Welturaufführung 23.-24. Februar 2018 WDR Funkhaus in Köln

© WDR/Claus Langer
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Weltpremiere: 23.02.2018 / Rezensierte Vorstellung: 24.02.2018

Das WDR Funkhaus, eine Location mit einer eher unscheinbaren Fassade in einer Seitenstraße nahe des Kölner Doms. Im Inneren, der Klaus von Bismarck-Saal. Ein großer wunderbar ausgeleuchteter Raum mit einer, wie sich im Laufe der Vorstellung zeigte, wunderbaren Akustik. Auf der Bühne des 650 Zuschauer fassenden Konzertsaals befinden sich das hauseigene Funkhausorchester, ein paar Stühle und ein kleines bisschen Bühne inklusive eines Stegs, der bespielt werden kann. Selbst im Wissen, es handle sich um eine konzertante Aufführung des Stückes, kann man beim Betreten des Saales, abgesehen von wunderbar vorgetragener Musik, noch nicht wirklich sagen, was einen in den nächsten zwei Stunden erwarten wird… 

Erstmals wird das Publikum, zum Großteil bestehend aus Erstbesuchern eines Funkhausorchester-Konzerts, von Managerin Corinna Rottschy begrüßt, welche nicht nur verdientes Lob das Orchester betreffend ausspricht, sondern auch den Zuschauern ein bisschen die Entstehungsgeschichte dieses Musicals näherbringt, welches auf der Sage des fliegenden Holländers basiert. Kurz darauf betritt der Dirigent die Bühne und im Saal schwindet das Licht, bereit für ein einmaliges Bühnenerlebnis.

Die Story

Um auf die Erwartungen zu Beginn des Stückes zurückzukommen, zieht man nach zwei Stunden Vorstellung das Fazit „Man erwartet nichts und bekommt alles“. Mit kaum einer Bühne, einfachen, das ganze Stück über gleichbleibenden Kostümen und einem Ensemble, welches lediglich aus vier Hauptdarstellern und einem rund 15-köpfigen Ensemblechor besteht, schafft Regisseur Roland Hüve ein Musicalerlebnis der besonderen Art. Durch die mystische Geschichte, die hervorragende Arbeit der Darsteller und vor allem durch die Musik von Philipp Polzin und Christian D. Dellacher, einwandfrei vorgetragen durch das WDR-Funkhausorchester, entsteht eine unbeschreibliche Atmosphäre, die einen von Beginn an in ihren Bann zieht.

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Einziges technisches Manko ist die nicht immer perfekte Tonabmischung zwischen Orchester und Solisten, oft erklingt die Musik eine Spur zu laut im Vergleich zum Gesang der Protagonisten, was das ein oder andere Mal zu leichten Verständnisproblemen die Texte betreffend führt. Dies ist allerdings nur ein kleiner Wehmutstropfen, welcher durch den wunderbaren Klang und die eindrucksvolle Untermalung der szenischen Umsetzung des stark besetzten Orchesters sofort wieder in den Hintergrund geschoben wird.

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Bei den Protagonisten entschied man sich für bereits bekannte Namen in der Musicalszene, welche all ihre Erwartungen erfüllen und einmal mehr ihre künstlerische Bandbreite auf der Bühne darlegen können. Allen voran Chris Murray in der Rolle des fliegenden Holländers, der mit einer unfassbar starken Stimme durch den Abend führt. Wunderbar schafft er es die Waage zwischen der harten und fruchteinflößenden Schale und des verletzlichen weichen Kerns seiner Figur zu halten. Er gibt einen durch sein Schicksal gebrochenen und gefühlskalt gewordenen Mann, der es dennoch nicht übers Herz bringt andere mit in sein Unglück zu ziehen und sich so in ewige Einsamkeit zurückzieht. Seine Songs singt er einwandfrei, stark, berührend und vor allem in einer beeindruckenden Lautstärke die es ohne weiteres mit dem gewaltigen Orchester aufnehmen kann. Außerdem zieht er das Publikum so sehr in seinen Bann, dass man jede einzelne seiner Aktionen mitverfolgt, so sehr hat man sich noch nie in die Gefühlswelt des fliegenden Holländers und in sein Verhalten hineinversetzen können.

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In der Rolle seiner lang ersehnten Erlöserin Senta steht Milica Jovanovic auf der Bühne, die vor allem mit ihrer glockenklaren und ausdrucksstarken Stimme berührt. Ohne Probleme schafft sie den Sprung von schmachtenden Balladen zu starken dramatischen Duetten und zeigt somit einmal mehr, wie wandlungsfähig sie ist. Diese Fähigkeit schlägt sich auch in ihrem facettenreichen Schauspiel nieder, ist sie doch einerseits das hoffnungsvolle junge Mädchen, welches gelangweilt vom öden Kleinstadtleben in die große Welt hinaus will, andererseits aber auch eine starke erwachsene Frau, die sich von Träumen geplagt ihrem eigenen vermeintlichen Schicksal stellt, auch wenn sie dafür ein großes Opfer bringen muss. Wunderbar sind diese beiden Seiten ihrer Rolle auch im Zusammenspiel mit ihren Kollegen Chris Murray und Richard Salvador Wolff zu sehen, mit denen sie mehr als gut harmoniert.

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Richard Salvador Wolff bekommt als Erik kein „Happy End“. Er macht seine Sache, inklusive des traurigen Endes, jedoch sehr gut. Der junge Darsteller hat sich seit seiner Rolle im Disney Musical „Aladdin“ immer weiterentwickelt. Als gereifter junger Mann steht er mit einer starken Musicalstimme auf der Bühne und macht jeden seiner Songs zu einem Erlebnis und einem Traum für jede junge Frau. Vor allem sein Solo zu Beginn des Stückes, in dem er seine Gefühle für Senta ausdrückt, wartet nicht nur mit Ohrwurmcharakter auf, sondern besticht auch durch Wolffs unfassbar klare Stimme und seine ausdrucksstarke Mimik und Gestik. Diese zeichnet sein gesamtes Schauspiel auf der Bühne aus und so glaubt man seiner Figur jedes Wort. Ein junger verliebter Mann, der bereit ist für seine große Liebe zu kämpfen und trotz enttäuschter Gefühle sein Schicksal wie ein Mann erträgt.

WDR Der fliegende Holländer Funkhaus Wallrafplatz 1 50667 Köln Mitwirkende: -Milica Jovanovic, Senta; -Chris Murray, Holländer; -Richard-Salvador Wolff, Erik; -Thomas Bayer, Daland; -Vocal Journey; -WDR Funkhausorchester; -Kai Tietje, Leitung; -Philipp Polzin und Christian Dellacher, Buch und Arrangements; -Roland Hüve, Regie. © WDR/Claus Langer
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Thomas Bayers Rolle als Sentas Vater Daland ist etwas kleiner, trotzdem überzeugt er mit einer warmen und angenehm tiefen, volltönigen Stimme und verkörpert gleichermaßen den besorgten Vater und den starken Kapitän. Er steht immer zu seiner Tochter und auch sein Schützling Erik liegt ihm am Herzen wie ein eigener Sohn. Mit dem Schicksal seiner Tochter findet er sich trotz seiner großen Liebe zu ihr oder gerade deswegen ab. Diesen schmerzlichen Abschied verkörpert Bayer emotional und beinahe herzzerreißend für jede Mutter oder Vater.

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Unterstützt werden die vier Protagonisten vom Chor „Vocal Journey Köln“, dessen Mitglieder nicht nur als Backround-Chor, sondern auch als Ensemble fungieren und immer wieder kleine Nebenrollen, sowie Solos übernehmen. Sie runden das Stück und dessen Geschichte wunderbar ab und schaffen mit einigen mitreißenden Ensemble-Nummern ebenso ein tolles Bühnenerlebnis wie die Protagonisten.

Abschließend kann man sagen, dass an dieser nur zweimal aufgeführten Welturaufführung kaum ein graues Haar zu lassen ist. Eine packende Story, fantastische Darsteller, eine Musik, die Balsam für die Seele ist und von einem Orchester vorgetragen wird, dessen Größe man im Musical normal nie geboten bekommt. Ich würde ja sagen, hingehen, anschauen und sich selbst in „Der fliegende Holländer“ verlieben, nur leider wird uns für die nächste Zeit nur die Videoaufnahme der Premiere in der WDR-Mediathek bleiben… Hoffen wir auf eine baldige Wiederaufführung.

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Artikel von Rebecca