Stadtmusical Nürnberg 2024 – Nuremberg ´45

Premiere: 30. November 2024 – rezensierte Vorstellung: 06. Dezember 2024

Philipp Polzin und Christian D. Dellacher haben mit NUREMBERG 45 ein neues Musical kreiert. Entwickelt extra für das Stadtmusical Nürnberg, unter der Regie von Silvia Ferstl. Das Stadtmusical Nürnberg ist ein ehrenamtlicher Verein, der sich seit über 12 Jahren dafür engagiert neue und spannende Musicals rund um die Nürnberger Stadtgeschichte, sowie Legenden auf die Bühne zu bringen. Mit NUREMBERG ´45 werden die Nürnberger Prozesse in den Mittelpunkt des Bühnengeschehens gerückt.

Das Stück spielt in Nürnberg im Jahre 1945 und beginnt in der Weihnachtszeit. Alles liegt in Schutt und Asche und die Menschen haben schwer zu kämpfen, um irgendwie über die Runden zu kommen. Sie hadern mit den Besetzern und diskutieren, ob die gerade stattfindenden Nürnberger Prozesse wirklich Gerechtigkeit bringen oder nur Macht demonstrieren sollen. Die junge Lilli (Helena Lenn) versucht sich die Hoffnung auf bessere Zeiten zu bewahren, obwohl ihr Vater im Krieg gefallen ist. Ihre Mutter (Clarissa Bühler) hegt aber nur Groll auf die Alliierten und ihr Bruder Gustaf (Jonathan Roller) ist verwundet worden. Im Moment ist Lilli die einzige in der Familie, die arbeiten kann, ihrer Mutter ist es untersagt, weil sie in der Partei war und Gustaf kann es nicht, weil er wegen seiner Beinverletzung auf Gehstützen angewiesen ist. Lilli hilft also zusammen mit ihrer besten Freundin Eva (Marina Schubert) beim Wiederaufbau. Kurz vor Silvester kommt Eva auf die Idee, dass sich die Beiden eine kleine schöne Auszeit verdient hätten und schlägt Lilli vor, sich auf den Silvesterball zu schmuggeln, der für die amerikanischen Journalisten veranstaltet wird, die für die Berichterstattung über die Kriegsverbrecherprozesse in Nürnberg sind. Vor allem Eva hofft darauf sich auf dem Ball vielleicht auch einen jungen Amerikaner angeln zu können, der ihr Leben verbessern könnte. Durch einen befreundeten Koch schaffen es die jungen Frauen tatsächlich auf den Ball zu gelangen und Lilli trifft dort auf den amerikanischen Journalisten Will (Christian Schöne). Sie sind sich sofort sehr sympathisch, verbringen den Abend gemeinsam und als Will durch die Silvesterböller einen schweren Kriegs-Flashback erleidet, ist Lilli bei ihm und hilft ihm sich zu beruhigen. Sie verabreden sich zu einem Wiedersehen am nächsten Tag.

Lilli verheimlicht ihrer Mutter, dass sie sich in Will verliebt hat, weil diese die Amerikaner nicht ausstehen kann, trifft sich aber heimlich mit ihm. Bei ihrem Wiedersehen kommen sie auch auf die Prozesse zu sprechen und Will erzählt Lilli von einen schrecklichen Film aus dem Konzentrationslager Ausschwitz, der bei den Prozessen gezeigt wurde und das er kaum glauben kann, wie grausam Menschen sein können. Als Lilli gehen muss, erleidet er einen weiteren Flashback, der ihn nahezu zusammenbrechen lässt.

 

Will und Lilli haben noch eine schöne gemeinsame Zeit, bis Will für seinen Job nach Amerika zurückkehren muss. Er verspricht Lilli so schnell wie möglich nach Nürnberg und zu ihr zurückzukehren. Danach hört sie aber wochenlang nichts mehr von ihm, beginnt an seiner Liebe zu zweifeln und ist auch immer mehr verzweifelt, weil sie mittlerweile erfahren hat, dass sie schwanger ist von Will. Als sie dies mit der Unterstützung von Georg ihrer Mutter beichtet, will diese sie mit ihrem Chef, einem „anständigen Deutschen“ verheiraten, um die Schande zu vertuschen. Lilli weigert sich und verlässt wütend die Wohnung. Will ist mittlerweile schon wieder in Deutschland, um über das Ende der Prozesse und die Urteile zu berichten und will Lilli suchen, weil er sie mit in die USA nehmen will, um dort ein neues Leben mit ihr anzufangen. Er begegnet ihr dann auch tatsächlich zufällig, aber Lilli reagiert erstmal sehr wütend, weil sie nichts von ihm gehört hat, erfährt dann aber von Will, dass er ihr sehr wohl regelmäßig geschrieben hat und die Briefe, zusammen mit Geld, an ihre beste Freundin Eva geschickt hatte, damit Lillis Mutter nichts von ihnen mitbekommt. Lilli erzählt ihm daraufhin, dass sie schwanger von ihm ist und Will freut sich riesig und bittet sie mit ihm nach Amerika zu kommen. Lilli ist aber erstmal noch hin- und hergerissen. Sie stellt Eva zur Rede wegen den Briefen und erfährt, dass Will die Wahrheit gesagt hat und Eva sich das Geld aus den Briefen selbst genommen hat. Am nächsten Tag erscheint Lilli tatsächlich im letzten Moment vor dem Abflug am Flughafen.

Im Epilog erfährt der Zuschauer noch den Ausgang der Nürnberger Prozesse und welche Bedeutung sie auch für die Geschichte hatten, entstand doch später auch noch das internationale Kriegsverbrechertribunal in Den Haag, was bis heute große Bedeutung für den Umgang mit Kriegsverbrechen und Kriegsverbrechern hat.

Helena Lenn hat als Lilli eine sehr sympathische und überwiegend hoffnungsvolle Ausstrahlung auf der Bühne. Aber auch die inneren Kämpfe der Figur stellt sie überzeugend dar. Sie hat stets eine starke Bühnenpräsenz und ihrer angenehmen, schönen Stimme hört man gerne zu. Sie harmoniert auch wunderbar mit Christian Schöne in den Duetten, wie „Du bist da“.

© Christoph Ackermann

Christian Schöne wirkt als Will im Umgang mit Lilli eher zurückhaltend und etwas schüchtern, aber bei den Flashbacks ist er sowohl schauspielerisch, als auch stimmlich richtig ausdrucksstark. Mit „Bilder in mir“ setzt er einen eindrucksvollen Schlusspunkt für den ersten Akt und mit den ruhigen, gefühlvollen Tönen berührt er sehr.

Marina Schubert spielt die zwei Seiten der Eva sehr überzeugend, erst die sympathische beste Freundin, die unzertrennlich mit Lilli durch Dick und Dünn geht, dann aber auch die neidische Intregantin, die ihrer Freundin die Briefe ihres Liebsten vorenthält und damit fast deren Beziehung zerstört.

Clarissa Bühler als Lillis Mutter Irmgard spielt die Rolle als strenge, anständige Frau, die weiterhin den Werten der Nationalsozialisten treu bleibt, sehr glaubhaft. Sie wirkt stets sehr respekteinflößend und autoritär und hat eine starke Präsenz.

Jonathan Roller ist als Georg ein liebevoller, unterstützender Bruder für Lilli. Er verleiht der Rolle eine sehr sympathische Ausstrahlung.

Christoph Ackermann als Robert H.J ackson hat in seiner Rolle eine eher informative Funktion für den Zuschauer, so versucht er in einer Szene den Sinn der Prozesse zu erklären im Document Office oder bei Epilog die Geschichte des internationalen Kriegsverbrechertribunals in Den Haag zu erläutern.

Darüber hinaus steht noch ein spielfreudiges Ensemble in mehreren kleineren Rollen auf der Bühne.

Die Musik des Stückes von Philipp Polzin und Christian D. Dellacher ist eine schöne Mischung aus schwungvollen (Let’s Dance All Night“) und kraftvollen Nummern („Bilder in mir“), aber auch gefühlvollen Balladen und Duetten („Du bist da“) und auch tollen Ensemblenummern („Asche und Staub“, „Keine Schuld“).

Die Choreographien im Stück von Sandra Maria Germann wirkten auf mich insgesamt eher etwas schwerfällig und statisch.

Die Kostüme von Christiana von Roit sind klassisch gehalten, in gedeckten Farben wie Grau, Braun oder Blau und der Zeit in der das Stück spielt angepasst.

Das Bühnenbild von Jens Hübner ist sehr minimalistisch und einfach gehalten, 2 bewegliche weiße Treppenelemente und ein längliches Schrankelement, die immer mal wieder mit wechselnden Requisiten umgestaltet werden zu Weihnachtsmarktständen, Wohnung und Büro, sind der Hauptbestandteil. Der Bühnenhintergrund ist eine große Projektionswand, auf der man unter anderem die im Krieg zerstörte Stadtkulisse Nürnbergs sieht.

Noch bis 12.01.25 hat man die Möglichkeit Nuremberg 45 im Heilig Geist Saal Nürnberg zu sehen. Es werden begleitend zum Musical auch Führungen am Originalschauort der Nürnberger Prozesse angeboten, für Alle die gern geschichtlich noch mehr Hintergründe erfahren möchten. Tickets gibt es bei Reservix.

Wir bedanken uns bei Stadtmusical Nürnberg für die Einladung.


Artikel von Claudia