu widmen….nach rund 20 Jahren. Gesagt, getan.
Der Inhalt
Die Handlung sollte allgemein hinlänglich bekannt sein, aber wir hatten viele Besucher um uns herum sitzen, die den Film nicht kannten. Hier also nun die Geschichte. ACHTUNG: Spoiler.
„Welcome to Hollywood“ heißt der erste Song im Musical. Hier fungiert der Happy Man, der auf dem Hollywood Boulevard Touren zu den Stars anbietet als Erzähler und man soll ihm in der Geschichte folgen. Es geht unter anderem darum, mit welchem Traum man nach Hollywood gekommen ist. Hier werden nun auch, erst Vivian und dann Edward in die Geschichte eingeführt. Sie flieht vor ihrem Vermieter, der sein Geld einfordert. „Schaut sie euch an, sie hat große Träume!“ heißt es dort. Als nächstes gibt es einen Sprung zur männlichen Hauptperson. „Er ist reich, ein Gewinner, nur Geld ist, was zählt. Seine Kindheitshoffnungen sind zerstört, aber er wird lernen, seine Reise beginnt hier erst“ singt der Happy Man, währen sich Edward von seinem Anwalt Philip Stuckey dessen Lotus Esprit leiht, um selber zu seinem Hotel zu fahren. Ein Auto ist jedoch nicht auf der Bühne zu sehen, man kann das Gefährt in allen Bildern nur hören. Die Kostüme am Hollywood Boulevard erinnern an die späten 1990er-Jahre. Es ist eigentlich so bunt wie auf der Reeperbahn in Hamburg. Alles ist in allen Facetten vertreten.
Mit „Alles, nur nicht hier“ erzählt Vivian ihrer Mitbewohnerin Kit davon, wie gerne sie aus ihrer Situation fliehen würde und dass es nicht zu spät für sie sei etwas Neues zu beginnen. Da hört man einen Krach, wie als ob ein Auto in Mülltonnen gefahren ist, und Edward taucht auf. Er kommt mit dem Wagen nicht klar und weiß auch nicht, wie er zu seinem Hotel kommen soll da er den Weg nicht kennt. Kit setzt Vivian auf ihn an, weil sie bei ihm eine dicke Geldbörse vermutet.
Die erste Unterhaltung der Beiden endet damit, dass Vivian sich die Wegbeschreibung zum Hotel bezahlen lässt. Letztendlich stimmt sie zu, Edward zu seinem Hotel zu fahren. Dieser ist von der jungen Frau, ihrem Wissen über Autos und ihrer Schlagfertigkeit fasziniert, was er in dem Song „Sie ist was Besonderes“ schon einmal anstimmt. Er fühlt sich total überrumpelt und kann das Geschehen gerade nicht richtig einordnen.
Während diese Szene verlassen wird, hören wir noch einmal „Welcome to Hollywood“ und der Happy Man verwandelt sich mit den Worten „Alles ist möglich“ am Ende in den Manager vom Beverly Wilshire Hotel, Mr. Thompson. Der schaut nicht schlecht, als Edward mit der jungen Frau im Foyer des Hotels erscheint. Sie passt augenscheinlich ganz und gar nicht in die feine Gesellschaft. (In der Lobby werden Vivian Äpfel angeboten, sie steckt sich davon mehrere ein, aber erst nachdem Edward sagte, sie wären umsonst. Lustiger Moment).
Hotelpage Giulio, der die beiden im Fahrstuhl nach oben fährt, fallen die Augen heraus und er ist ständig nur breit am Grinsen. (Sie fahren zu dritt im imaginären Fahrstuhl nach oben. Abwärts verschwindet der Page jedoch tatsächlich im Boden, was einige Lacher auslöste). Im Penthouse geht es Edward dann alles doch etwas schnell und aus der ursprünglichen Stunde, die er Vivian „gebucht“ hat, wird die ganze Nacht, für die er ihr nun 300 Dollar zahlt „Sie ist was Besonderes (lang)“. (Währenddessen liest Vivian Zeitung, nimmt sich vorhandene Erdbeeren und Zuckertütchen und sieht fern. Im Verlauf des Stückes lässt Mr. Thompson von Giulio die Zuckertütchen im Penthouse auffüllen, weil die ungewöhnlicherweise plötzlich aufgebraucht sind. Das Publikum muss darüber lachen.)
Am nächsten Tag erscheint Philip im Penthouse. Er will sich mit Edward über die anstehende Übernahme der Morse-Werften unterhalten. Am Abend ist mit den Besitzern ein Essen mit anschließendem Besuch des Hotelrestaurants Voltaire geplant. Stuckey will Edward dafür eine Begleiterin besorgen, doch er sagt ihm, dass er schon jemanden hat und schiebt ihn aus dem Zimmer. Edward engagiert Vivian nun für die nächste Woche, bis er wieder nach New York abreist. (Hier gibt es die Szene mit dem Walkman in der Badewanne.) Sie soll sich neu einkleiden und bekommt dafür die Kreditkarte von ihrem Arbeitgeber. Alleine im Zimmer, hüpft sie vor Freude auf dem Bett herum, informiert ihre Mitbewohnerin Kit De Luca über den Deal und sagt ihr, dass sie ins Hotel kommen soll „Mir gefällt´s hier“. Mit einem ausgedehnten und langem „OH MEIN GOTT“ betritt diese das Hotelzimmer. Die beiden unterhalten sich aufgeregt, was Vivian nun alles mit der Kreditkarte machen könnte. Aber sie will nur ein Kleid einkaufen, denn sie ist eine ehrliche Haut. Kit muss das erst lernen, hört aber auf ihre Freundin und empfiehlt ihr, sich auf dem „Rodeo Drive“ nach einem Kleid um zusehen. (Hier erscheinen drei Damen, eine im schwarzen Kleid, eine in Weiß und eine in bunt, die um Kit herumtanzen, während sie Vivian Ratschläge gibt).
Im ersten Laden stößt Vivian gleich auf zwei Verkäuferinnen, die ihr aufgrund ihrer Kleidung nichts verkaufen wollen und sie aus dem Geschäft verweisen. (Diese Szene ist eine der prägenden aus dem Film.) Gedemütigt denkt sie noch einmal kurz „Alles nur nicht hier “ und geht wieder zurück ins Hotel. Dort trifft sie auf Mr. Thompson, der sie mit in sein Büro nimmt. Vivian denkt, dass er nun die Polizei rufen wird, um sie aus dem Hotel zu entfernen. (Sie bekommt von ihm sein Taschentuch, putz sich mehr als laut die Nase und darf es danach behalten.) Er legt ihr aber nahe, sich für die Zeit ihres Aufenthaltes als Nichte von Edward auszugeben, um kein größeres Aufsehen zu erregen. Für den Abend im Restaurant solle sie sich zudem angemessener kleiden. Vivian bricht in Tränen aus und lässt ihrem Frust freien Lauf, aber Mr. Thompson greift zum Telefon, arrangiert ein Kleid für sie und bringt ihr das Tanzen bei: „In einer Nacht, wie heut Nacht“. (Im Film wurden Vivian hier Tischmanieren beigebracht, da das Hotel über ein gut besuchtes und dem Klientel angepasstes Restaurant verfügt, in dem nicht nur die Gäste dinieren. Im Musical wird aus dem Genusspalast ein Tanzpalast. So lernt Vivian nun das richtige Tanzen.)
Als Edward Vivian im Abendkleid sieht, ist er positiv überrascht. Auch der Werftbesitzer James Morse und sein Enkel David lassen sich von der jungen Frau einnehmen. Sie kann mit ihrer offenen Art die Wogen ein wenig glätten, denn Mr. Morse will vorerst nicht verkaufen. Die Morses denken daran, auf den Bau von Kreuzfahrtschiffen umzuschwenken. Edward und sein Anwalt Stuckey lehnen das ab. Vivian geht mit Mr. Morse auf die Tanzfläche und schafft es auch, den steifen Edward zum Mitmachen zu animieren. “Tanz dich einfach frei“ wird von der hauseigenen Band mit deren Sängerin Scarlett performt. Es wird sich erst einmal so getrennt, die Verhandlungen werden vertagt.
Mit „Freiheit“ beschreibt Edward später, dass er sich in dem Moment des Tanzens von allen Zwängen befreit fühlte. Er fängt an seinen bisherigen Prinzipien und der Lebensweise zu zweifeln und sehnt sich nach etwas Neuem, ähnlich wie Vivian zuvor bei „Alles nur nicht hier“. (Das Klavier, welches im Film im Hotelrestaurant steht, wurde im Musical ins Penthouse gestellt und Edward spielt, während er singt. Am Ende kommt Vivian zu ihm, setzt sich auf die Tasten und die zweite Nacht beginnt.)
Am nächsten Tag soll Vivian sich noch ein paar Kleider kaufen. Sie will aber nicht wieder einkaufen gehen, weil sie schlecht behandelt wurde. Edward begleitet sie nun höchstpersönlich und bei Nelleés finden sie den richtigen Service für sein Geld „Ein Superstar“. (Hier ist die Szene aus dem Film wirklich eins zu eins übernommen, auch die Vornamen der Einkleiderinnen und die Anspielungen rund um die Kreditkarte. Am Ende kommt Vivian wieder an dem Laden vorbei, aus dem sie am Tag zuvor verwiesen wurde. Top gestylt wie sie nun ist, stürzen sich die Verkäuferinnen gleich freundlich auf sie. „Erinnern sie sich noch an mich?“ „Nein“. „Ich war gestern schon einmal hier und sie wollten mich nicht bedienen. Blöder Fehler. Blöder Fehler“. Genauso wie im Film also.)
Akt zwei
(Ganz zu Anfang erklingen hier die ersten Töne vom Song „Pretty Woman“.) „Das ist unsere Welt“ ist ein Lied, in dem die Upperclass von ihrer doch so schönen und reichen Welt singt. Philip Stuckey stellt sich hier als Schirmherr des Benefiz-Polospiels vor und singt sein einziges Lied im Stück. Der Satz von ihm „Wir sind hier, weil wir, ich weiß nicht mal mehr für was, gesammelt haben!“ sagt schon alles über ihn aus. Stuckey will mit Hilfe des anwesenden Senators die Pläne der Familie Morse durchkreuzen, welche sich genau von diesem Hilfe erhofft.
Philip lässt Edward keine Ruhe und will wissen, wer Vivian eigentlich ist, denn sie ist auch beim Polospiel an dessen Seite. Der Anwalt denkt, dass sie für die Morses spioniert und so sagt Edward ihm, dass sie eine Prostituierte ist. Sein neu erlangtes Wissen reibt der Geschäftsmann ihr gleich vor Ort und Stelle abfällig unter die Nase. Zurück im Hotel ist Vivian gekränkt und verärgert und packt ihre Sachen. (Auf dem Flur räumt Mr. Thompson gerade eine zersprungene Vase beiseite und schaut Edward mit einem erzieherischen Blick an, als Vivian ihm dort noch einmal die Meinung sagt). Edward schafft es aber sie zum Bleiben zu überreden. Mit „Sieh mich an“ erzählt sie, wie sie auf dem Strich gelandet ist: die falschen Männer, Gelegenheitsjobs und am Ende dann nach langer Überwindung der Schritt in die Prostitution.
Am Hollywood Boulevard trauert Kit Vivian hinterher. Der Happy Man fragt sie, wie es ihr geht. Mit „Gibt deinen Traum niemals auf“ lockt er aus ihr heraus, dass sie immer zur Polizei gehen wollte. (Hier soll das Publikum mitklatschen und feiern, was es aber irgendwie nicht tat.)
„Ein Abend in der Oper“ – Edward hat Vivian in die Oper eingeladen. (Sie erscheint in einem roten Abendkleid und er gibt ihr ein Amulett. Hier lässt er wie im Film die Schachtel einmal zuklappen, so dass sie sich erschrickt.) In „La Traviata“ geht es um die Prostituierte Violetta, die sich in den adligen Alfredo verliebt. Doch es gibt kein Happy End. Vivian hatte vor der Aufführung bedenken, ob sie das Stück verstehen würde, da die Oper auf Italienisch gezeigt wird. Edward hatte da keine Bedenken. Er beobachtet sie, während sie der Geschichte folgt. „Libiamo, ne’ lieti calici“, das bekannte Trinklied, welches die Hauptfiguren der Oper singen, wird gespielt. Dies wechselt über in „Du und ich“, in dem Edward die Welt nun ein wenig durch Vivians Augen sieht. Danach folgt Violettas Arie „Amami Alfredo“, bis beide am Ende zusammen singen. Zurück im Hotel ist Edward auf seinem Bett eingeschlafen, Vivian legt sich zu ihm, er wacht auf und sie küsst ihn auf den Mund, was sie eigentlich nie tut. Die beiden lieben sich nun auf eine andere Art. (Dies war eines dieser Szenen, die ohne Worte auskommen).
Am nächsten Morgen unterhält sich Stuckey mit weiteren Kollegen über die Arbeit bis Edward im Büro auftaucht. Er ist barfuß unterwegs, zitiert Shakespeare und sinniert darüber, dass er als Kind gerne Sachen zusammengebaut hat. Philip drängt Edward, er solle sich beeilen. Morses Firma zu übernehmen, sei der größte Fischzug in seiner Karriere. Edward bleibt allein und zitiert weiter verträumt Shakespeare. Derweil besucht Kit Vivian im Hotel und die erzählt von der letzten Nacht, dem Kuss auf den Mund, aber dass sie Edward nur mögen würde, nicht lieben.
„Kein Weg zurück“ – Vivian hat Hoffnung, dass Edward vielleicht doch der erste Mann ist, der sie nicht enttäuscht, denn sie möchte endlich den Hollywood Boulevard hinter sich lassen. Hier kommt der Vergleich mit „Cinderella“ zustande, weil Kit Vivian eine Frau nennen sollte, die aus so einer Situation wie der ihren mit einem Happy End herausgegangen ist.
Wieder zurück im Verhandlungsraum, hat Stuckey Morse soweit, dass er aufgeben will und die Firma zum Verkauf gibt. Gerade in diesem Moment kommt Edward in den Raum und sagt, dass er alleine mit Mr. Morse reden will. Philip will das noch verhindern, aber Edward bittet auch ihn aus dem Raum. Edward Lewis will die Werften retten und die nötigen Gelder besorgen, dafür bürgen und Kreuzfahrtschiffe bauen. Er stimmt noch einmal „Freiheit“ an.
Stuckey ist derweil betrunken im Hotel bei Vivian aufgetaucht. Edwards Sinneswandel hat ihn einen Bonus von 15 Millionen Dollar gekostet und er meint, dass er vor seinen Kollegen wie ein Idiot dasteht. Der Mittelpunkt all seines Zorns ist nun Vivian. Er erniedrigt sie. Sie müsste eine sehr gute Nutte sein, weil sie Edwards Gedanken so gedreht hat. Er bedrängt sie massiv, aber Vivian wehrt sich. Als Edward ins Zimmer kommt, beschuldigt Stuckey die junge Frau, dass sie ihn hinterrücks angegriffen hat. Doch damit gerät er an den Falschen, Edward verweist ihn des Zimmers und sagt ihm auch gleich, dass er entlassen ist. Entrüstet verlässt der Anwalt das Hotel.
Vivian packt weiter ihre Sachen, denn die Woche ist um. Edward schenkt ihr die Schlüssel zu einem Auto, genauer gesagt zu einem Lotus Esprit. Genau wie der, mit dem sie ihn zum Hotel gefahren hatte. Er hat auch seine Kredikartendaten in den besten Läden der Stadt hinterlegt, damit sie dort nach Lust und Laune einkaufen gehen kann. Vivian prognostiziert, dass er ihr dann jedes Mal, wenn er in der Stadt ist und sie sich treffen, Geld unters Kissen legt, wenn er geht. Er bestreitet, dass es so sein wird. Sie müsse dann schließlich nicht mehr auf der Straße arbeiten und es sei ein großer Schritt für ihn. Sie erzählt ihm von ihrem Traum von dem Ritter auf dem weißen Pferd. Aber der Ritter hätte nie gesagt, dass er eine schöne Wohnung für sie hat. Sie lehnt das Angebot ab und geht. Edward hält sie nicht zurück.
„Jetzt wird der Heimweg lang“ zeigt beide, wie sie auf verschiedenen Wegen gehen und über das, was war und kommt, sinnieren. Zwischendrin trifft nun Edward auf Mr. Thompson, um sich vom Hotel zu verabschieden. Auch hier sollen, wie für Vivian zuvor, Chauffeur und Limousine vom Hotel geholt werden. Edward möchte, dass der Manager dafür sorgt, dass das Collier zurückgebracht wird. Dieser erwidert: „Es ist nicht leicht, so etwas Kostbares aufzugeben!“ und meint das zweideutig im Hinblick auf Vivian. Er erzählt ihm auch, wohin der Fahrer sie gebracht hat.
Kurz darauf bei Vivian zuhause. Sie hat alles gepackt, will sich auf den Weg nach San Francisco machen und dort ihren Schulabschluss nachholen. Kit geht auf die Polizeischule und die beiden wollen Freundinnen bleiben. Dann auf einmal erscheint Edward auf der Bildfläche, mit einem Strauß Rosen in der Hand. Auch ist „Amami Alfredo“ aus La Traviata noch einmal zu hören.
„Gewinner für immer“ (im Original „Together Forever“, was man meiner Meinung nach so hätte lassen können, wie auch „Welcome to Hollywood“ und „Rodeo Drive“) – Edward steigt auf die Parkbank, auf der durch die aufgedruckte Werbung ein weißes Ross erscheint, und steigt dann auf die Feuerleiter. Kein leichtes Unterfangen mit Höhenangst. Oben angekommen fallen die beiden sich in die Arme und die große Party beginnt. Träume werden war.
Das Ensemble und die Hauptdarsteller
In diesen Produktionen ist es üblich, dass die Rollen mit mehreren Darstellern besetzt werden, denn in den seltensten Fällen stehen die Hauptakteure 8-mal in der Woche auf der Bühne. Es gibt neben der Premierenbesetzung in den Hauptrollen mindestens zwei andere aus dem Ensemble, die diese Rollen auch einmal übernehmen. Sie müssen gleich mehrere Rollen lernen, wohingegen die Erstbesetzungen sich nur mit einem Part beschäftigen brauchen. So auch bei „Pretty Woman“. Nach und nach werden sie ihre Premieren in den Hauptrollen haben, auch wenn sie schon bei der Europapremiere in kleinen Rollen dabei waren. Daher ist es für viele Besucher interessant, das Stück mehrmals zu sehen.
Marco Trespioli steht als Alfredo in den La-Traviata-Bildern auf der Bühne. Er ist auch als Senator zu sehen, den die Morses ursprünglich um Geld für ihr Vorhaben bitten wollten. Der Tenor hat am Ende für seine Leistung viel Applaus geerntet. Rachel Bahler ist am Anfang zusammen mit dem Happy Man auf dem Hollywood Boulevard zu sehen und fällt dort schon optisch ins Auge, angezogen wie ein Blumenkind. Dort und auch in den La-Traviata-Bildern singt sie Violetta, die tragische Hauptfigur in der Verdi-Oper. Ihr Gesang kam so gut an, dass das Publikum großen Zwischenapplaus gab und sogar Mark Seibert „überklatschte“, als dieser mit „Du und ich“ seinen gesanglichen Part fortsetzte. In diesem Moment ging er total gegen die Oper unter.
Philip Dietrich und Piek van der Kaaden waren als David Morse und Scarlett zu sehen. Die zwei übernehmen jedoch auch die Rollen des Edward und Philip sowie der Vivian und der Kit, wenn die Hauptdarsteller mal Urlaub haben oder anderweitig nicht auftreten können. Marco Heinrich hatte ebenfalls eine kleine Sprechrolle, er steht als Vermieter von Vivian und Kit auf der Bühne und ist, wie seine genannten Kollegen vorher, in mehreren Ensemblerollen zu sehen. Wenn jedoch der Happy Man/Mr. Thompson oder Mr. Morse einmal nicht in der Premierenbesetzung zugegen sind, springt er für sie ein.
Paul Kribbe ist ein Tausendsassa. Wenn er nicht selbst auf der Bühne steht, übernimmt er unter anderem Regie bei diversen TV-Formaten oder die Choreografie bei verschiedenen Produktionen. In „Pretty Woman“ ist er als Happy Man und Mr. Thompson zu erleben. In der ersten Rolle sieht man ihn am Hollywood Boulevard entlang tanzen und jeden in Hollywood begrüßen. Im Hotel angekommen, verwandelt er sich in den Hotelmanager, der Vivian später zur Seite steht und in dieser Variante der Cinderella-Story quasi ihre gute Fee darstellt. Mit viel Charme und Witz ist Kribbe in all seinen Szenen unterwegs, man hat ihn von Anfang an gern. Er braucht nur eine Augenbraue heben und schon hat er das Publikum für sich gewonnen. In der Oper ist er später noch als Dirigent zu sehen und lugt halb aus einer der beiden Bodenöffnungen hervor, unter welchen das Orchester des Theaters an der Elbe zu finden ist. Ganz zu Anfang konnte man dort schon die Hände des echten Dirigenten hervorschauen sehen (die Medienpremiere dirigierte Aday Rodriguez Toledo), als dieser sich für den Applaus nach seiner Namensnennung bedankte.
Frank Logemann kennt man in Hamburg aus Produktionen wie „Mamma Mia!“, „Rocky“, „Kinky Boots“ und zuletzt als „Dr. Watson“ in „Sherlock Holmes – The next Generation“. Souverän gibt er Mr. Morse sen., der mit Vivian eine kesse Sohle aufs Tanzparkett legt, als sie ihm im Hotelrestaurant begegnet. Doch die Rolle hat keinen eigenen Song und ist nur in zwei Bildern zu sehen, was etwas schade ist.
Nigel Casey verkörpert „Philip Stuckey“, der schon lange als Edwards Anwalt an dessen Seite steht und mit ihm skrupellos Firmen aufkauft und zerschlägt. Dass es seiner Figur nur ums Geld geht, macht er in jeder Sekunde klar. Die Frauenfeindlichkeit, die seine Figur an den Tag legt, spielt er so überzeugend, dass man ihm am liebsten selbst am Ende die Faust in die Brust rammen möchte.
Als Vivians Freundin „Kit De Luca“ dürfen wir Maricel wieder auf einer Bühne in Hamburg erleben. Das Allroundtalent schreibt ihre eigenen Songs und Stücke und führt auch Regie. Zuletzt konnte man sie konzertant in ihrem Stück „Jeanne D’Arc – die Jungfrau von Oréans“ im Theater Lüneburg in der Titelrolle sehen und hören. Diese Kit ist ganz anders als die entsprechende Rolle im Film. Komplett in schwarzer Ledermontur kommt sie als Rockröhre vom allerfeinsten daher. Kit ist genauso wie Vivian nicht auf den Mund gefallen, also eine Rolle, die bestens zu der in Hannover geborenen Künstlerin passt und die sie voll auslebt.
Als Edward Lewis gehört Mark Seibert zur Premierenbesetzung, einer der aktuell erfolgreichsten Darsteller im deutschsprachigen Musicaluniversum. Der gebürtige Hesse erfreut sich großer Beliebtheit, seine Bühnenkarriere startete in Wien und führte ihn schon bis nach Japan. Sein Engagement in Hamburg soll sicherlich mit dazu beitragen viele, besonders die weiblichen, Besucher ins Theater an der Elbe zu locken. Eigentlich steht dort oben der Mark, den man meist bei Pressekonferenzen erlebt, gestriegelt, gebügelt, immer korrekt und gut gekleidet. Seine Bühnenanzüge und Hemden unterscheiden sich kaum von denen, in welchen man ihn schon oft bei öffentlichen Veranstaltungen gesehen hat.
Souverän und stimmlich gut wie eh und je erleben wir ihn auf der Bühne. Da war es doch glatt befriedigend, dass er von einem kleinen Versprecher nicht verschont blieb. Aber dieser Satz: „Sie sind nicht konkurrenzfähig ausländischen Konstrukteuren gegenüber“, der in der Rolle gesagt werden muss, darf einem schon mal die Zunge verknoten.
Ab dem Zeitpunkt, als bekannt wurde, „Pretty Woman“ kommt nach Deutschland, stand für uns keine andere als Patricia Meeden für die Rolle der Vivian fest. Schon allein ihr unheimlich ansteckendes Lachen zieht einen gleich in ihren Bann. Davon gab es schon damals bei „Sister Act“ reichlich, als sie die „Deloris“ spielte. Bis zu dem Moment in „Pretty Woman“, als Vivian von Anwalt Stuckey beim Polospiel auf ihre Tätigkeit angesprochen wird, ähneln diese Figuren sich in Schlagfertigkeit und Wortwitz. Danach bringt Patricia die Vivian auf die Bühne, die erwachsen geworden ist, bei dem, was sie erlebt hat. Stimmlich ist sie voll auf dem Punkt da. Zusammen mit Mark stand sie bereits 2007 in Hair und 2014 in Jesus Christ Superstar zusammen auf der Bühne. Daher sind sie quasi schon ein eingespieltes Team.
Unsere Meinung
Die Geschichte ist fast eins zu eins vom Film auf die Bühne umgesetzt. Viele der prägnanten Dialoge und Szenen sind vorhanden. Die Sicherheitsansage wird von Julia Roberts deutscher Stimme, Daniela Hoffmann, gesprochen. Hier bekommt man zu hören, dass es ein „Blöder Fehler“ sei, wenn das „schlüpfrige Scheißerchen“, womit in dem Moment das Handy jedes Zuschauers gemeint wird, noch nicht abgeschaltet ist.
Die Bühne (David Rackwell) ähnelt einem Schattenspiel und deutet die Gegenden, in denen man sich befindet, gut an: die Rückseite von Vivans Wohnblock mit Feuerleiter, die Palmen am Sunset Boulevard und auf dem Rodeo Drive sowie der Hollywood Boulevard mit seinen ganzen Lichtreklamen. Der Walk of Fame wird in einem Dialog nur kurz erwähnt, als es darum geht, wessen Revier von diesem zu jenem Stern geht. Das Licht ist stimmig, passt zu den jeweiligen Situationen und gibt dem Schattenspiel zum Ende der einzelnen Bilder noch mehr Nachdruck. Bevor es in die Oper geht, sind zum Beispiel die Hollywood Hills erleuchtet und bei Nacht zu sehen.
Unter den von Bryan Adams und Jim Vallance komponierten Songs fand sich nicht wirklich einer, den meine Begleitung und ich in der Pause oder beim Verlassen des Theaters noch gesummt hätten, obwohl die textlichen Inhalte der Lieder die Momente und Situationen gut treffen und beschreiben. Dabei sind so unterschiedliche Musikrichtungen wie zum Beispiel Jazz, Rock und Gospel zu hören. Einzig der Tango („In einer Nacht, wie heut Nacht“) hat uns sehr gefallen, besonders auch wegen der wundervollen Tanzvorstellung von Paul Kribbe (Happy Man/ Mr. Thompson) und Johnny Galeandro (köstlich als Hotelpage Giulio, später im Stück darf er noch seine Tanzkünste als Breakdancer zeigen). Dieses Bild ist uns am Ende noch am längsten im Kopf geblieben (aber auch hier ist die Melodie nicht hängen geblieben). Für uns die beste Szene des Abends. Die anderen Choreografien sind zwar gut und ausgefeilt, kommen aber an diese nicht heran.
Oft waren Ähnlichkeiten zu „My Fair Lady“ zu finden. Es lässt sich nicht bestreiten, dass „Pretty Woman“ Parallelen zwischen dem Musical von Lerner und Loewe, welches auf „Pygmalion“ von George Bernard Shaw basiert, aufweist. Armes Mädchen trifft reichen Mann und verliebt sich am Ende, nach einigen Turbulenzen, in ihn und sie werden ein Paar. Sie bleibt zwar so natürlich wie sie am Anfang war, wächst aber doch mit den Umständen und er lässt die Zwänge seines bisherigen Lebens hinter sich. Ein Beispiel für diesen Vergleich ist für uns die Szene in Ascot, beziehungsweise das Benefiz-Polospiel. Eliza ruft den Pferden hinterher „Lauf Dover, sonst streu ik dir Pfeffer in den Arsch“ und Vivian erwidert ganz trocken auf den Hinweis, Edward sei der beliebteste Junggeselle unter den Reichen: „Ich will ihn mir gar nicht angeln, ich benutze ihn nur für Sex!“, was sich doch sehr ähnelt. Im Stück selbst ist von „Cinderella“ die Rede, weil Kit keine reale Frau einfällt, die ein Happy End in der Art gehabt hat.
Fazit
Die erste Hälfte bringt Spaß, es geht mit Tempo immer gut weiter, doch die zweite Hälfte kommt unserem Empfinden nach lang daher. Man kann jedoch einen netten Theaterabend mit einem tollen Ensemble verbringen und in Erinnerungen an den Film schwelgen.
Wie immer an dieser Stelle: Seht euch das Stück selbst an und bildet euch eure eigene Meinung, denn unsere Rezensionen geben immer die persönlichen Eindrücke wieder und jeder hat nun einmal ein anderes Empfinden. Dafür gibt es kein Rezept.
Text: Nathalie
Bilder: Nathalie
Credits
Musik und Liedtexte
Bryan Adams, und Jim Vallance
Buch
Garry Marshall und J.F. Lawton
Deutsche Übersetzung
Nina Schneider und Frank Ramond
Musikalische Leitung
Aday Rodriguez Toledo
Regie und Choreografie
Jerry Mitchell
Co-Regie
DB Bonds
Co-Choreografie
Rusty Movery
Bühne
David Rackwell
Kostüme
Gregg Barnes
Besetzung der Medienpremiere
Patricia Meeden (Vivian Ward),
Mark Seibert (Edward Lewis),
Maricel (Kit De Luca),
Paul Kribbe (Happy Man / Mr. Thompson),
Nigel Casey (Philip Stuckey),
Frank Logemann (James Morse),
Johnny Galeandro (Giulio),
Rachel Bahler (Violetta),
Marco Trespioli (Alfredo),
Piek van der Kaaden (Scarlett),
Philipp Dietrich (David Morse)
Marco Heinrich (Vermieter)
ENSEMBLE
MARCELLA ADEMA |
Ensemble | Cover Vivian | Cover Violetta | ||
DANILO AIELLO | Ensemble | ||
BECKY ANDERSON | Ensemble | ||
RACHEL BAHLER | Violetta | Ensemble | ||
PHILIPP DIETRICH | David Morse | Cover Edward Lewis | Cover Philip Stuckey | Ensemble | ||
JOHNNY GALEANDRO | Giulio | Ensemble | ||
MARCO HEINRICH | Landlord | Cover Happy Man | Cover Mr. Thompson | Cover James Morse | Ensemble | ||
EMMA HUNTER | Rachel | Erica | Ensemble | ||
EIKO KELLER | Ensemble | Cover Philip Stuckey | ||
PETER KNAUDER | Ensemble | ||
ANNEMARIE LAURETTA | Amanda | Cover Kit De Luca | Cover Violetta | Ensemble | ||
SUSIE PORTER | Ensemble | Dance Captain | ||
MARCO TRESPIOLI |
Alfredo | Ensemble | ||
PIEK VAN DER KAADEN |
Scarlett | Cover Kit De Luca | Cover Vivian Ward | Ensemble | ||
SANDER VAN WISSEN |
Hollister | Cover Alfredo | Ensemble | ||
JAMES COOK | Swing | Cover Giulio | Assistant Dance Captain | ||
SAMANTHA HARRIS- HUGHES |
Swing | ||
HANNA MALL | Swing | Cover Vivian Ward | ||
SALVATORE MARCHIONE |
Swing | Cover Giulio | ||
MAX MEISTER | Swing | ||
JESSICA RÜHLE |
Swing | ||
MARCO TOTH | Swing | Cover Alfredo | Cover James Morse | ||
CARL VAN WEGBERG |
Walk-In Edward Lewis | Walk-In Philip Stuckey | ||