The Who and the What-Theater Drachengasse 2017
Am 12. Februar hatte ich das große Vergnügen und die Ehre, der Generalprobe eines fantastischen Stückes beizuwohnen und zusammen mit einigen wenigen anderen Besuchern noch vor der Premiere, einen Tag später, dieses mitreißende und emotionsgeladene Stück zu erleben.
Mit einem genialen Buch von Ayad Akhtar wurde das Original nicht etwa eingedeutscht sondern vom Vienna Theater Project, welches schon viele Stück zuvor erfolgreich inszenierte, in der englischen Originalfassung gespielt. Das mag für viele Zuschauer zuerst etwas seltsam klingen, doch englisch gespielte Stücke sind zurzeit im deutschsprachigen Raum wieder stark im Kommen. Und diese Stück wurde auf sprachlich sehr hohem Niveau geschrieben, ausdrucksstarke Konversationen gepaart mit Witz und vielen coolen Sprüchen, welche die doch eher dramatische Handlung an vielen Stellen auch oft wie eine Komödie wirken lassen. Im Endeffekt präsentiert sich eine Geschichte, welche ernste Themen und Familienprobleme anspricht, doch mit teilweise viel Ironie und Sarkasmus. In jederlei Hinsicht ein Abend, der unter die Haut und ins Herz geht.
Das 4-Personen-Stück wurde von allen Darstellern einwandfrei und mit vollstem Einsatz gespielt. Man konnte sich in jegliche Gefühlslage hineinversetzen und manchmal entstand, dem wahnsinnigen Einsatz der Darsteller geschuldet, nach ins Schwarze treffenden Aussagen sogar Totenstille im Saal. Dafür braucht es in der grandiosen Inszenierung von Joanna Godwin-Seidl nicht einmal eine große Bühne oder überragende Kulissen und Requisiten. Die Darsteller allein und ihre unglaubliche Kraft, Geschichten zu erzählen stehen eindeutig im Vordergrund. Das Bühnenbild selbst besteht lediglich aus einem simpel eingerichteten Wohnzimmer mit Küche, welches durch austauschbare Requisiten oder auch Trennvorhänge in immer wieder wechselnde Räume verwandelt wird. Auch was die Kostüme betrifft, bleibt man schlicht. So könnte man fast meinen, die Kostüme der Darsteller stammen bis auf wenige Accessoires aus ihren eigenen Kleiderschränken.
Allen voran ist natürlich Saman Giraud als Zarina zu erwähnen, sie spielt ihre Figur mit so viel Frauenpower, Stärke und Willenskraft, verliert jedoch nie die sanfte und verletzliche Seite ihrer Figur. Die innere Zerrissenheit zwischen ihrer Familie und die damit verbundenen Verpflichtungen und ihrem Streben nach Wahrheit über den Propheten scheint sie nahezu aufzufressen, was man Giraud unbestritten den ganzen Abend lang abkauft.
Auch Harmage Singh Kalirai als Zarinas Vater, ist hin und her gerissen zwischen seiner Religion und der Liebe zu seiner Tochter, die er trotz allem nicht aus seinem Leben streichen kann, auch wenn es teilweise fast danach aussieht. In seinen oftmals vorkommenden alleinigen Momenten auf der Bühne glaubt man ihm stets jedes Wort. Er spielt mit einer derartigen Ehrlichkeit und der innere Kampf, den er führt, nimmt einen so sehr mit, dass man streckenweise sprachlos wird.
Diese beiden Charaktere führen auch durch das Stück und dominieren dieses auch. Das macht es nicht gerade leicht für die beiden anderen Figuren, doch auch sie geben ihr Bestes.
Dave Moskin mimt Zarinas Mann als mitfühlenden und unterstützenden Ehemann, der immer für seine Frau da ist, doch selbst immer daran zweifelt, ob er das Richtige tut. Doch das tut er absolut, als er sich gegen Ende des Stückes überzeugend und mit einer derartigen Entschlossenheit gegen Afzal auflehnt, einer seine stärksten Momente im Stück.
Sina Pirouzi, die einzige Darstellerin, deren Muttersprache nicht Englisch ist, macht ihre Sache sehr gut. Man merkt nur ganz selten, dass sie nicht aus einem englischsprachigen Land kommt, doch dafür ist ihr Schauspiel umso stärker und überzeugender. Ihr Charakter wandelt sich im Stück vom kleinen naiven Mädchen, das unbestritten an den Propheten glaubt und sich in ihrer Ehe scheinbar glücklich gibt, zu einer etwas geläuterten erwachsenen Frau, welche sich nicht mehr sicher ist, was Glück und Liebe wirklich bedeuten. Sie entwickelt Gefühle für einen anderen Mann und ihre Liebe zu ihrer Schwester wird hart auf die Probe gestellt. Die panischen und geschockten Gefühle im großen Finale spielt sie fantastisch und man kann sich mehr als gut in ihre momentane Gefühlslage hineinversetzen. Eine wunderbare Bandbreite, die sie hier spielen darf.
„The Who and the What“ ist auf jeden Fall ein mehr als empfehlenswertes Erlebnis, welches man sich unbedingt ansehen sollte. Relativ gute Englischkenntnisse sollte man jedoch vorweisen können, sonst könnte es passieren, dass man der Handlung nicht oder nur schwer folgen kann. Man bekommt auf jeden Fall etwas zum Nachdenken mit an diesem Abend, aber auch eine große Portion Emotionen und herausragendes Schauspiel, die diesen Abend zu einem wundervollen Erlebnis machen…
Artikel von Rebecca
Fotos von Martina