Cosi fan tutte am Theater Erfurt

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Inszenierung: Benjamin Prins

Premiere: 19.11.2016

Cosi fan tutte – Sie tun es alle und jeder mit jedem. So oder so ähnlich lässt sich der Inhalt des Stückes und speziell die Inszenierung von Benjamin Prins in der Neuen Oper Erfurt beschreiben.

INHALT

Wie so oft im Theater, durchschaut das Publikum die Maskerade, weiß und sieht mehr als die handelnden Figuren. Dies wird in Benjamin Prins´ Inszenierung dadurch unterstrichen, dass er uns immer wieder Blicke hinter die Kulissen gewährt. So bekommt der Zuschauer nicht nur die hübsch dekorierte Vorderseite zu Gesicht, sondern sieht auch die metallverstärkten hölzernen Rückseiten der Bühnenaufbauten und die – mal dezent in schwarz, mal schrill mit kühnem Hüftschwung in Szene gesetzten – Bühnentechniker. Einen Schritt weiter geht dieser Regiegedanke, als sich die beiden zurückgelassenen Frauen und Don Alfonso an der Rampe, aber zugleich auf der Rückseite des Bühnenbildes, zu einem wunderbar poetischen Terzettino zusammenfinden. Die Aufforderung ist klar: Schau hinter die Fassade! Geben die Drei den Abgereisten scheinbar nur gute Wünsche mit auf den WEg, so hat Mozart diese mit einer so spannungsgeladenen Dissonanz vertont, dass sie dem Hörer einen Vorgeschmack und eine Vorahnung auf die unweigerlich folgenden emotionalen Tiefen der Protagonisten beschert.

Was Fiordiligi und Dorabella erleben, ist ein wahrer Culture Clash. Von ihrem spießbürgerlichen mit Blümchentapete tapezierten Heim gelanden sie in einen Hieronymus Bosch nachempfundenen aufblasbaren (!) “Garten der Lüste”. Dass ihre Welt komplett auf den Kopf gestellt wird, spiegelt sich im Bühnenbild wider, als ihr Haus samt seiner Einrichtung kurzerhand vor den staunenden Augen des Publikums umgekippt wird. Noch im Nachthemd finden sich die Schwestern zwischen in pink-glitzernden Bunny-Einheitskostümen gekleideten Partygästen wieder.

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Gespielt wird nicht nur auf der Bühne, sondern auch im Zuschauerraum, im Parkett genauso wie im Rang. Meist ist es die verführerische Despina, die den direkten Kontakt mit dem Publikum sucht, sich sogar einen “Freiwilligen” aus dem Saal holt und ihm in bester Tell-Manier einen Apfel vom Kopf schießt.

Von der verführerischen Beharrlichkeit ihrer verkleideten Verlobten erweicht, kommen sich die vier Liebenden näher – allerdings tauschen sie, teils unwissentlich, die Partner. Während sich Dorabella schnell mit der veränderten Situation und dem neuen Liebhaber anfreundet und Vergangenheit Vergangenheit sein lässt, kämpft Fiordiligi mit der in ihr erwachenden Begierde und den stärker werdenden Schuldgefühlen.

Als schließlich Don Alfonso und seine Gehilfin Despina triumphierend den Schwindel aufdecken, ist das Entsetzen groß und die Reaktionen sind ambivalent. Den Schluss bildet ein Loblied, aber ein Happy End gibt es nicht, zu schmerzlich ist die erteilte Lehre. Ganz im Gegenteil versetzt der Regisseur der ihrer Unschuld beraubten und zutiefst erschütterten Fiordiligi sogar den Todesstoß. Als gefallener Engel bleibt sie allein am Boden liegend zurück.

Der Star des Abends war dann auch Margrethe Fredheim, die eine wunderbar starke aber zugleich auch verwirrt und verzweifelte Fiordiligi gab und in allen gesanglichen Höhen und Tiefen überzeugte.

Sharon Carty als Dorabella emanzipiert sich darstellerisch und stimmlich im Laufe der Oper von der biederen Jungfrau zum attraktiven Flirt, der Despina Konkurrenz machen könnte.

Máté Sólyom-Nagy und Won Whi Choi alias Guglielmo und Ferrando überzeugen sowohl als gesittete Langweiler als auch als fremdländische Herzensbrecher mit Turban und Prachtgewand und spielen auch im pinken Bunnydress, als hätten sie nie etwas anderes getragen.

Siyabulela Ntale als Don Alfonso hat die Fäden fest in der Hand, manipuliert, überzeugt und strahlt auch im überdimensionalen Bunny-Outfit und mit Einstein-Frisur noch eine gewisse Würde aus. Sein Lachen ist im gleichen Maße wie der überdimensionale Magnet im 1. Akt mag(net)isch anziehend.

Daniela Gerstenmeyers Despina ist ein echtes Luder. Stimmlich wandlungsfähig und aufreizend ge- bzw. entkleidet, erteilt sie ihren Arbeitgeberinnen eine Lektion nach der anderen. Dabei spielt und singt sie souverän und wickelt das Publikum um ihren Finger.

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Die Ausstattung des schrill-frivolen Abends lag in den bewährten Händen von Hank Irwin Kittel, am Pult schwebte und tanzte Generalmusikdirektorin Joana Mallwitz und führte das Philharmonische Orchester mit sicherer Hand.

Dass Benjamin Prins voll und ganz hinter seiner Regie-Idee stand, bewies er mit seiner Kleiderwahl: Er nahm den Applaus des Publikums in pinkem Glitzer-Dessous und mit High Heels entgegen.

Text von Anne