4 Highlights in 3 Tagen – Wien, Baden, Linz

Wenn einer eine Reise tut, kann er was erzählen. So lautet ja der bekannte Spruch. Das trifft besonders dann zu, wenn eine Musicalbegeisterte nach Wien reist, wo es so viele großartige Bühnen und Stücke gibt.

Doch mich führte meine Reise am ersten Abend zunächst nach Baden bei Wien in das wunderschöne Stadttheater, wo REINWALD KRANNER, den wir alle aus vielen Stücken, wie z.B. „We will rock you“, „Mary Poppins“, „Elisabeth“, „Schikaneder“, „Matterhorn“ u.v.m. kennen, ein Crossover-Konzert unter dem Motto „Von Fred Astaire bis Judy Garland“ gab.

Zusammen mit der großartigen Sopranistin MAYA BOOG und begleitet von dem Orchester der Bühne Baden unter der Leitung von Oliver Ostermann boten die Akteure dem Publikum eine bunte und unterhaltsame Mischung an Liedern u.a. aus „Annie get your gun“ über „Kiss me Kate“ bis „The Wizard of Oz“ und vieles mehr.

Auf der Bühne herrschte eine sehr lockere Atmosphäre und, wie sich später herausstellte, hatte dies auch einen besonderen Grund. Oliver Ostermann, jahrelanger musikalischer Leiter der Bühne Baden, wurde an diesem Abend verabschiedet. Das Publikum, meist schon ein bisschen älter, wie in einer Kurstadt eigentlich immer, geizte nicht mit Applaus sowie Zugaberufen und am Ende gab es verdiente Standing Ovations.


Am nächsten Tag, nun verstärkt durch Freunde, beschlossen wir, eine Backstageführung bei „Bodyguard“ zu machen. Doch, das wissen wir eigentlich von der Stuttgarter Produktion, so wirklich viele Kulissen und Bühnenbilder hat das Stück nicht. Am Abend waren wir dann in der Show. Als Rachel Marron hatten wir TERTIA BOTHA, die großartig singt und spielt. An ihrer Seite als Bodyguard JO WEIL, der uns allen aber nicht so gut gefallen hat. Er wirkte sehr steif und eher unpersönlich. Dagegen ist ANA MILVA GOMES als Nicki Marron einfach großartig.

Den Stalker spielte MAXIMILIAN A. ORTNER, optisch erst mal ein ungewohnter Anblick, etwas „kantiger“ als die Stuttgarter Stalker, aber im Umgang mit Fletcher war er sehr viel sanfter und als Fletcher den Revolver sehen will, gibt er ihn ihm und führt dann Fletchers Hand so, dass der Revolver auf seinen eigenen Kopf zielt.

Viel verändert hat sich gegenüber Stuttgart nicht, allerdings sitzen im Orchestergraben viel mehr Musiker, was man am Klang deutlich merkt. Auch gibt es viel mehr fantastisch gute Tänzer/innen auf der Bühne. Etwas verändert ist das Bühnenbild bei „I’m every woman“.  Auch das Blockhaus ist etwas größer und die Szene zwischen Nicki und dem Stalker ein bisschen verändert. Insgesamt jedoch auch eine tolle Produktion, die man sich wirklich anschauen und -hören kann.

Am Sonntagmorgen gab es dann das eigentliche Highlight der Reise, nämlich das 11. „Musical meets Opera“ im Ronacher Theater. Dabei treffen Musical, diesmal eben „Bodyguard“, und Oper, diesmal „Turandot“, aufeinander. Dr. Thomas Dänemark, Generalsekretär der Freunde der Wiener Staatsoper, der die Moderation der Veranstaltung hatte, schafft es humorvoll und mit viel Fachwissen, Parallelen zwischen den beiden Sparten zu finden und aufzuzeigen.

Sehr zur Freude der Zuschauer mischen sich dann oftmals in die Originalszenen des Musicals auch Operndarsteller und zeigen, wie ein Lied des Musicals, dann gesungen von einem Sopran oder einem Tenor, klingen kann. Besonders lustig war die Szene in der Karaokebar mit Jo Weil, an den sich von hinten Bariton Thomas Weinhappel heranpirschte und das Mikrofon übernahm, um „I will always love you“ im Opernstil zu singen.

Insgesamt durfte das begeisterte Publikum ganz viele Szenen aus „Bodyguard“ sehen, unterbrochen von informativen Gesprächen mit den Darstellern, den Opernsängerinnen und -sängern sowie Mitarbeitern der Maske und Technik. Nach über 2 Stunden ohne Pause war die Matinee dann vorbei und, wie jedes Jahr, waren wir begeistert. Doch für mich war das nur das erste Highlight des Tages. Mit dem Zug ging es am Nachmittag weiter nach Linz zu „Ragtime“.

Fotos: Ingrid Kernbach, mit freundlicher Genehmigung der Opernfreunde Wien (https://www.opernfreunde.at/)


„Ragtime“ ist ein wunderbares Musical, das im Amerika der zwanziger Jahre spielt und doch ganz aktuell ist, denn es geht dabei um Flüchtlinge (Juden), um einen farbigen Musiker, der soziale Anerkennung sucht und nicht bekommt, um Polizeigewalt und Rassenhass. Erstaunlich, dass der Roman zu „Ragtime“, geschrieben von E.L. Doctorow, bereits 1975 erschien.

„Ragtime“ erzählt die Geschichte dreier sehr unterschiedlicher Gruppen von Menschen. Da sind die reichen Weißen mit Mutter, gespielt von DANIELA DETT, und Vater, gespielt von CARSTEN LEPPER. Außerdem gibt es den jüdischen Flüchtling Tate, gespielt von RICARDO GRECO, und seine Tochter und schließlich noch den farbigen Musiker Coalhouse Walker, gespielt von GINO EMNES, mit seiner geliebten Sarah, gespielt von MYRTHES MONTEIRO.

Interessant ist, dass in den Roman und ins Musical auch Personen der damaligen Zeitgeschichte eingebaut sind wie Henry Ford, J.P. Morgan, Booker J. Washington, die Aktivistin Emma Goldmann und der Illusionist Harry Houdini (der in einer Szene kopfüber von der Decke hängt).

Besonders beeindruckend war für mich die Wandlung von Coalhouse Walker. Zu Beginn ist er ein ruhiger, sanfter Musiker, der nach Anerkennung strebt und sich liebevoll um seine Freundin Sarah bemüht. Als Sarah jedoch versehentlich von Polizisten erschossen wird, er von drei Feuerwehrleuten schikaniert wird, die sein geliebtes, neues Auto kaputt machen, und seine Hoffnungen, Gerechtigkeit zu erfahren, zerstört werden, läuft er Amok. Dabei zeigt GINO EMNES einmal mehr, dass er nicht nur großartig singen, sondern auch einfühlsam und packend spielen kann.

Großartig präsentierte sich auch RICCARDO GRECO als Jude Tate, der mit seiner Tochter nach Amerika geflüchtet ist, und ganz fest daran glaubt, dass er hier den amerikanischen Traum leben kann. Nach vielen Rückschlägen wird ausgerechnet ein „Daumenkino“, das er für seine Tochter gemacht hat, der große Verkaufsschlager.

Eine weitere Persönlichkeit ist „Mutter“, gespielt von DANIELA DETT. Sie, die reiche weiße Frau, nimmt das farbige Mädchen Sarah mit dem Baby in ihre Familie auf, während „Vater“, wunderbar gespielt von CARSTEN LEPPER, durch die Gegend reist. Als er von einer Reise zurückkommt, findet er in seinem Haus Coalhouse und Sarah vor, zwei Farbige. Das passt so gar nicht in sein Weltbild.

„Ragtime“ verzichtet auf opulente Bühnenbilder, was bei dieser mitreißenden Geschichte auch nicht von Nöten ist. Die Kostüme entsprechen der damaligen Zeit. Das großartige Ensemble, das nicht nur schauspielerisch, gesanglich und tänzerisch überzeugt, wird musikalisch vom Bruckner Orchester Linz und dem Chor des Landestheaters Linz unterstützt.

Leider gibt es nur noch wenige Termine, an denen das Stück gespielt wird.

10.6.2019, 21.6.2019, 22.6.2019, 27.6.2019 und 29.6.2019 (den Inhalt des Stückes findet ihr hier)

Text und Fotos: Ingrid Kernbach
Bilder von Musical meets Pop mit freundlicher Genehmigung der Opernfreunde Wien (https://www.opernfreunde.at/)