Luther Poporatorium Tournee 2017
Stuttgart, 21. Januar 19 Uhr, Porsche Arena
Beim Eintritt in die Halle wurde einem schon klar, hier passiert heute etwas Gigantisches. Eine Kurve der Halle wurde komplett mit dem Chor besetzt. Somit hatten an diesem Samstag rund 1.300 Chorsänger Platz. Am Sonntag waren es nochmal so viele, jedoch andere.
Die Bühne selbst fiel nur durch die leeren Stühle und die 2 großen Leinwände auf. In der Mitte gab es eine Treppe, auf die die Protagonisten ins Publikum oder auch ins Off kamen. Links spielte eine Band die poppigen bis souligen und auch teils rockigen Nummern. Unterstützt wurden sie von einem Orchester auf der rechten Seite. Das Orchester wurde von Ingo Ernst Reihl dirigiert.
Der Chor hatte mit Matthias Hanke, Landeskirchenmusikdirektor der Evangelischen Landeskirche Württembergs, und Hans-Martin Sauter, musikalische Leitung bei „Amazing Grace“, zwei erfahrene Chordirigenten zur Unterstützung. In der Halle und auch später bei der Anmoderation wurde der Gehörlosenverein CBM (Christoffel Blindenmission) Deutschland e. V. erwähnt, und dass man mit dem Kauf eines Programmheftes, der Preis war nicht festgelegt, diesen unterstützen würde. Einen kleinen Seitenhieb Richtung der schwäbischen Sparsamkeit konnte sich der Moderator nicht verkneifen.
Die Protagonisten kamen jeweils zur Hälfte von links und rechts auf die Bühne. Luther, hier als Kind gespielt von Guilio Riccitelli, und sein Vater (Andreas Kammerzelt) kamen über eine Treppe hinter der Bühne hoch. Nach einer kurzen Rückblende zurück in die Kindheit, fand man sich im Hier und Jetzt wieder. Das Stück kommt ohne großes Bühnenbild und auch ohne der Zeit entsprechenden Kostüme aus. Man könnte fast behaupten, die Darsteller trügen ihre Privatkleidung. Auch wenn bezweifelt werden darf, dass Paul Falk, der den Kaiser Karl den V. darstellt, privat mit Goldkettchen herumläuft.
Ort des Geschehens ist der Reichstag in Worms. Hier wird von Luther erwartet, dass er seine Thesen zurücknimmt. Er jedoch wünscht sich Bedenkzeit, welche er auch erhält. Unterdessen wird fleißig mit Ablassbriefen, mit denen der Käufer sich von seinen Sünden frei kaufen kann, Geld gescheffelt. Der junge Kaiser wird von zwei Seiten belagert. Die einen sind für Luther, die anderen, wie Faber (Andreas Wolfram), gegen ihn. Die Geschichte wird von einer ehemaligen Nachbarin Luthers, Lara (Sophie Berner) erzählt, bzw. führt diese durch den Abend. Luther kämpft sichtlich mit seinem Gewissen. Zum einen möchte er Gott treu sein, zum anderen hat dieser ihm den freien Willen gegeben und somit hinterfragt er auch Dinge.
Schauspielerisch und gesangstechnisch kann Frank Winkels als Luther jede Sekunde überzeugen. Er ist die Zerrissenheit in Person und das hört man auch in der Stimme, welche er gekonnt kraftvoll, weich und punktgenau einsetzt. Auch der junge Luther nutzt seine wenige Bühnenzeit zu 100 Prozent aus und steht den „Alten Hasen“ in Nichts nach. Die Lobeshymnen könnte man aber auch auf alle anderen Darsteller singen. Jeder einzelne konnte sein Können unter Beweis stellen. Und bei dem Projekt steht auch eigentlich der Chor im Vordergrund. So auch in Stuttgart.
Mitmachen konnten Chöre aus der Gegend, aber auch Einzelsänger waren dabei. Wie eingangs erwähnt, füllte der Chor mal eben eine komplette Kurve aus. Der Anblick muss für die Zuschauer gigantisch gewesen sein. Sehr schön zu sehen war auch, dass die Choreografin Doris Marlis und der Regisseur Andreas Gergen den Chor mit ins Geschehen einbezogen haben. Bei Luthers Ankunft in Worms z.B. wurden vom Chor die Handytaschenlampen gezückt und als Blitzlichtgewitter benutzt. Diese und andere Szenen lassen keinen Zweifel aufkommen, dass der Chor ein wichtiger Bestandteil der Aufführung ist. So entgegnete Dieter Falk, während der vorangehenden Pressekonferenz, auf die Frage, ob Luther nun ein Musical sei oder nicht, schlicht mit „Nein“. Michael Kunze und er hätten sich bewusst gegen Musical und für Oratorium entschieden, da eben der Chor im Vordergrund stehe. Als Musical würde es jedoch von der Presse betitelt, gab er augenzwinkernd zu.
Als technisches und visuelles Hilfswerk wurde ein Laser eingesetzt, der beim Eröffnungssong „LUTHER“ seine Lettern groß auf die Bühne projiziert. Ein Bühnenbild wie wir es aus Musicals oder Theatern kennen, sucht man vergebens. Stühle, Koffer und einzelne Kleidungsstücke zum Wechseln müssen genügen. Aber dadurch bleibt die Aufmerksamkeit stets bei den Akteuren und wird nicht durch Szenenwechsel oder Ähnliches abgelenkt.
Es folgen noch einige Termine im Lutherjahr 2017 und jedem sei geraten, sich diese Show nicht entgehen zu lassen. Die minutenlagen Standing Ovations sprechen für sich.
Am 29.10. findet in Berlin das große Finale statt. Dorthin sind nochmals alle Sänger eingeladen, die während der Tournee dabei waren, mitzumachen. Auch wird das ZDF vor Ort sein und das Spektakel aufzeichnen. Am eigentlichen Reformationstag, dem 31.10.17 der in diesem Jahr für alle ein Feiertag sein wird, zeigt das ZDF um 22.15 Uhr das „Luther – Oratorium“ im TV. Dies verkündete Ralf Rathmann, Vorstand der Stiftung Creative Kirche während der Pressekonferenz vor der Aufführung in Hamburg am 18. Februar 2017.
Text: Julia
Bilder: Nathalie