Tootsie – Europapremiere in München 2022
Premiere: 07. Juli 2022
Besuchte Vorstellung: 10. Juli 2022
Das eine europäische Erstaufführung so schnell auf eine Uraufführung folgt, ist doch eher selten. Der Erfolg von TOOTSIE am Broadway und dessen Interesse in Europa sprechen nun für sich. Nachdem das Musical am 23. April 2019 in New York seine Uraufführung feierte, folgte nun bereits am 07. Juli 2022 die Europapremiere am Gärtnerplatztheater in München. Das Musical basiert auf dem gleichnamigen Film mit Dustin Hoffman aus den 1980er-Jahren. Die deutsche Übersetzung stammt von Roman Hinze.
In dem Stück geht es um den erfolglosen Schauspieler Michael Dorsey (Armin Kahl), der ein Casting nach dem anderen vergeigt, weil er ein aufmüpfiger Perfektionist ist, der immer alles hinterfragt, was bei Regisseuren wie Ron Carlisle (Alexander Franzen) gar nicht gut ankommt und so kommt er einfach zu keinem Engagement. Deswegen muss er sich mit einem Nebenjob als Kellner über Wasser halten. Genauso wie sein Mitbewohner Jeff (Gunnar Frietsch), ein erfolgloser Autor, der sich aufgegeben hat. Dann erfährt Michael, durch seine neurotische Ex-Freundin Sandy Lester (Julia Sturzlbaum), von einem Casting für eine verrückte Romeo und Julia Musicalfortsetzung mit dem Titel “Julias wahre Flamme”. Bei dieser Musicalfortsetzung sei die Rolle der Amme noch unbesetzt. Nach einem niederschmetternden Besuch bei seinem Agenten Stan Fields (Erwin Windegger), der ihm quasi mitteilt, dass er unvermittelbar ist, kommt Michael auf eine Idee…
Er erscheint als Frau verkleidet beim Casting von “Julias wahre Flamme” und stellt sich vor der Produzentin Rita Marshall (Dagmar Hellberg) und dem Regisseur Ron Carlisle als Dorothy Michaels vor und bekommt tatsächlich überraschend die Rolle als Amme. Michael weiht seinen Mitbewohner Jeff in sein falsches Spiel ein, dieser ist aber alles andere als begeistert.
Als die Proben starten stellt Dorothy schnell fest, dass einiges verbesserungswürdig ist und lernt die Hauptdarsteller kennen. Den minderbemittelten Max Van Horn (Daniel Gutmann), seines Zeichens eigentlich Reality Star, als den Bruder Romeos und Julia Darstellerin Julie Nichols (Bettina Mönch), die ihr direkt sympathisch ist. Nach der Probe kommen Dorothy und Julie ins Gespräch und Julie erzählt ihr, dass die Bühne immer ihr größter Traum war und sie dafür sogar auf eine Beziehung verzichtet. Die Beiden sind sich auch ziemlich schnell einig, dass sie “Julias wahre Flamme” mit ihren Ideen stark verbessern könnten. Nach ein paar Tagen Probe improvisiert Dorothy und bringt die Handlung des Stückes ganz schön durcheinander. Ron ist entsetzt, aber alle Anderen finden Dorothys Änderung gut, vor allem Geldgeberin Rita.
Die erste Preview des mittlerweile umgetauften Stückes “Julias wahre Amme” war ein voller Erfolg und Julie und Dorothy feiern das. Dabei wird Michael langsam klar, dass er sich in Julie verliebt hat. Als Michael wieder nach Hause kommt ist Jeff entsetzt, wie kaltschnäuzig Michael das Spiel als Dorothy durchzieht und warnt ihn vor den Folgen, die das mit sich bringen könnte. Beim nächsten Treffen mit Julie passiert es dann, Dorothy küsst Julie mehr als freundschaftlich und das lässt Julie verstört davonstürmen.
Nach dem Kuss meidet Julie Dorothy, Michael fasst aber unterdessen den Entschluss Julie als Mann zu erobern und will dafür die Informationen nutzen, die Julie Dorothy anvertraut hatte. Dies geht bei einem Flirtversuch in einem Club gründlich daneben. Darauf beschließt Michael als Dorothy zu Julie zu gehen und ihr die Wahrheit zu sagen. Er platzt in eine Situation, in der Regisseur Ron zum wiederholten Male Julie anbaggert. Als sie Ron losgeworden sind, gesteht Julie Dorothy, dass sie Gefühle für sie hat. Das bringt Dorothy so aus dem Konzept, dass sie geht und Julie verunsichert zurücklässt.
Die Premiere von “Julias wahre Amme” steht an und vor der Show kommt Rita in Dorothys Umkleide und verlängert ihren Vertrag um ein weiteres Jahr. Max bedankt sich für Dorothys Unterstützung bei den Proben und Julie gesteht Dorothy, dass sie sie zwar liebt, aber sich privat nicht mehr treffen will. Michael weiß nicht mehr weiter und bittet sein Alter Ego Dorothy um Hilfe.
Zum Ende der Premiere sorgt Michael für einen handfesten Skandal, als er seinen Schwindel auf der Bühne aufdeckt. Michael hat eingesehen, dass es kein Job für einen Mann ist, eine Frau zu sein. Er ist sich unsicher, ob Julie, die natürlich aufgrund des Vertrauensbruchs sehr verletzt ist, jemals wieder ein Wort mit ihm reden wird. Aber Wochen später trifft er sie im Park und bekommt tatsächlich die Chance zu einer Aussprache mit ihr…
Die Regie oblag niemand geringeren als Gil Mehmert. Mehmert beweist erneut, dass er das Beste aus seinen Darsteller*innen herausholen kann. Ebenso sorgt er für eine temporeiche Inszenierung mit zügigen Szenenwechseln. Ein paar zeitgemäße Verweise auf aktuelle Debatten baut Mehmert ebenfalls ein.
Armin Kahl verkörpert Michael Dorsey und vor allem auch Dorothy Michaels grandios. Ihm gelingt der Spagat zwischen den beiden so unterschiedlichen Charakteren sehr glaubwürdig und auch stimmlich kann er in beiden Rollen voll überzeugen.
Bettina Mönch bringt in ihrer Rolle als Julie die Enttäuschung vom wahren Leben und die absolute Begeisterung für die Bühne überzeugend rüber und lässt den Zuschauer mitfühlen. Auch Alexander Franzen nimmt man den äußerst unsympathischen, arroganten und über griffigen Regisseur Ron Carlisle voll ab. Julia Sturzlbaum spielt die neurotischen Ausbrüche der Ex-Freundin Sandy genial und sorgt so für einige Lacher und Schmunzeln beim Publikum, ebenso Gunnar Frietsch als lethargischer Mitbewohner Jeff. Auch Daniel Gutman als übertrieben gezeichneter, minderbemittelter Reality Star Max Van Horn strapazierte die Lachmuskeln des Publikums ein ums andere mal stark, wusste aber auch stimmlich zu überzeugen. Unterstützt wurden die Hauptdarsteller von einem tollen Ensemble und dem Orchester des Staatstheaters am Gärtnerplatz unter der Leitung von Andreas Partilla.
Die Musik des Stückes ist leider nicht so überragend, wie die Darsteller*innen und auf dem Punkt präsentierte Gags. Der Komponist David Yazbek präsentiert in TOOTSIE einen Mix aus klassischen Broadway Sound, Jazz und Bossa Nova. Es gibt zwar einige flotte, witzige Nummern und auch ein paar schöne Balladen, aber wirklich hängen bleibt von der Musik nichts. Dennoch schmälert dies nicht das gut 3-stündige Theatererlebnis.
Das Bühnenbild war aufwendig gestaltet. Auf einer Drehbühne gab es verschiedene Hauselemente, durch die wechselnde Schauplätze dargestellt werden konnten. Die Straßen New Yorks, die Wohnung von Michael und Jeff, das Restaurant in dem beide kellnern, das Büro von Michaels Agenten, der Probenraum, Dorothys Garderobe und auch das Theater. Manche Elemente, wie die Wohnung konnten auch hoch und runter gefahren werden und so manchmal geschickte Szenenwechsel ermöglichen.
Alles in Allem war es ein sehr unterhaltsamer und lustiger Abend. Man kann dieses Stück wirklich nur empfehlen! Wer es sich selbst gerne einmal ansehen möchte hat am 21.07., 24.07. (und auch noch an einigen Terminen in der neuen Spielzeit ab September) die Gelegenheit dazu. Man kann dem Musical nur wünschen, dass es hoffentlich lange in Deutschland läuft.
Wir bedanken uns beim Gärtnerplatztheater für die Einladung!
Cast & Crew
- Dirigat Andreas Partilla
- Regie Gil Mehmert
- Choreografie Adam Cooper
- Bühne Judith Leikauf / Karl Fehringer
- Kostüme Alfred Mayerhofer
- Licht Michael Heidinger
- Dramaturgie Michael Alexander Rinz
- Michael Dorsey / Dorothy Michaels: Armin Kahl
- Julie Nichols: Bettina Mönch / Florine Schnitzel
- Sandy Lester: Julia Sturzlbaum
- Jeff Slater: Gunnar Frietsch
- Max Van Horn: Daniel Gutmann
- Ron Carlisle: Alexander Franzen
- Rita Marshall: Dagmar Hellberg
- Stan Fields: Erwin Windegger
- Stuart: Peter Neustifter
- Suzie: Tracey Adele Cooper
- Carl: Frank Berg
- »Alles läuft schief«-Trio: Tracey Adele Cooper / Florine Schnitzel / Jane-Lynn Steinbrunn
- Ensemble: Gunnar Frietsch, Andreas Nützl, Alexander Moitzi, Christian Schleinzer, Florine Schnitzel / Evita Komp, Jane-Lynn Steinbrunn, Julia Sturzlbaum, Lara de Toscano, Oriol Tula, Samantha Turton
Artikel von Claudia.