Karl May Spiele Bad Segeberg 2021 – Winnetou als Live-Hörspiel

Winnetou – Das Gold der Rocky Mountains

Wer hätte je gedacht, dass die Karl May Spiele in Bad Segeberg einmal nicht stattfinden würden? Bestimmt kaum jemand, da in der langen Geschichte dieser Bühne schon so einige Hürden genommen worden sind. Doch das Jahr 2020 brachte ein Virus mit sich, welches die ganze Welt in Atem hielt – selbst 2021 war man davor nicht gefeit, so dass zwei Spielzeiten hintereinander abgesagt werden mussten. 2022 soll nun die neue Inszenierung von „Der Ölprinz“ gezeigt werden.

Da die Infektionszahlen sinken und der Impfschutz weiter zunimmt, ist es in diesem Jahr, neben der Neuaufnahme der Backstageführungen, auch möglich, ein Alternativprogramm für ein größeres Publikum zu bieten. So fand am 01. Juli die Premiere des Live-Hörspiels „Winnetou – Das Gold der Rocky Mountains“ statt, jedoch nicht im großen Theater, sondern im Indian Village nebenan. Vor dem Saloon wurde eine Bühne errichtet und auf der Fläche davor 600 Plastikstühle platziert – hierauf können mit den derzeitigen Abstandsregeln 300 Besucher sitzen. Zwei der Snackbars haben geöffnet, so dass man sich vor oder nach dem Event stärken kann, denn es gibt keine Pause wie man sie sonst im Theater kennt. Hier heißt es, ähnlich wie im Kino, durchgängig 90 Minuten der Inszenierung lauschen und den Akteuren zusehen.

So ein Live-Hörspiel kann man mit konzertanten Musicalaufführungen vergleichen, nur dass die Schauspieler hier nicht ganz im Kostüm stecken und ihre Texte ablesen. Keine Angst – man bekommt zwar keine großen Kulissen geboten, abenteuerliche Stunts oder fulminante Explosionen – aber dennoch versinkt man total in der Welt von Karl May wie man sie vom Kalkberg her kennt.

Dieses Feeling beginnt schon beim Einlass, wenn die altbewährte Fanfare über dem Karl-May-Platz ertönt. Die Abstandsregeln sind auch hier gültig und es stehen Desinfektionsmittelspender bereit. Auf den Wegen rund um die 600 Stühle bis zum Sitzplatz besteht wie erwähnt Maskenpflicht und daran erinnert die Stimme vom „Scout“ Nico König in regelmäßigen Abständen. Zudem stehen überall Ordner bereit, die ebenfalls freundlich an die Pflicht erinnern. Und dann ertönt das altbewährte „Country Roads“. Unter den 300 Zuschauern macht sich noch mehr Freude breit, wieder am Kalkberg sein zu können. Unter lautem Mitklatschen wird gejubelt und sich gefreut.

Die Bühne im Indian Village.

Wie es zu einer Premiere gehört, tritt nun Ute Thienel vors Publikum und begrüßt dieses. „Ist das schön – wie habe ich das vermisst!“ Aufregung und Freude sind ihr gleichzeitig anzumerken. Gesondert werden die Bürgervorsteherin Monika Saggau sowie der neue Bürgermeister von Bad Segeberg, Toni Köppen, begrüßt. Letzterer ist durch seinen Amtsantritt am 04. Juni 2021 automatisch Aufsichtsratsvorsitzender der Kalkberg. „Sie kommen nun doch noch dazu, in Ihrem ersten Jahr als Bürgermeister einer Premiere beiwohnen zu können“ so Thienel. „Es ist zwar eine kleine, eine besondere Premiere, aber alle sind unheimlich froh, nach der zweiten Verschiebung nun doch noch Leben an den Kalkberg zu bringen“. „Winnetou – Das Gold der Rocky Mountains“ ist eine eher unbekannte Geschichte von Karl May, die Michael Stamp als Autor und Regisseur für das Hörspiel umgesetzt hat. Sie wurde bisher noch auf keiner Bühne gezeigt. 7 Schauspieler, 140 handgemachte Effekte von 2 Geräuschemachern und 200 digitale Musikstücke werden uns in den nächsten 90 Minuten fesseln und zeigen, wie vielfältig ein Live-Hörspiel sein kann.

Die traditionelle Ansage von „Scout“ Nico König in der abgewandelten Version erinnert uns nochmals an die Maskenpflicht, dass Handys erschossen werden, Rauchen verboten ist, auch im Indian Village die Wege als Auf- und Abgänge genutzt werden und wir unsere Ohren, Augen und Herzen ganz weit öffnen sollen – „Let´s go!“

Joshy Peters ist Old Shatterhand.

Das Hörspiel beginnt mit einer Gesangseinlage von Jogi Kaiser mit dem Lied „A million ways to die“ – währenddessen einige der Darsteller und Geräuschemacher Marc Francisco aus dem hinteren Bereich des Indian Village ihre Plätze anstreben. Jetzt ist „Old Shatterhand“ Joshy Peters aus dem Off zu hören. Er fungiert als Erzähler, ist aber auch selbst Teil der Geschichte. Unter tosendem Applaus des Publikums betritt er breit lächelnd das Indian Village: „Verdammt, tut das gut, wieder im Wilden Westen zu sein – ist ja auch schon viel zu lange her!“ – dieser Satz passt wie die Faust aufs Auge. Als Urgestein der Spiele – wie er oft betitelt wird – hat er in über 30 Jahren Kalkberg schon so manches erlebt und es gibt kaum etwas, was ihn aus der Ruhe bringt. So setzt er in einem Moment schmunzelnd seinen nächsten Satz dreimal an, weil sein Mikro noch nicht wieder hochgefahren ist. Karl May am Kalkberg ist in der Tat undenkbar ohne Joshy. Souverän und auf den Punkt bringt er seinen typischen Old Shatterhand auf die Bühne.

Verfolgungsjagd gleich zu Beginn: Jogi Kaiser als Gangsterboss und Patrick L. Schmitz als Schoschonen-Häuptling.

Jogi Kaiser ist als Gangsterboss Corner gleich am Anfang auf Schoschonen-Jagd. Sein Opfer: Patrick L. Schmitz als Häuptling Avaht-Niah – hier zeigen die Beiden, dass sie auch in anderen Rollen außer denen der skurrilen Spaßmacher brillieren können. Später erleben wir Patrick noch als etwas zwielichtigen „alten Lachner“, der seinem Neffen auf nicht ganz legale Weise ein besseres Leben ermöglichen möchte…..

Fabian Monasterios als Prayer Man

Fabian Monasterios erscheint als Peteh, Häuptling der Kainai, der sich mit den Gangstern verbündet hat. Auch seine zweite Rolle, die des Prayer-Man, lässt ihn später als einen der Bösewichte auf der Bühne stehen. In früheren Spielzeiten wechselte er schon überzeugend zwischen den verschiedenen Charakteren. Zwischendurch erleben wir ihn noch als Ansager im Saloon.

Neuzugang Jan Stapelfeld komplettiert diese Szene als Wagare-tey, dem Sohn des um sein Leben kämpfenden Häuptlings der Schoschonen. Er kann mit einer sicheren und kräftigen Stimme überzeugen und reiht sich gut in das Ensemble ein. In dieser Szene hören wir zudem Kampfgeräusche, Schüsse und wild heranreitende Indianer – wir fühlen uns wie in der Arena selbst. Kurz darauf steht Stapelfeldt nach einem Blitzumzug schon wieder auf der Bühne – diesmal als sein Hauptcharakter, Old Shatterhands altem Freund Carpio, dessen Schicksal einen Teil der Geschichte bildet.

Neu am Kalkberg: Jan Stapelfeldt. Hier in der Rolle des Carpio.
Geräuschemacher Marc Francisco wartet auf seinen nächsten Einsatz.

Marc Francisco hat alle Hände voll zu tun, die Geräusche zu erzeugen. Er muss dem Stück mit dem Textbuch genau folgen, um keinen seiner Einsätze zu verpassen. Wenn Heinz-Egon Winzigmann mit seinem Reittier auf Tuchfühlung geht, muss sich Marc beispielsweise dessen Tempo anpassen und kommt dabei ganz schön aus der Puste. Patrick L. Schmitz unterstützt beim Geräuschemachen, wenn er nicht gerade in einer seiner Rollen auf der Bühne steht – bringt er doch seine Erfahrung aus seiner Zusammenarbeit mit dem „RadioLiveTheater“ mit. 2018 waren diese mit einem Live-Hörspiel im Bad Segeberger Rathaus zu Gast und standen nun mit Tipps und Tricks dem Karl May Team zur Seite. Als Bahnsteigschaffner darf Marc im Verlauf des Stückes auch ein paar Sätze sprechen – für den einfahrenden Zug sorgt Patrick L. Schmitz gekonnt mit Pfeife, Bürste und Metallkoffer.

Am Bahnhof treffen wir Jogi Kaiser als Sam Hawkens. Diese Rolle spielte er bereits erfolgreich bei den Karl May Spielen in Elspe und nun darf er die kultige Figur auch am Kalkberg verkörpern.  Der neue Sam Hawkens für die nächsten Jahre ist gefunden. Kurz darauf trifft er, an einer Blockhütte im Westen, als Baron von Hiller auf Patrick L. Schmitz in dessen Paraderolle „Heinz Egon Winzigmann“.

“Schweigefuchs!” Heinz Egon Winzigmann macht Sam Hawkens das Leben nicht gerade leicht.

Gewohnt liebevoll schusselig gibt Schmitz seine Paraderolle und lässt in feinster Weise Heinz Erhardt wieder aufleben. Später im Hörspiel begegnen wir in einer One-Man-Show noch allen Charakteren, die Patrick bisher am Kalkberg verkörpert hat. Schlag auf Schlag folgt hier Figur auf Figur – und das ganz ohne Luft zu holen. Ein wahrer Clown, wie er im Buche steht und der das Publikum zu begeistern vermag. Kaiser und Schmitz harmonieren zudem wieder einmal wunderbar zusammen – auch als sie sich, passend mit dem Soundtrack von Indiana Jones, durch Höhlen in den Rocky Mountains schwingen.

und als Rosita….
Melanie Böhm als Baronin von Hiller….

Die von Hillers finden den zum Schriftsteller gewordenen Winzigmann zwar doch sehr merkwürdig, laden ihn aber in ihr Haus ein. Zum ersten Mal an diesem Abend sehen und hören wir Melanie Böhm in einer ihrer Rollen. Sie darf einen tiefen, ureigenen österreichischen Akzent an den Tag legen – kein Problem, ist sie doch gebürtige Österreicherin. Später sehen wir sie noch als Rosita, die mit Shatterhands Freud eine gemeinsame Zukunft plant. In dieser Rolle darf Melanie den Song „Apple Jack“ von Dolly Parton zum Besten geben und dazu tanzen. Als nächstes hören wir eine sehr realistische Postkutsche, die Old Shatterhand zu einem abgelegenen Punkt weiter in den Westen bringt – hier hören wir das Rascheln von Geldscheinen, welches durch Papier erzeugt wird, das an einen Pfahl genagelt wurde.

Ein Schuss ertönt und ein aus allen Poren strahlender Sascha Hödl tritt, ausgestattet mit Silberbüchse, als Winnetou in das Indian Village. Das Publikum jubelt – und man kann den Stolz sowie die Freude von Sascha, nun hier am Kalkberg als Winnetou auf der Bühne stehen zu können, förmlich spüren . Er verkörperte die Rolle bereits mehrfach im österreichischen Winzendorf und bringt reichlich Erfahrung mit. Sascha kann auf ganzer Linie überzeugen, auch im Zusammenspiel mit Joshy Peters.

Das Blutsbrüderpaar 2021 in Bad Segeberg: Sascha Hödl und Joshy Peters.

Insgesamt sehen und hören wir ein stimmiges Ensemble auf der Bühne und jeder fesselt das Publikum auf seine Art. Rund 90 Minuten erleben wir alles, was die Karl May Spiele zu bieten haben – auch ohne echte Tiere, Feuer, große Kulissen und Fahrzeuge. Natürlich gab es auch kleine Verzögerungen und an manchen Stellen lief alles noch nicht ganz reibungslos. Dies tut dennoch dem Gesamtbild nichts ab und dafür ist es live. Stimmige, teils bekannte Musiken untermalen die Szenerien. Autor und dieses Mal auch Regisseur Michael Stamp kann mit seiner Inszenierung voll und ganz zufrieden sein (obwohl jeder an seinen Arbeiten später immer noch etwas findet). Wir sind jedenfalls der Überzeugung, dass dieses Live-Hörspiel wert ist, gehört und auch gesehen zu werden.

Applaus nach der gelungenen Premiere.

Tickets gibt es über www.karl-may-spiele.de. Noch bis zum 18. Juli wird das Live-Hörspiel 7x die Woche, von Donnerstag bis Sonntag, gezeigt. Danach findet es in unregelmäßigen Abständen statt. Ab Ende Juli wird es mehrere Konzerte am Kalkberg geben, unter anderem tritt Alexander Klaws in der Kalkbergarena auf. Die Backstageführungen finden weiterhin statt und es wird noch weitere Veranstaltungen geben.

 

Text und Bilder: Nathalie

Plakat: Karl May Spiele Bad Segeberg