Die Brücken am Fluss – Theater für Niedersachsen

Ein Abend voller Emotionen

Premiere: 08.09.2018 – rezensierte Vorstellung: 19.09.2018 (Gastspiel Hameln)

© Jochen Quast
© Jochen Quast

Ab jetzt teilt sich mein Leben in vor dir und danach.“ (Francesca) – Es ist die Geschichte von Francesca Johnson und ihrer Familie. Sie lebt mit ihrem Mann Richard „Bud“ und ihren beiden Kindern Michael und Carolyn auf einer Farm in Iowa im Mittleren Westen der USA. Eigentlich führt sie ein glückliches Leben. Die Farm läuft gut und die Nachbarn unterstützen sich untereinander.

Eines Tages brechen Bud, Michael und Carolyn mit dem kräftigen Stier Stieve auf zu einem bundesweiten Wettbewerb in Texas. Francesca bleibt alleine zu Hause und genießt die Ruhe. Als sie gerade mit ihrer Nachbarin Marge telefoniert, fährt ein blauer Pick-Up die Auffahrt zur Farm herauf. Robert Kincaid, ein Fotograf der „National Geographics“, ist auf der Suche nach der „Roseman Bridge“. Francesca ist so frei, zeigt ihm den Weg und lädt ihn später zu sich nach Hause zum Essen ein. Robert und Francesca verlieben sich ineinander. Francesca merkt, was sie all die Jahre vermisst hat. Sie geht eine Affäre ein, die Nachbarn beobachten dies mit Argusaugen. Robert merkt derweil, nachdem er jahrelang stets in der Welt unterwegs war, dass er sich erstmals ernsthaft binden könnte…

Carolyn (Sandra Oangl) & Michael (Johannes Osenberg) © Jochen Quast
Carolyn (Sandra Pangl) & Michael (Johannes Osenberg) © Jochen Quast

Doch dann kommt ihre Familie wieder zurück. Francesca möchte nichts lieber als das öde Landleben hinter sich lassen und durch die Bindung zu Robert endlich ihre Jugendträume verwirklichen. Ihre Kinder und vor allem ihr Mann Bud bemerken, dass irgendwas mit Francesca nicht stimmt. Schließlich hat sie vergessen für die Sieger einzukaufen und etwas zu kochen – etwas, das sie sonst nie vergessen würde. Als Francesca schließlich mit Bud sprechen will, streiten sich Michael und Bud. Es kommt zum Handgemenge und sie beschließen dem Frieden zuliebe alle gemeinsam ein Eis essen zu fahren.

In der Stadt treffen sie auf Robert. Carolyn fragt ihre Mutter, wer der Mann sei, doch diese antwortet nüchtern, dass Robert ein Fotograf wäre. Francesca hat die Möglichkeit ihrem alten Leben den Rücken zu kehren. Doch wie wird sie sich entscheiden?

Ihre Kinder werden jedenfalls flügge. Carolyn heiratet mit 18 Jahren einen Farmersjungen und Michael schließt sein Medizin-Studium mit summa cum laude ab. Am Ende aber, ist da „Das eine, was bleibt“…

© Jochen Quast
Francesca (Marysol Ximénez-Carrillo) & Bud (Alexander Prosek) © Jochen Quast

„Die Brücke am Fluss“ von Jason Robert Brown und Marsha Norman ist ein Melodram der besonderen Art. Als Vorlage dient der Roman von Robert James Waller, welcher behauptet, die Geschichte sei wahr und er habe sie von Francescas Kindern nach ihrem Tod erzählt bekommen. In seinem Roman fügt er sogar Briefe und andere dokumentarische Texte ein. Diese Briefe werden auch am Ende des Musicals zu einem Bestandteil der Handlung, wenn Robert und Francesca auf ihr Leben zurückblicken und dieses hinterfragen.

Die Inszenierung von Craig Simmons ist auf das nötigste beschränkt, kommt damit aber vollkommen aus. Schließlich sollen die Emotionen im Mittelpunkt dieser Inszenierung stehen. Die Ausstattung von Esther Bätschmann passt perfekt zum Handlungsrahmen. Die Geschichte spielt in den 1960er-Jahren in Amerika und daran erinnern einen sowohl das Bühnen- als auch das Kostümbild. Die Inszenierung im Ganzen ist stimmig und perfekt.

Robert (Gerald Michel) & Francesca (Marysol Ximénez-Carrillo)
Robert (Gerald Michel) & Francesca (Marysol Ximénez-Carrillo)

Am meisten an diesem Abend können aber die Künstler auf der Bühne und im Orchestergraben überzeugen. Die Band des Theater für Niedersachsen unter der Leitung von Andreas Unsicker beginnt die ersten Takte von „Ein Zuhaus“ zu spielen und ein Gänsehautschauer übermannt einen. Wenig später kommt die glockenklare Stimme von Marysol Ximénez-Carrillo als Francesca hinzu und dem geschulten Ohr wird klar, dass dies ein toller und vor allem emotionaler Abend werden wird.

Und die Erwartungen werden nicht enttäuscht, denn die anderen Künstler auf der Bühne können einen ebenfalls mitreißen. Gerald Michel überzeugt als Robert Kincaid vor allem mit seinem Schauspiel, aber auch gesanglich kann Michel vor allem bei „Die eingerahmte Welt“, „Lass mich dir nah sein“ und „Das eine, was bleibt“ überzeugen. Im Spiel mit Marysol Ximénez-Carrillo entsteht auf der Bühne ein neues Traumpaar der Musicalszene. Sie harmonieren nicht nur stimmlich, sondern auch in ihrem Spiel. Hier wirkt nichts verkrampft.

© Jochen Quast
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Alexander Prosek als Bud überzeugt mit „Wie aus einem Traum“ und „Wenn ich geh“. Leider kann man Prosek hin und wieder schlecht verstehen, was wahrscheinlich der Technik zu schulden ist. Dies tut aber dem Gesamteindruck keinen Abbruch.

Fast jedes Ensemble-Mitglied hat in dieser Inszenierung einen Solo-Auftritt. So überzeugt Elisabeth Köstner als Roberts Ex-Frau Marian mit „Ne and´re Welt“ oder Katharina Schutza als Marge mit ihrem Solo bei „Lass mich dir nah sein“.

Marian (Elisabeth Köstner) & Robert (Gerald Michel) © Jochen Quast
Marian (Elisabeth Köstner) & Robert (Gerald Michel) © Jochen Quast

Jens Krause wirkt die gesamte Vorstellung über als Charlie ganz unscheinbar, doch am Ende ist es gerade er, der „Wenn ich geh“ eine besondere Note verpasst und mit seiner warmen Stimme berührt.

Sandra Pangl kann in dieser Inszenierung leider nicht ihr ganzes Können unter Beweis stellen, brilliert aber in ihrer Darstellung der pubertierenden Carolyn bis hin zur erwachsenen Frau. Johannes Osenberg als ihr Bruder Michael kann ebenfalls das Publikum mit seiner Darstellung für sich gewinnen. Jürgen Brehm ist als Junger Bud, Barkeeper oder Dekan zu erleben und kann stets überzeugen. Ab Oktober übernimmt diesen Part Nicolo Soller, da Brehm an das Schmidt Theater in Hamburg wechselt.

Charlie (Jens Krause) & Marge (Katharina Schutza)
Charlie (Jens Krause) & Marge (Katharina Schutza)

Je weiter die Geschichte fortschreitet, desto mehr wird einem klar, warum dieses Musical mehrere Auszeichnungen für die „Beste Komposition/Orchestrierung“ erhalten hat. Es vereint mehrere Genres auf eine wundervolle Weise. Eben noch klassische Töne und im nächsten Moment wechselt die Komposition geschickt zum Western oder zu einer gefühlvollen Ballade. Wer Browns Kammermusical „Die letzten 5 Jahre“ kennt, der wird aus diesem das ein oder andere Motiv erkennen.

Fazit: „Die Brücken am Fluss“ ist ein ganz besonderes und emotionales Musical. Es lässt sich schwer in eine Schublade schieben, überzeugt aber mit einer grandiosen Komposition und in Hildesheim mit einem mehr als gelungenen Ensemble. Der interessierte Musicalbesucher sollte sich dieses Musical nicht entgehen lassen.

Anmerkung: Die Musical-Company vom Theater für Niedersachsen hat mit „Die Brücken am Fluss“ am 19.09.2018 ihr erstes Gastspiel in dieser Spielzeit in Hameln gegeben. Es folgen weitere Termine in Nienburg, Burgdorf, Wunsdorf, Winsen, Langenhagen, Garbsen und natürlich in Hildesheim. Alle Termine der laufenden Spielzeit und Tickets unter www.tfn-online.de.

© Jochen Quast
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Artikel von Anna-Virginia