Die Addams Family – Eine schrecklich schräge Familie
Tournee-Premiere: 26.10.2018 (Nienburg) / besuchte Vorstellung: 16.11.2018 (Hameln)
Premiere in Hildesheim: 03.11.2018
Willkommen in „Grusel-City“. Die Addams Family ist eine intelligent gestrickte Beziehungskomödie von Andrew Lippa, Marshall Brickman und Rick Elice. Nach der erfolgreichen Deutschlandpremiere im Jahr 2014 nehmen immer mehr Bühnen das Musical in ihre Spielpläne auf. So auch das Theater für Niedersachen in Hildesheim.
Wednesday Addams, Tochter von Gomez und Morticia, verliebt sich in einen stinknormalen Jungen namens Lucas. Sie ist so verliebt, dass sie es kaum abwarten kann, der Familie die frohe Botschaft der Verlobung mitzuteilen. Wednesday ahnt aber, dass ihre Mutter etwas dagegen haben könnte, so vertraut sie sich ihrem Vater an und hütet mit diesem dieses Geheimnis. Nachdem Morticia am liebsten das gemeinsame Essen mit der Familie von Lucas absagen möchte, setzt sich Gomez mit einem Abendbrot durch. Allerdings unter der Bedingung, ein Spiel zu spielen. Die Scharade kann beginnen.
Während der ganzen Vorbereitungen erweist sich Onkel Fester mit den Ahnen als Liebes-Amor, denn dieser lässt die Ahnen erst wieder ins Grab zurück, wenn die Liebe am Ende gesiegt hat. Grandma ist die treue Seele der Familie und gibt Pugsley (Wednesdays Bruder) den Rat, sich für seine Schwester zu freuen. Stattdessen befürchtet dieser, dass er ohne seine Schwester keinen Spaß mehr haben wird. Wer soll ihn denn dann schließlich quälen?
„Die Addams Family“ ist ein charmant gestricktes Musical, welches Konventionen hinterfragt und vor Slapstick nicht Halt macht. Die Witze und Anspielungen sind teilweise schon wieder so flach, dass sie nicht nur zum Schmunzeln anregen, sondern im wahrsten Sinne des Wortes zum Lachen. Raffiniert sind die musikalischen Motive der einzelnen Figuren. So wird die leidenschaftliche Beziehung von Morticia und Gomez mit Tangorhythmen unterlegt, Festers Liebe zum Mond mit märchenhaften Klängen und Pugsleys melodischen Motive erinnern an Kinderlieder. Der Freiheitsdrang der jungen Generation wird schließlich mit der kontrastierenden Popmusik untermalt. Am Ende bemerkt man erst, wie viele Musikstile in diesem Musical ihren Platz finden.
Unter der Regie von April Hailer hat das Theater für Niedersachsen ein kontrastreiches Programm zu „Die Brücken am Fluss“ (hier geht`s zum Bericht) geschaffen. Nicht nur, dass bei der Addams Family schließlich jene Ensemblemitglieder tragende Rollen zugewiesen bekommen haben, die bei den “Brücken” kaum zum Zuge kamen, nein, nach purem Herzschmerz werden nun die Lachmuskeln auf die Probe gestellt.
Die Choreographien von Annika Dickel sind frech und technisch auf einem sehr hohen Niveau. Text, Arme und Beine zu koordinieren, dürfte an der ein oder anderen Stelle während der Probenphase zu Schweißausbrüchen geführt haben. Besonders in Erinnerung bleibt die Choreographie zu “Sag die Wahrheit”, aber auch der leidenschaftliche argentinische Tango von Morticia und Gomez am Ende der Inszenierung.
Im Zentrum der Handlung steht an diesem Abend Sandra Pangl als Wednesday Addams. Ob voller Hass auf ihren Bruder Pugsley oder total verliebt in Lucas. Pangl kann hier ihr volles Können unter Beweis stellen und berührt mit einer glockenklaren Stimme. Vor allem ihr Solo „Neue Wege“ überzeugt.
Als Lucas Beineke feiert Nicolo Soller sein Debüt am Theater für Niedersachsen. Gesanglich kommt Soller leider erst im zweiten Akt so richtig zur Geltung, kann dort aber direkt bei „Verrückter als du“ überzeugen. Schauspielerisch bewegt auch er sich auf einem sehr guten Niveau.
Publikumsliebling an diesem Abend ist allerdings Jens Krause als Onkel Fester. Fester ist nicht nur Liebes-Amor für Wednesday und Lucas, sondern tritt hin und wieder aus seiner Rolle hinaus, um mit kleinen Randbemerkungen als Erzähler vor das Publikum zu treten. Die Rolle des Fester ist wie gemacht für Jens Krause. Es macht Spaß, ihm zuzusehen.
Marysol Ximénes-Carrillo und Alexander Prosek harmonieren als Morticia und Gomez Addams perfekt. Die leidenschaftlichen Tänze, egal ob Salsa oder Tango, untermalen dies. Gesanglich sind beide an diesem Abend in Topform.
Elisabeth Köster und Gerald Michel verkörpern das Ehepaar Beineke. Trotz Erkältung konnte Köster an diesem Abend vor allem mit „Das Warten“ auf ganzer Linie überzeugen.
Pugsley wird gespielt von Johannes Osenberg. Nachdem dieser bei „Die Brücken am Fluss“ lediglich in den Ensemble-Nummern seinen Gesang unter Beweis stellen durfte, konnte er nun sein Können u.a. mit „Was wäre wenn“ zeigen.
Ein Besuch bei der Addams Family lässt einen den Alltag vergessen und lädt auf eine witzige Art und Weise zum Nachdenken an. Die Inszenierung des Theater für Niedersachsen ist von der ersten Minute an stimmig und überzeugt. Die Addams sind in Hildesheim und auf Tournee in Norddeutschland noch bis Juni 2019 zu sehen. Tickets gibt es an allen bekannten VVK-Stellen.
Artikel von Anna-Virginia