Kinky Boots – Licht und Kostüm

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Simon Anthony Rhoden als Lola am Adelphi Theatre in London Photo by Matt Crockett

Das Licht

Im Stück gibt es viele schnelle Schnitte von einer Szene zur anderen – quasi wie in einem Film. Einer der Bühnenbereiche, in dem gerade noch eine Szene spielte, ist plötzlich im Dunkeln gehalten, ein anderer erstrahlt im hellen Licht der Scheinwerfer. Dieses Lichtspiel wird in den meisten Bildern angewandt. Besonders fällt es in der Eröffnungsszene bei „Das herrlichste Wunder der Welt“ auf. Erst sind wir in der Fabrik, plötzlich ertönt die Pausenglocke. Alles wird dunkel und der Spot liegt auf „klein Lola“, wie er sich rote High Heels anzieht. Auch während Lola mit den Angels ihren zweiten Auftritt hat, verharren sie immer wieder eingefroren auf der Bühne und der Spot zieht eine Etage höher in Charlies Büro und beleuchtet die Szene dort. Ein absolutes Highlight ist der Auftritt von Lola im Altersheim. Die Lichtstimmung zu „Trag mich in dein Herz“ ist magisch. Erst beim Finale hellt sich die Bühne komplett auf, was einen dann noch mehr mitreißt. Das Lichtdesign stammt von Kenneth Posner.

Die Kostüme

Die Kleidung der Belegschaft in der Schuhfabrik ist wie aus dem Leben gegriffen. Wenn es in solchen Werkstätten keine gestellte Arbeitskleidung gibt, dann tragen die Beschäftigten meist die Sachen auf, die sie in der Freizeit nicht mehr brauchen. Oder es sind extra gekaufte Stücke, die von Anfang an nur für die Arbeit sind. Hier und da ist eine ganze Lederschürze oder auch eine halbe zu entdecken. Meistens tragen die männlichen Mitarbeiter diese bei den Arbeiten an den Maschinen. Die Damen haben teilweise bunte Kittelschürzen an wie sie früher oft getragen wurden. Heute findet man diese nur noch selten und meistens bei Reinigungspersonal oder bei Krankenschwestern. Jeans oder auch stärkere Stoffhosen komplettieren die Outfits. Die Farbtöne sind eher erdfarben und matt gehalten.

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Die Hamburger Cast am Ende von „Everybody say yeah“ in ihren Fabrik-Kostümen Copyright Johann Persson

George in seiner Funktion als Vorarbeiter trägt permanent einen langen, dicken Kittel über einem braunen Anzug. Dieser ist im zweiten Akt bis zum Finale noch der gleiche. Aus der Fliege, die er sonst trägt, wird dann ein Schlips und aus dem Kittel ein braunrotes Jackett. Charlie ist meistens in Anzughosen, Hemd oder Pullover zu sehen. Nicola trägt meist schwarz und erscheint im Businesslook. Am Anfang trägt sie noch einen Anzug, später erscheint sie in Kleidern. Lauren trägt am Ende ein Kleid in Pink. Vorher ist sie, wie alle Fabrikarbeiter, sportlich gekleidet.

Ob die Kostüme der Angels für Gregg Barnes, der sie designt hat, wohl die schwierigsten waren? Natürlich. Besonders die Schuhe waren eine Herausforderung. Um solche funktionalen Illusionen zu schaffen, arbeitete Barnes in enger Zusammenarbeit mit dem Regisseur und Choreografen Jerry Mitchell. „Es brauchte viel Feinschliff, um genau das richtige Schuhwerk zu finden. Ironischerweise „spiegelte“ diese Bemühung die Handlung des Musicals vollständig wider. Wir haben viele Fehler gemacht, bis wir sicher waren, dass Schauspieler tanzen und herumspringen konnten“, berichtete Barnes der Seattle Times. „Als die Schauspieler zum ersten Mal die fertigen Kinky-Boots anzogen, war das ein sehr freudiger Moment. Und niemand hat sich beschwert oder musste ausgewechselt werden, weil sie sich eine Sehne oder eine Achillessehne verstaucht haben, was uns sehr freut.“

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Die Angels im Stil von „Rosie the Riveter“ (Rosie die Nieterin). Copyright Gregg Barnes

Die Seattle Times schreibt weiter: Für Barnes war es die Traumaufgabe eines Designers, zusätzlich zu den anderen Kostümen eine Fülle glitzernder, schenkelhoher Lederstiefel für ein Geschwader männlicher Drag-Darsteller zu kreieren. Neben den auffälligen Stiefeln gibt es „nosebleed-high heels“. Für die „The Land of Lola“ – Nummer tragen die Angels Plateau-Pumps in Schwarz, die aus Zinn und Metall individuell gefertigt sind. Für das Publikum sehen die Heels verräterisch hoch aus, aber sie sind wirklich stämmig und bieten Sicherheit beim Tanzen.“

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Das „We can do it“ Werbeplakat aus den 1940er Jahren.

Auf Playbill.com erwähnte Barnes: „Uns war es wichtig, jedes Bild so real wie möglich zu gestalten.“ Zur Szene, in der die Angels zum ersten Mal in der Fabrik sind, sagte Jerry zu mir: „Es ist wichtig, dass sie halbwegs normal aussehen, sie waren im Zug unterwegs gewesen. Der Zuschauer muss glauben, dass sie nicht verprügelt wurden aufgrund ihrer Kleidung.“ Also nahmen wir Trenchcoats. Wir schnitten zwar alle Nähte auf, damit die Mäntel auch zum Tanzen geeignet sind und wenigstens etwas mit der Welt der Drag zu tun haben.

Wenn die Angels kurz vor Ende des ersten Aktes zum zweiten Mal in der Fabrik erscheinen, sind ihre Kleider eine Anspielung auf „Rosie the Riveter“ (Rosie die Nieterin).  Sogar die Schuhe, die die Angels dort tragen, sind hochhackige Arbeitsstiefel. „Rosie“ ist in den 1940er Jahren in Amerika während des zweiten Weltkrieges entstanden. Sie war der Inhalt einer Werbekampagne, um mehr Frauen dazu zu überreden, in der Rüstungsindustrie mit zu helfen.

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Bild Copyright: Matthew Murphy / Design Copyright Gregg Barnes

v.l.n.r.: der freche Union Jack ist der erste, der im Finale der Show auf dem Laufsteg zu sehen ist. Barnes nennt es ein „respektloses“ Grüßen der Fahne. Basierend auf einem klassischen Herren-Brogue ist der türkisfarbene Stiefel mit einem orangenen Leoparden-Besatz und wird von Barnes als „Gentleman Caller“ bezeichnet. Der „Highland-Fling-Stiefel“ ist eine Anspielung auf den verstorbenen Designer Alexander McQueen und seine berühmte Tartan-Kollektion von 2006.  Einer der schwarzen Stiefel aus der Kollektion (hier nicht zu sehen) hat eine mit Swarovski-Kristallen besetzte Ferse, die  -wenn sie viel Licht ausgesetzt ist – ordentlich glitzert.

Der Stil von Lola

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Beim Auftritt von Lola im Altersheim fiel mir eine unheimliche Ähnlichkeit mit Whitney Houston auf. Nicht nur das Kleid, sondern auch die Frisur von Lola sieht hier der von Whitney verteufelt ähnlich. Auch bei dem Lied „Trag mich in dein Herz“ schlich sich diese Ähnlichkeit bei mir ein. Dazu aber später mehr unter Musik und Darsteller. Jedenfalls wurde mein Verdacht, dass diese Ähnlichkeit gewollt ist, beim Lesen des Playbills-Interviews bestätigt. Aber nicht nur Whitney hat Lolas Style beeinflusst. Zusätzlich standen Outfits von Mariah Carey (das zweite Kleid im Stück von Lola, genannt „Spinnenkleid“) und Mary J. Blige (das blaue Outfit) Pate. Insgesamt ist Lola/Simon im ersten Akt in sechs verschiedenen Kostümen zu sehen. Im zweiten Akt sind es fünf.

Wer sich mit Drag Queens und Travestie intensiver beschäftigt hat, weiß, dass Drag Queens meistens berühmte Diven als Vorbild für den Style und ihr Verhalten haben, sich aber sonst selbst kreieren. Olivia Jones ist hierfür ein Beispiel. Mary & Gordy, die es in den 1980er Jahren  mit ihren Shows sogar ins Fernsehen schafften, sind ein gutes Beispiel für die Travestie. Reiner Kohler war als Gordy diejenige, die Künstlerinnen wie Künstler zum Playback parodierte und selten selber sang. Georg Preusse war als Mary zwar auch ein Travestiestar, aber die ernsthafte, sang überwiegend selbst und erinnerte an eine Marlene Dietrich und war schon auf dem Weg Richtung Drag Queen. 
Seit sich das Duo getrennt hat, tritt Preusse alleine weiter als Mary auf und gewann sogar Preise als beste geschminkte Frau. Er stand aber auch in „Cabaret“ als Conferencier ebenso auf der Bühne wie als „Jedermann“ im gleichnamigen Stück. Die Übergänge zwischen Travestie und Drag sind also fließend. 


Einige Auszüge zum Thema Kostüm stammen aus diesen Quellen:

Barnes Interview Playbill: http://www.playbill.com/article/the-most-beautiful-thing-tony-award-winner-gregg-barnes-designs-kinky-boots-signature-looks-com-193404

Barnes Interview Seattle Times: https://www.seattletimes.com/entertainment/costume-designer-reveals-secrets-of-lsquokinkyrsquo-boots/

Text: Nathalie

Die Drag-Queen Kostüme in Kinky Boots
(Copyright Gregg Barnes)