Ghost – Nachricht von Sam – Stuttgart 2019
Stuttgarts neues Musical – Premiere am 7.11.2019
Wer kennt ihn nicht, den traurig-schönen Liebesfilm mit dem unvergessenen Patrick Swayze, Demi Moore und der großartigen Whoopi Goldberg? Am 28. März 2011 feierte das gleichnamige Musical mit der Musik von Dave Stewart und Glen Ballard in Manchester Premiere, bevor es am 18.3.2017 zum ersten Mal in Linz in Deutsch aufgeführt wurde. Es folgten im Dezember 2017 Berlin, im Oktober 2018 Hamburg und nun feierte „Ghost“ am 7.11.2019 in Stuttgart eine umjubelte Premiere.
Für die Rolle des „Sam“ konnte man Riccardo Greco gewinnen, der die Rolle bereits in Linz und Hamburg gespielt hat. Nicht nur stimmlich ist er in dieser Rolle großartig, er spielt mit einer Leichtigkeit, dass man denkt, er sei „Sam“ persönlich. Bereits in der zweiten Szene, in der er seine „Molly“ mit Gitarre und einer Elvis angehauchten „Unchained Melody“ verführen möchte, überzeugt er vor allem auch das Publikum von seinen Qualitäten als Sänger und Schauspieler.
An seiner Seite als „Molly“ die wunderbare Roberta Valentini. „Molly“ ist eine junge selbständige Frau, die genau weiß, was sie will. Vor allem möchte sie ihren „Sam“ dazu bringen, einmal „Ich liebe dich“ statt immer nur DITO zu sagen. Dabei ist Roberta in Spiel und Gesang hervorragend.
Eine weitere, wichtige Rolle in „Ghost“ spielt Kim Sanders als „Oda Mae“. Die gebürtige Amerikanerin, die mit ihrer Familie 1989 nach Deutschland kam, wird den meisten aus „The Voice of Germany“ bekannt sein, wo sie mit Team Nena den zweiten Platz belegte. Auf der Musicalbühne steht sie in Stuttgart zum ersten Mal. Dabei beweist sie nicht nur viel Temperament und eine soulige Stimme, sondern auch jede Menge komödiantisches Talent.
„Carl“, der beste Freund von „Sam“, der aber letztendlich für seine Ermordung verantwortlich ist, wird von Thomas Hohler gespielt. Er ist dem Stuttgarter Publikum schon lange bekannt. So spielte er bereits bei den „3 Musketieren“ mit und war zuvor bei „Anastasia“ zu sehen. Unfassbar, wie sich seine Mimik von einem Moment zum anderen von Zärtlichkeit zu Molly, in Wut und Hass über Sams Handlungen aus dem Jenseits ändert. Stimmlich absolut überzeugend. Besonders wenn zum Ende des ersten Akts „Molly“, „Sam“ und „Carl“ bei dem Titel „Die Zweifel sind nun fort / Ich hab gelebt“ gleichzeitig zu hören sind, ist das Gänsehaut pur.
Drei weitere für das Stück wichtige Personen sind Mörder Willie Lopez, gespielt von Vini Gomes, der Krankenhausgeist, großartig gespielt von Benjamin Beckmann, und der U-Bahn-Geist gespielt von Enrico Treuse.
Besonders positiv fällt auf, dass alle Darsteller sehr gut zu verstehen sind, was bedauerlicherweise nicht bei allen Stage-Produktionen der Fall ist. Hier haben der künstlerische Leiter Alexander Grünwald und das Theaterteam wirklich ganze Arbeit geleistet. Die dynamischen Choreografien von Lee Proud werden hervorragend umgesetzt. Wobei z.B. die Szene „Weg von hier“ schon ein bisschen an „Alles was gut tut“ aus „Ich war noch niemals in New York“ erinnert.
Wie zu erwarten, gibt es bei „Ghost“ keine großen Bühnenbilder, aber das tut dem Stück nicht weh. Geschickt wurde von Regisseur Christopher Drewitz die Bühne in ihrer gesamten Größe, Höhe, Tiefe und Breite in Szene oder besser gesagt, ins rechte Licht gesetzt. Denn die Belichtungswechsel sorgen tatsächlich dafür, dass wirklich eine entsprechende Stimmung erzeugt wird. Besonders wirkungsvoll ist das Schlussbild, wenn Sam sich verabschiedet. Die Scheinwerfer beleuchten auch das Publikum, Bodennebel wabert auf der Bühne und im Hintergrund als Silhouetten stehen die anderen Geister, die auf Sam warten.
Auch der „Abgang“ des Mörders Willie Lopez’ und Carls ist dramatisch dargestellt`. Sie verschwinden schwebend in einem Tunnel aus Laserstrahlen. Leider sieht man diese „Highlights“ nicht von allen Plätzen, da teilweise Bühnenelemente im Weg sind. Am besten sitzt man bei diesem Stück wirklich mittig und ein bisschen weiter entfernt (ab 6. Reihe).
Faszinierend und sicher nicht für jeden Zuschauer beim ersten Anschauen zu erkennen, sind die vielen kleinen „Zaubereien“. Nicht umsonst wurde dafür der Illusionist Nils Bennett engagiert. Eine der besten Illusionen ist auf jeden Fall, wenn Sam, um Willie folgen zu können, durch eine geschlossene Tür geht. Aber besonders im zweiten Teil, nachdem Sam vom U-Bahn Geist gelernt hat, wie man es schafft, Dinge zu bewegen, kommen die Illusionen zum Einsatz. Da fliegen in Carls Büro Ordner durch die Gegend, ein Telefonhörer hebt sich von alleine ab und Carl schwebt wie von Geisterhand gehoben ein Stück in die Höhe. Auch ein Brief, den Molly an Sam nach seinem Tod geschrieben hat, faltet sich in Mollys Hand wie von Geisterhand geführt allein zusammen.
Und wer denkt, es ist ein schrecklich trauriges Stück, der irrt. Es ist eine sehr gelungene Mischung von traurigen und lustigen Szenen mit entsprechender Musik, umgesetzt von einem neunköpfigen Orchester unter der Leitung von Boris Ritter. So gibt es neben Balladen wie „Du“, „Ich hab gelebt (Gestohlener Traum)“ und natürlich der „Unchained Melody“ auch ganz fetzige Titel wie „Jetzt und hier“, „Nur weg von hier“ und einen richtigen Hardrock, gesungen vom U-Bahn-Geist.
„Ghost“ in Stuttgart sollte man gesehen haben, eigentlich sogar mehrmals. Es ist eine gelungene Mischung aus Liebesgeschichte und spannend wie ein Krimi. Besonders schade ist, dass schon vor der Premiere bekannt wurde, dass die Geister schon im April 2020 durch Vampire abgelöst werden und diese dann im November 2020 durch „Tina“. Ich finde, solche „Haltbarkeitszeiten“ hat kein Stück verdient.
Und wer die Geschichte von „Ghost“ nicht kennt, hier eine kurze Zusammenfassung der Handlung.
Das Liebespaar Molly und Sam zieht in eine neue Wohnung in Brooklyn ein. Dabei hilft ihnen ihr Freund Carl. Molly ist Künstlerin, während Sam ein erfolgreicher Banker und Chef von Carl ist.
Eines Abends, nachdem das Pärchen von aus einem Restaurant kommt (Sam darf hier immer Spaghetti essen, wie uns Darsteller Riccardo Grecco lachend erzählt hat) werden sie überfallen und Sam wird dabei erschossen. Schon ist er auf dem Weg ins Licht, als Mollys entsetzter Schrei ihn davon abhält. Erst jetzt erkennt er, dass er tot ist. Er folgt Molly ins Krankenhaus, wo er einen anderen Geist trifft, der ihm ein bisschen was von der Geisterwelt erzählt.
Sam folgt Molly zurück in die gemeinsame Wohnung, beobachtet Carl, der Molly tröstet und mit ihr einen Spaziergang macht. Da es ihm nicht gelingt, die Tür zu öffnen geschweige denn hindurchzugehen, bleibt Sam in der Wohnung zurück und muss nun beobachten, wie sein Mörder Willie Lopez, der auch seine Schlüssel hat, die Wohnung durchsucht.
Als Molly zurückkommt, flüchtet Willie unentdeckt und Sam folgt ihm. In seiner Wut über Willie gelingt es ihm diesmal durch die geschlossene Tür zu gehen. Willie besteigt die U-Bahn, wo Sam auf einen anderen, sehr aggressiven Geist trifft. Nur mit Mühe kann er sich vor ihm retten und folgt Willie weiter bis in dessen Wohnung.
Langsam wird Sam klar, dass sein Tod kein Unfall, sondern ein Mord war. Durch Zufall findet er die Hellseherin Oda Mae, die aber bis zu Sams Erscheinen nie wirklich Kontakt mit Geistern hatte. Aber sie kann ihn hören, was sie sehr erschreckt. Sam “überredet” sie dazu, mit ihm zu Mollys Wohnung zu gehen, indem er droht, Tag und Nacht “3 Chinesen mit dem Kontabass” zu singen.
Molly hält Oda Mae zunächst für eine Schwindlerin (was sie ja eigentlich auch ist), doch nachdem Oda Mae viele Dinge über sie und Sam weiß, die nur Sam wissen konnte, und die Sam Oda Mae erzählt hat, öffnet Molly.
Oda Mae kann Molly überzeugen, zur Polizei zu gehen, nachdem sie von Sam die Adresse von Willie erfahren hat. Doch die Polizei glaubt Molly nicht. Tieftraurig schüttet sie Carl ihr Herz aus. Doch Sam hat inzwischen herausbekommen, dass Carl Willie engagiert hatte, ihn zu überfallen, um sein Adressbuch zu stehlen. In diesem stehen Codes für Bankkonten, über die Carl zu einem bestimmten Zeitpunkt Geld waschen wollte, um Drogenschulden los zu werden. Verzweifelt versucht Sam, Molly zu warnen. Von dem U-Bahn-Geist lässt er sich erklären, wie man Dinge bewegen kann und noch einmal muss Oda Mae ihm helfen.
Zusammen gehen sie in die Bank und lösen das Konto auf, auf dem Carl das Geld für seinen Dealer hat. Oda Mae sieht sich schon als reiche Frau, doch Sam überredet sie, den Scheck mit dem Blutgeld einem Obdachlosenheim zu geben. Carl ist verzweifelt, als er merkt, dass das Geld ist nicht mehr da.
In der Wohnung von Molly kommt es zum Showdown. Und ein letztes Mal darf Molly ihren Sam sehen, bevor er endgültig ins Licht geht.
Test und Bilder (Bühnenbild und Premiere): Ingrid Kernbach