Hedwig and the angry Inch – Augsburg 2023

© Jan-Pieter Fuhr

Premiere: 15. September 2023 – rezensierte Vorstellung: 01. November 2023

Ich hatte schon öfter über das Stück gelesen und dies hatte mein Interesse daran geweckt. Am 01. November 2023 war es dann soweit und ich durfte auf Einladung des Staatstheaters Augsburg “Hedwig and the Angry Inch” (Buch von John Cameron Mitchell, in Augsburg inszeniert von Cornelia Maschner) besuchen.

© Jan-Pieter Fuhr

Im Stück erzählt Hedwig ihre eigene Lebensgeschichte auf ihrem Konzert in Augsburg in Retrospektive. Die Geschichte beginnt im Berlin der 80er Jahre. Der junge Hansel merkt schon immer, dass er irgendwie nicht wie alle Anderen ist, auch seine Eltern können nicht wirklich viel mit ihm anfangen. Dann verliebt er sich in den US-Soldaten Luther. Um zu heiraten und so aus der DDR in die USA fliehen zu können, muss er sich aber komplett in eine Frau verwandeln, da gleichgeschlechtliche Ehe zu dieser Zeit nicht möglich war. Die Geschlechtsumwandlung geht aber schief und es bleibt ein “Angry Inch” seines männlichen Geschlechts zurück, der Hansel, der sich von nun an Hedwig nennt, immer an ihre Vergangenheit als Mann erinnern wird. Auch die Liebe zum US Soldaten endet nicht glücklich und so lebt Hedwig bald in einem Trailerpark in den Staaten. Doch dort findet sie eine neue Liebe, einen erst 17-Jährigen und schreibt für ihren Tommy von nun an Songs im Glam-Rock-Stil der 1970er Jahre. Aber sie findet wieder kein Glück auf Dauer, nachdem Tommy ihr übriggebliebenes Stück Männlichkeit bemerkt und erstmal schockiert reagiert, kommt es zum Streit und er verlässt Hedwig. Er feiert als “Tommy Gnosis” mit den von Hedwig gestohlenen Songs riesen Erfolge und wird zum Superstar. Für Hedwig und ihre zusammengewürfelte Band “the Angry Inch” bleibt dagegen nur eine kleine Low Budget-Tour und ihr aktueller Ehemann Yitzhak, eine ehemalige Dragqueen aus Albanien, mit dem es aber auch wieder nicht wirklich rund läuft…Sie bleibt also irgendwo auf der Suche nach der wahren Liebe und auch nach ihrer wahren Identität…

Die Musik (von Stephen Trask) ist überwiegend im Punk und Glamrock Stil gehalten mit vielen sehr energetischen Nummern, aber auch gefühlvolle Töne kommen immer mal wieder vor. Die Songs kommentieren quasi auch immer wieder Hedwigs Leben/die Handlung des Stückes. Die Choreographien von Luca Skupin wirken sehr ausdrucksstark, wild und sind geprägt von ausladender Gestik.

© Jan-Pieter Fuhr

Auch die Kostüme (von Lisa Geller) von Hedwig, der Band und Tommy sind im Stil des Punk und Glamrock gehalten. Bei der Band mit viel Leder und Nieten, Hedwig sticht hervor in einem schrillen, farbenprächtigen Pailletten-Outfit auf dem auffällig ein Auge und knallrote Lippen prangen, dazu trägt sie hohe gelbe Plateaustiefel und eine blonde wilde Langhaarmähne. Beim Rückblick auf ihr Leben trägt sie dann ein etwas gediegeneres Outfit, mit engem Oberteil, Minirock und Cowboystiefeln in Unifarben und nur schulterlange blonde Haare.

Das Bühnenbild, ebenfalls von Lisa Geller, ist anfangs geprägt von zwei riesigen Leinwänden, auf die im Hintergrund wie bei einem Konzert Liveaufnahmen und Einspieler (die vom Stil an Musikvideos erinnern) projekziert werden. Links stehen noch ein paar gestapelte Fernseher und ein Flügel mit auf der Bühne, rechts ist die Band das ganze Stück über platziert. Später im Stück werden die Leinwände gedreht und auf den Rückwänden befinden sich Gerüstbauten, in denen unten ein paar Stühle und Gartendekoration stehen und in denen immer mal wieder die Darsteller*innen auch  in den oberen Etagen performen. Über dem Bühnenbild prangt das ganze Stück über der Neonschriftzug “HELLO THERE” in unterschiedlichen Farben.

Thomas Prazak liefert als Hansel/Hedwig eine beeindruckende schauspielerische Leistung. Er spielt alle Facetten dieser Rolle sehr authentisch und überzeugend, mit viel Mimik und Gestik. Er schafft es die Gradwanderung zu meistern, zwischen der schon etwas überdrehten Art der Figur Hedwig, ohne diese aber ins Lächerliche zu ziehen. Man kann die Zerrissenheit, Wut und Verzweiflung der Rolle nachfühlen und spürt, dass dort ein Mensch mit Problemen sein Herz ausschüttet und seine Seele entblößt. Auch gesanglich bietet er bei allen Songs eine klasse Leistung.

© Jan-Pieter Fuhr

Mirjam Birkl als Yitzhak bringt noch zusätzlichen Schwung und auch etwas Spaß in die Show und sorgt mit ihrer Darbietung des führsorglichen, aber auch oft genervten Ehemanns, der immer mal wieder seine kleinen Auftritte hat, für den ein oder anderen Lacher beim Publikum. Auch die verletzte Seite Yitzhaks nimmt man ihr immer ab.

Luca Skupin als Floyd/Tommy weiß stimmlich zu überzeugen, aber auch schauspielerisch spielt er sowohl den noch schüchternen 17-Jährigen Jungen, als auch den arroganten Popstar klasse.

Toll unterstützt werden die Darsteller von der vierköpfigen Liveband mit Stefan Leibold am Klavier/Keyboard, Jonas Horche an der Gitarre, Niklas Rehle am Bass und Tilman Herpichböhm am Schlagzeug. Die Band interagiert auch immer mal wieder mit Hedwig und ist so auch gut in das Stück integriert.

HEDWIG AND THE ANGRY INCH überzeugt in Augsburg durch eine energiegeladene Show. Es gibt noch ein paar weitere Spieltermine im November, Dezember, Januar und März, diese sind aber schon nahezu alle ausverkauft. Restkarten gibt es direkt über die Homepage des Staatstheaters.

© Jan-Pieter Fuhr

Wir bedanken uns beim Staatstheater Augsburg für die Einladung!


Artikel von Claudia.