Jesus Christ Superstar in München 2017
Modern in Szene gesetzt: Jesus Christ Superstar in der Reithalle München
Am 18.05.17 war die Premiere der bekannten Rockoper Jesus Christ Superstar in der Reithalle in München. Das viel interpretierte und diskutierte Werk von Lord Andrew Lloyd Webber und Tim Rice hatte seine Uraufführung 1971 und wurde nun von Gärtnerplatz-Intendant Josef E. Köpplinger modern inszeniert. Zwei Tage zuvor durften wir der Medienprobe beiwohnen.
Jesus (Armin Kahl) als trendiger Bursche mit Wollmütze und langem Cardigan und Judas (David Jakobs) mit engen schwarzen Klamotten und Springerstiefeln sind nicht gerade das, was man erwartet, wenn man an die Passion Christi und die letzten sieben Tage im Leben des Jesus denkt – besonders nicht, wenn man das Stück zum ersten Mal sieht. Doch darauf müssen sich die Zuschauer einstellen, denn das Musical Jesus Christ Superstar, wie es derzeit am Gärtnerplatztheater gezeigt wird, ist ein vor Testosteron strotzendes, lautes Stück mit durchaus sozialkritischen Zügen. In die heutige Zeit versetzt, stellt es die Jünger Jesu als schnelllebige junge Truppe dar, die mit dem Mainstream geht und begeistert „Vote for Jesus“-Schilder in die Luft hält, ohne dass Inhalte betrachtet werden. Eine punkig tätowierte Maria Magdalena (Bettina Mönch) in rotem Kleid sticht hervor, hochgradig verliebt in Jesus, jedoch zweifelnd, wie sie mit ihrer Vergangenheit den Superstar Jesus lieben kann.
Judas hingegen hinterfragt das Geschehen und die alte Geschichte des Verrats beginnt. Dunkle Hohepriester (Holger Ohlmann als Kaiphas, Juan Carlos Falcón als Annas) sehen Jesus als Bedrohung, dabei wirken sie selbst noch bedrohlicher. Und als Jesus dann einem mit Pailletten glitzernden und von Showgirls umringten souligen Herodes (Previn Moore) vorgeführt wird, erscheint er im Kontrast dagegen geradezu als zurückhaltender Junge von nebenan.
Erwin Windeggers Pilatus zeigt auf, wie sehr der Stadthalter unter der Bürde litt, Jesus verurteilen zu müssen. Schon bei “Pilates Dream” kommt dies intensiv zum Vorschein. Wenn er die “39 Lashes” befielt und diese herunterzählt ist es, als wenn er die Peitschenhiebe selbst spürt.
Bettina Mönch als Maria Magdalena mag nicht so wirklich in die Szenen passen. Gesanglich zwar top, aber irgendwie kommt die Rolle der Maria hier nicht wirklich zur Geltung. Sie wird als besseres Ensemblemitglied verschluckt.
Armin Kahl ist stimmlich ein “weicher” Jesus. Er überzeugt in der Rolle mit seiner Gestik und Mimik. Sein “Gethsemane” ist nicht ganz so laut, eine mehr in sich gekehrtere, grüblerische Variante, aber dennoch interessant.
David Jakobs hat den Judas schon mehrmals dargestellt, ist mit dieser Figur also bestens vertraut, was man in jeder Sekunde feststellen kann. “Heaven on their minds” und “Judas´ death” sind seine Highlights.
Keines der klassischen Stücke aus der Originalversion des Musicals fehlt. Das Orchester, unter der musikalischen Leitung von Jeff Frohner, wirkt allerdings oft zu laut, wodurch die Stimmen etwas untergehen. Dies hat sich jedoch bestimmt bis zur Premiere verbessert. Das Stück wird in Originalsprache gespielt, also in Englisch. Da kann es schwierig werden, ohne Vorkenntnisse des Inhalts die Handlung zu verstehen. Man hätte mit den Videoprojektionen (Meike Ebert und Raphael Kurig) eine Übersetzung verbinden können. Zumal noch bevor das Stück beginnt, die Fragen „woher kommen wir, wohin gehen wir, wonach suchen wir“ an die Wände projiziert worden waren.
Die Choreografien von Ricarda Regina Ludigkeit sind dynamisch und gut in Szene gesetzt. Das Orchester steht im Hintergrund des einfachen Bühnenbildes (Rainer Sinell). Dieses ist ein Metallgerüst, welches von vorne wie hinten über Treppen erreichbar ist und sich während der gesamten Aufführung kaum verändert. Weiße Plexiglasscheiben werden wie große Garagentore unter der bühnenüberspannenden Brücke geöffnet und geschlossen. Zum Abendmahl wird ein großer Tisch aufgebaut. Das Herzstück der Kulisse ist ein beweglicher Scheinwerferrahmen. Dieser ist zusätzlich mit Lichtröhren ausgestattet, die in verschiedenen Farben leuchten. Michael Heidinger und Josef E. Köpplinger schaffen es mit ihrem Lichtdesign, besonders in den düsteren Momenten des Stückes, die Situationen gut in Szene zu setzen.
Allzu viel Gefühl, Leid und Passion kann bei diesem gut zweistündigen Stück vermisst werden, was jedoch kein Nachteil ist, denn dafür werden Härte und Schnelligkeit serviert. Die „39 Lashes“ und „Crucifixion“ lassen einen ganz schön schlucken, was von dem Licht und den Toneinspielungen noch verstärkt wird – und wie erwähnt von Erwin Windeggers Darstellung in seiner Rolle.. Dankbar kann das Publikum dann sein, dass die Kreuzigungsszene bei aller Rohheit nicht ins Detail geht und sich dafür am Ende Jesus und Judas zur Versöhnung die Hand geben. Kurzum, dem Zuschauer wird Gefühlsduselei erspart, perfekt für den schnellen Konsum und wer sich auf dem Heimweg ertappt, ob er damit wie die Jünger Jesu zu wenig auf Inhalte setzt, verdrängt er schnell den Gedanken und geht ohne Ballast nach Hause.
Informationen des Gärtnerplatztheaters zum künstlerischem Team, Darstellern und Inhalt der Rockoper
Jesus Christ Superstar
Rockoper
Gesangstexte von Tim Rice
Musik von Andrew Lloyd Webber
Altersempfehlung ab 11 Jahren
In englischer Sprache
Musikalische Leitung – Jeff Frohner
Regie – Josef E. Köpplinger
Choreografie – Ricarda Regina Ludigkeit
Bühne – Rainer Sinell
Kostüme – Anja Lichtenegger
Licht – Michael Heidinger / Josef E. Köpplinger
Videodesign – Meike Ebert / Raphael Kurig
Choreinstudierung – Felix Meybier
Dramaturgie – Daniel C. Schindler
Jesus von Nazareth – Armin Kahl
Judas Ischariot – David Jakobs
Maria Magdalena – Bettina Mönch
Pontius Pilatus – Erwin Windegger
Herodes – Previn Moore
Kaiphas – Levente Páll (in der Vorstellung unserer Rezension: Holger Ohlmann)
Annas – Juan Carlos Falcón
Simon Zelotes – Maximilian Mayer
Petrus – Benjamin Oeser
Johannes / Soldat – Jens Olsen
Judas Thaddäus – Nicola Gravante
Jakobus der Jüngere – Lars Schmidt
Bartholomäus – Christian Schleinzer
Andreas – Michael B. Sattler
Matthäus – Alexander Moitzi
Jakobus der Ältere – Claus Opitz
Philippus – Peter Neustifter
Thomas – Carl van Wegberg
1. Priester – Dirk Lüdemann
2. Priester – Holger Ohlmann (in unserer Vorstellung Martin Hausberg)
3. Priester – Frank Berg
Soul-Girl / Frau am Feuer – Dionne Wudu
Soul-Girl – Joana Henrique, Susanne Seimel
Girls: Katharina Lochmann, Evita Komp, Leoni Kristin Oeffinger, Valerie Luksch, Lisandra Bardél, Lisa Rothhardt
Ein Soldat – Maximilian Berling
Soldaten: Alexander Bambach, Johannes Bauer, Martin Emmerling, Benedikt Hartl. Vedran Lovric, Florian Pürner, Christian Weindl
Chor des Staatstheaters am Gärtnerplatz
Orchester des Staatstheaters am Gärtnerplatz
Erzählt wird die biblische Geschichte der letzten sieben Tage im Leben Jesu Christi aus ungewohnter Perspektive, nämlich aus der Sicht von Judas Ischariot. Dieser wird dabei keineswegs nur als Verräter, sondern vor allem als Freund und enger Vertrauter von Jesus Christus gezeigt, der mit wachsender Skepsis beobachten muss, wie die ursprüngliche Euphorie, mit der die Menschen diesem anfangs noch begegneten, zusehends in religiösen Fanatismus und oberflächlichen Starkult abzugleiten droht, wodurch Jesus – von seinen Anhängern wie von seinen Feinden gleichermaßen – zur bloßen Kultfigur stilisiert wird. Eine Geschichte, die auch in unseren Tagen, in denen der Wunsch nach verlässlichen Werten und starken Leitfiguren zunehmend an Bedeutung gewinnt, nichts von ihrer zeitlosen Aktualität eingebüßt hat.
Mit »Jesus Christ Superstar« wagten sich der damals erst 22-jährige Andrew Lloyd Webber und sein Textdichter Tim Rice Anfang der 1970er-Jahre an ein geradezu revolutionäres Thema, dessen nachhaltiger Erfolg dem Duo schließlich zu seinem internationalen Durchbruch verhalf. Trotz des Widerstands christlicher Gruppen wurde die Rockoper binnen kürzester Zeit zu einem überwältigenden Publikumsrenner, dessen Originalinszenierung am New Yorker Broadway es auf über 720 Aufführungen brachte. Webber und Rice trafen mit ihrem Stück in kongenialer Weise den Nerv ihrer Zeit, indem sie die Sinnfragen der 68er-Generation und der Hippiebewegung mit unterschiedlichen musikalischen Formen und Stilrichtungen wie gefühlvollen Balladen, eingängigen Soul-Nummern, monumentalen Chorpassagen und dröhnender Rockmusik verbanden. Nach einer konzertanten Aufführungsreihe im Juli 2014 bringt Josef E. Köpplinger das Stück nun in einer mitreißenden vollszenischen Inszenierung auf den Spielplan des Gärtnerplatztheaters.
Bilder von der Premiere am 18. Mai 2017
JESUS CHRIST SUPERSTAR in den sozialen Medien: #GPTjesus