Ragtime – das Musical
Der Inhalt
Da sind zum einen Vater, Mutter, der jüngere Bruder, der Großvater und der Junge. Die Familie lebt in einem feinen New Yorker Vorort und scheint vollkommen zu sein. Zum anderen ist da der afro-amerikanische Musiker Coalhouse Walker jr. mit seinen Freunden aus Harlem und dem Mädchen Sarah. Die letzten Personen, um deren Leben es in diesem Stück geht, sind der Immigrant Tateh, der in Amerika versucht, dem Traum vom Tellerwäscher zum Millionär nachzugehen, und seine Tochter. Alle träumen sie im Grunde den gleichen Traum: den Traum von einem besseren Leben. Gerade in den Vereinigten Staaten, dem Land mit den unbegrenzten Möglichkeiten, wünschen sie sich, dass er sich für sie erfüllt.
In der Handlung tauchen nebenbei unterschiedliche historische Personen auf. Da wären zum einen die Bürgerrechtler Emma Goldman und Booker T. Washington. Die eine kämpfte für die Rechte der Arbeiter, der andere für die Gleichberechtigung der Schwarzen. Harry Houdini, der berühmte Magier, der in seiner Zeit mit seinen Illusionen den Menschen den Atem stocken ließ und selbst ein Einwanderer war, ist somit ein Vorbild für Tateh. Ebenfalls präsent waren Henry Ford und J.P. Morgan, die den Fortschritt Amerikas als Industriestaat und Geldmacht symbolisieren sollten. Auch Evelin Nesbit, eine Varietee-Darstellerin aus dem Vaudeville-Theater in New York, kam zu plötzlichen, unerwarteten Ruhm, war sie doch der Streitpunkt gewesen, warum der Architekt Stanford White von Harry K. Thaw, Nesbits Ehemann, aus Eifersucht ermordet wurde. Passenderweise auf dem Dach des Madison Square Garden, den White erbaut hatte. Die Presse betitelte das Verbrechen als das des Jahrhunderts – dabei war dies zum Zeitpunkt des Mordes gerade einmal sechs Jahre alt.
Vater begibt sich auf eine einjährige Reise nach Alaska. Mutter bleibt mit der Familie zuhause und hat nun die Last des Alleinseins und der Verantwortung zu tragen. Ihr jüngerer Bruder hat sich in die „Skandalnudel“ Evelin Nesbit verliebt und besucht Abend für Abend ihre Vorstellungen. Hierfür schleicht sich der Darsteller auch wirklich in die erste, linke Loge zwischen die Zuschauer und schaut von dort verliebt der Nesbit auf der Bühne zu. Er wird jedoch später bitter von ihr Enttäuscht.
Der Junge findet eines Abends einen Korb mit einem „Negerbaby“ vor der Tür. Es ist Sarahs Kind. “What Kind of Woman” fragt Mutter sich, gibt ein Kind so weg und sie erinnert sich an die vielen farbigen Mädchen, die jeden Tag ihre Arbeit unter schwersten Bedingungen verrichten und wo sich keiner fragt, was in diesen Frauen vorgeht. Anstatt dass die junge Frau ins Gefängnis kommt und das Baby in ein Weisen – bzw. Armenhaus, tritt die Mutter für sie ein und übernimmt alle Verantwortung für die Zwei.
Die Immigranten kommen in New York an, holen sich ihre Einreiseformulare – nur Tateh träumt erst mal mit seiner Tocher von der großen Karriere. Doch das läuft auch alles schief, seine Tochter muss hungern und die Einnahmen bleiben aus. Erst ein Daumenkino bringt ihm die ersten größeren Dollarbeträge ein. In solchen Szenarien taucht immer wieder Houdini auf, mit Kunststücken oder Gedanken, auch rund um seine eigene Immigration ins Land. Auch Henry Ford und J.P. Morgan kommen hier zu Wort.
In Harlem treffen wir Coalhouse jr., der nun endlich seine Sarah gefunden hat und sie zurückholen will. Voller Tatendrang kauft er sich einen Ford und fährt damit in den Vorort Rochelle. Dort trifft er auf Abstoßung von irischen Feuerwehrmännern, die zwar auch immigriert sind, aber eine weißeHautfarbe haben. Sie echauffieren sich über den „Neger“, der so tut, als wäre er ein reicher Weißer. Designiert zieht Coalhouse weiter. Kurz darauf findet er das Haus, in dem Sarah lebt, wird aber nicht hineingelassen. Nach wochenlangem, sonntäglichem Bittstellen lässt Mutter ihn ein. Seinen Sohn darf er sehen, aber Sarah zeigt sich ihm nicht. Mit dem Musiker Coalhouse kommt auch der Ragtime ins Haus, den er auf dem vorhandenen Klavier der Familie spielt. An einem dieser Sonntage kommt der Vater zurück und ist empört als er hört, was sich in seiner Abwesenheit zugetragen hat. Er befördert Sarah, Coalhouse und das Kind aus seinem Haus („New Music“).
Kurz darauf begegnet Coalhouse mit Sarah wieder den irischen Feuerwehrmännern. Die Zwei können entkommen, aber das Auto des Musikers wird mutwillig zerstört. Als er versucht, sein Recht zu bekommen („Justice“), scheitert er an der Justiz. Mehrere Male. Plötzlich ist sein Leben zerstört und er wird zum Rächer, zum gesuchten Mörder. Zusammen mit seinen Freunden aus Harlem und auch dem jüngeren Bruder von Mutter, der das Gedankengut von Emma Goldman und deren Mitstreitern verinnerlicht hat, schließt sich ihnen an. Die Lage spitzt sich immer mehr zu. Um ihrem Kampf nach Gerechtigkeit ein Zeichen zu setzen, besetzen sie die Bank von Harry P. Morgan und wollen diese sprengen, sollte ihnen und besonders Walker nicht Gerechtigkeit widerfahren.
Vater wird gerufen, weil er diesen „Neger“ kennt, um ihn zu überreden, das Gebäude freizugeben. Auch der farbige Bürgerrechtler Booker T. Washington wird hinzugerufen. Er versucht, Coalhouse zu überzeugen, dass sein Weg falsch ist. Ja, es ist ihm Unrecht geschehen und es ist nichts dagegen unternommen worden, aber mit dem Griff zur Waffe hat er all das, für was die Bewegung der Farbigen kämpft, wieder kaputt gemacht. Walker entscheidet sich, aufzugeben und enttäuscht damit seine Freunde, aber sieht diese traurige Wahrheit am Ende ein.
Im Epilog wird erzählt, was den einzelnen Figuren in ihrem weitern Leben widerfahren ist. Vater kam auf einer seiner weiteren Reisen ums Leben. Mutter fand daraufhin in Tateh, der durch sein Daumenkino zum Inhaber der “Buffalo Nickel Photoplay, Inc.”, einer Filmproduktionsfirma, geworden ist, einen neuen Mann, der ihr die Liebe geben konnte, die sie so lange vermisst hatte.
Inhalt: Nathalie
(nach der Premiere des Stückes am 28. Januar 2017 am Staatstheater Kassel und der Lektüre des Programmheftes)