Die Kulturszene & Corona – Im Gespräch mit Friedrich Rau

Du durftest mit dem Ensemble von „This is the greatest show“ proben und die Premiere spielen. Danach wurden alle Veranstaltungen abgesagt oder verschoben. Folgende Engagements hingen in der Schwebe. Wie hast Du diesen Moment erlebt?

Ich weiß noch ganz genau wie das war. Wir waren mitten in den Proben zur Show. Während man probt, ist man immer in einem Tunnel und in einer gewissen Euphorie, wo man dann auch vieles drumherum ausblendet. Mit jedem Tag wurde die Wahrscheinlichkeit größer, dass die Tour abgesagt werden muss. Das wollte man natürlich nicht wahrhaben. Umso größer war der Schock, als wir dann wussten, dass es erstmal bei den beiden Shows bleibt und danach alle nach Hause fahren werden. Diese Ungewissheit, dass eine Premiere eventuell nicht stattfinden kann, raubte unheimlich viel Energie.

Ich bin jemand, der alle Energie in ein Projekt steckt und als es dann soweit war, hat sich eine Ernüchterung eingestellt. Es ist nach wie vor ein großes Problem, dass man bei allem, was man tut, eine mitschwingende Stimme hat à la „Na, wird das auch stattfinden?“. Bei meinem kommenden Engagement in Fürth (Anmerkung d. Redaktion: Swing Street) frage ich mich das auch immer und das raubt einem dann wieder die Kraft, um alle Energie in das Projekt zu stecken. So sehr die Verantwortlichen daran glauben, dass es stattfindet, ein Funke kann ausreichen, dass es nicht funktioniert.

Auf einmal war Papa jeden Tag zu Hause, Mama im Home Office und zwei Mädels im Home Schooling bzw. ohne KiTa. Ist es eine Belastung für euch gewesen?

Die Zeit des Lockdowns war für unsere Familie genauso eine Belastung wie für alle anderen auch. Ich denke, für Familien war es sowieso am anstrengendsten. In unserer Situation war es, glaube ich, ein Vorteil, dass meine Arbeit sich flexibel verteilen ließ. Zwischen der Arbeit konnten Hausaufgaben gemacht, eine Runde gespielt oder auch eine Pause gemacht werden. Dieses Organisieren war eine Belastung. Es führte zu einer Menge Frust und jeder musste irgendwie seine eigenen Antworten finden.

Ich habe mich teilweise in Arbeit gestürzt. Rechtzeitig habe ich mit den Wunsch-Zimmer-Konzerten angefangen. Die Arbeit daran hat mir viel Kraft gegeben, auch wenn sie zeitgleich wieder Kraft gekostet hat. Man hatte jeden Tag eine Aufgabe, indem man neue Songs gelernt hat und schließlich wurde es sogar ein Gemeinschaftsprojekt mit meiner älteren Tochter.

Wir waren aber alle froh, als die ersten Lockerungen kamen und man mal wieder Oma und Opa in Anspruch nehmen konnte, um auf Abstand gehen zu können. Das permanente Aufeinanderhocken führte zwangsläufig dazu, dass man voneinander genervt war.

Es gab auch einige positive Momente, aber die negativen überwiegen leider.

Ziemlich schnell hast Du mit Livestream Wohnzimmerkonzerten bei Facebook Deine Fans unterhalten. Der virtuelle Hut wurde ins Leben gerufen und mittlerweile hast Du kleine Tourblöcke organisiert und konntest endlich wieder vor Publikum spielen. Wie hast Du die letzten Wochen erlebt?

Wenn man die Zeit seit dem Lockdown rückblickend betrachtet, dann bin ich erstmal dankbar. Dankbar dafür, dass mir mein Instinkt unbewusst ein paar Sachen vor die Füße geworfen hat, die sich positiv auswirken. Ich bin dankbar dafür, dass ich nicht den Kopf in den Sand gesteckt habe, sondern gedacht habe, dass ich was tun muss. Also wurden online Konzerte gespielt.

Wieder aus einem Instinkt heraus kam die Idee, mit den Konzerten in die Wohnzimmer zu kommen, wenn die Theater noch nicht wieder öffnen dürfen oder können. Natürlich musste ich erst einmal abwarten bis meine vereinbarten Engagements definitiv abgesagt waren und dann konnte ich mich um die Alternative kümmern.

Mögliche Termine wurden herausgesucht und tatsächlich kam die Idee bei vielen sehr gut an. Damit die Entfernungen nicht zu groß sind, bin ich dann mal in den Norden oder in den Süden gefahren. Es ist definitiv hart verdientes Geld, aber das ist immer noch besser als zu Hause zu sitzen und nichts zu tun.

Nebenbei ist es einfach wunderschön. Es laden einen Musicalchöre ein, die dann mitsingen oder auch Leute, die mit mir zusammen ein Lied singen. Dabei entsteht ein großes Miteinander. Das macht Spaß und es ist mehr als nur ein Notnagel. Es fühlt sich an wie mein Job und darüber bin ich sehr glücklich.

Hat die Zwangspause auch etwas Gutes gebracht?

Die Zwangspause hat definitiv auch viel Gutes gebracht. Zeit mit der Familie und zum Beispiel habe ich mir ganz viele Fähigkeiten im Bereich des Live Streamings angeeignet. Viele Dinge, die mich sicherlich auch bei meiner weiteren Karriere noch begleiten werden.

Ich bin jetzt wirklich ein Soloselbstständiger, denn alles, was ich im Zusammenhang mit diesen Konzerten mache, mache ich alleine. Ich musste mich mit Audio- und Videotechnik beschäftigen oder Equipment zusammensammeln. Das macht schon viel Spaß, auch wenn ich mich in erster Linie weiterhin als Künstler sehe. Oft wünschte ich mir, dass sich jemand um die technischen Dinge kümmern würde, der das wirklich kann. Aber insgesamt ist es ein gutes Gefühl, wenn man auf eigenen Beinen steht und von der Planung bis zur Durchführung alles allein stemmen kann. Die gesamte Tour zu planen hat mir viel Freude gemacht. Ohne Corona hätte man das ja gar nicht in Angriff genommen. Ich bin aber auch sehr froh über die Zeit, die wir zu Hause verbringen konnten und mussten und gemeinsam Musik gemacht haben.

Es gibt immer ein Licht am Ende des Tunnels. Wie sieht dein Licht aus?

Mein Lichtblick aktuell ist definitiv die bevorstehende Produktion am Stadttheater Fürth. Egal unter welchen Auflagen. Das Stadttheater möchte die „Swing Street“ auf die Bühne bringen. Dabei ist es egal, wie viele Personen im Zuschauersaal sitzen dürfen oder welche Abstände wir auf der Bühne einhalten müssen. Darüber bin ich sehr froh und auch dankbar.

Ich hoffe sehr, dass das auch klappt und noch mehr hoffe ich, dass die ganzen Auflagen und Entwicklungen sich weiter positiv verändern. Allerdings habe ich, wie eingangs schon erwähnt, immer noch das Männlein im Kopf, was sagt „Naja, freu dich nicht zu sehr drauf, sonst bist du noch enttäuschter, wenn es eben nicht klappt.“ Aber ich halte mich an diesem Lichtblick fest und freue mich total, dass ich am 16. Oktober hoffentlich wieder Theater spielen werde.

Wie beurteilst Du die finanzielle Unterstützung durch die Regierung?

Die finanzielle Unterstützung durch die Regierung ist erstmal ein richtiger Schritt, auch wenn ich mich oft darüber geärgert habe, dass manche Branchen mehr Beachtung finden als die Kulturbranche. Flugzeuge dürfen starten und die Mindestabstände müssen dort nicht eingehalten werden. Auf der Bühne aber schon. Oder Geisterspiele im Fußball, wo zwar kein Publikum anwesend ist, aber auf dem Platz auch keine Abstände eingehalten werden. Dann fragt man sich, dass doch mit zweierlei Maß gemessen wird. Auf der einen Seite die finanzstärkeren Branchen und auf der anderen die Kulturbranche. Als Signal an die Menschen wäre es aber wichtig, dass es für alle die gleichen Einschränkungen gibt.

Was die finanziellen Hilfen angeht, ist deutlich geworden, dass der Staat die finanzielle Situation von Künstlern gar nicht kennt. Ich bin kein richtiger Soloselbstständiger, weil ich genauso an Theatern angestellt bin oder Konzerte auf Honorarbasis mache. Die Soforthilfe richtet sich aber nur an Selbstständige. Da hat man dann ein Problem, wenn man Einkünfte aus Selbstständigkeit und Nicht-Selbständigkeit hat. Dafür ist das dann nicht gedacht und man fällt durch ein Raster.

Gleichzeitig bin ich froh, dass ich mich für ein Stipendium („Denkzeit“) hier in Sachsen beworben hatte. Da wurden Künstler gefördert, die das kulturelle Leben mit digitalen Formaten in dieser Zeit aufrechterhalten haben. Genau das habe ich ja gemacht und habe die Förderung erhalten. Gleichzeitig wurde meine Bewerbung noch weitergereicht an eine Stelle, bei der es darum geht, das Image des Bundeslandes Sachsen über die Grenzen hinaus zu verbessern. Dafür wurde ich ebenfalls ausgewählt, da ich über die Grenzen hinaus eine Menge Leute erreiche. Das gab dann auch nochmal eine kleine Finanzspritze, die ich aber auch brauchte, um die Streaming-Konzerte technisch sinnvoll umsetzen zu können. Am Anfang habe ich mich, das ist kein Witz, mit meiner Klavierpultlampe beleuchtet, weil ich kein ordentliches Licht hatte.

Fakt ist, es gibt Hilfen. Ich habe staatliche Hilfen beantragt und bekommen, wofür ich dankbar bin. Was ich mir wünsche, ist mehr Gleichberechtigung und keine Extrawürste für bestimmte Branchen. Wir sitzen alle in einem Boot und müssen den Gürtel enger schnallen. Was auf keinen Fall geht, ist, dass bestimmte Unternehmen oder Branchenzweige unterstützt werden, bei denen am Ende immer noch riesige Boni und Dividenden ausgeschüttet werden. Kurz gesagt: Branchen, in denen die Leute den Gürtel eben nicht enger schnallen, sondern Steuergelder dafür genutzt werden, damit bestimmte Leute es eben nicht tun müssen. Wir müssen es alle – ich auch – und dann sollten das die großen Bosse auch tun.


Interview von Anna-Virginia