Schauspiel: Familie Braun – Kammertheater Karlsruhe
“Bunt ist die Welt doch viel schöner!”
Premiere: 20. April 2024 – rezensierte Vorstellung: 21. April 2024
„Bunt ist die Welt doch viel schöner“, einen treffenderen Abschlusssatz dieses wundervollen Theaterbesuchs mit anschließender Gesprächsrunde zum Thema „Alltagsrassismus“ mit Antidiskriminierungsexperte Panajoti Koҫa, hätte es nicht geben können. Mit dieser Inszenierung der Bühnenversion von FAMILIE BRAUN, welche auf der gleichnamigen ZDF Serie beruht, hat William Danne eine großartige schwarz-humorige Komödie nach Karlsruhe auf die Bühne gebracht, welche thematisch aktueller nicht sein könnte.
Ein tolles durchdachtes und detailreiches Bühnenbild, Kostüme die perfekt in die Szenen passen, sensationelle Dialoge, die tollen schwarzen Humor beinhaltet sowie hervorragend ausgewählte Darstellerinnen und Darsteller, die das Stück gemeinsam zum Leben erwecken.
Im Bühnenbild, welches die Wohnung von Kai und Thomas darstellt, finden sich sehr viele Details, die unmissverständlich klar machen, dass dort Nazis wohnen. Eine sehr „braune“ Wohnung, die im Laufe des Stückes durch tolle kleine Effekte an Farbe gewinnt. So wird zum Beispiel eine braune Pflanze durch gießen von Lara wieder grün und bringt die ersten Farbeffekte in die Wohnung. Doch auch die Verwandlung der Eingangstür von Nazistyle in eine Tür, die von der Optik einer der bekanntesten Fernsehtüren aus der Serie „Friends“ sehr ähnelt, könnte besser nicht gewählt sein. So zieht es sich durch das gesamte Stück, dass im Bühnenbild oder auch den Kostümen immer wieder kleine Details große Veränderungen bringen, wie es auch mit den Charakteren der Geschichte geschieht.
Ein Theaterstück, welches trotz der wichtigen aber auch schwierigen Themen Rechtsradikalismus und Diskriminierung, witzig, unterhaltsam, politisch absolut unkorrekt, aber auch sehr berührend, nachdenklich sowie auch traurig macht und die Frage nach dem „Warum“ aufkommen lässt.
Im Theater waren liebevoll kleine Schilder mit Botschaften für Zusammenhalt, Respekt, Akzeptanz und Liebe zu finden oder auch Herzsticker in Regenbogenfarben mit dem Zusatz „Liebe to go“. Es war den ganzen Abend über zu spüren, wie viel Herzblut, Liebe und Leidenschaft in der gesamten Produktion steckt. Der Mut solche Themen anzugehen und der Gesellschaft mit diesem Stück den Spiegel vors Gesicht zu halten, haben sich gelohnt.
Den Nazi Kai verkörperte Ben Ossen. Brillant spielte er mit voller Leidenschaft seine Rolle. Optisch wie darstellerisch war er absolut überzeugend und verlieh seinem Charakter die passenden Facetten.
Der Rolle Thomas hauchte Luke Bischof Leben ein. Authentisch und überzeugend spielte er den Nazi, aber auch den völlig überforderten Vater. Den Zwiespalt zwischen diesen zwei völlig unterschiedlichen Welten zeigte er auf hervorragende Art und Weise.
Die kleine Lara wurde von dem großartigen Hans- Jürgen Helsig verkörpert. Schon beim Betreten der Bühne hatte Helsig alle Lacher auf seiner Seite. Man fragte sich zuerst ob ein so großer dunkelhäutiger Mann, diese Rolle spielen kann. Ab dem ersten Moment war sofort ganz klar, er kann! Ob frech, witzig, traurig, trotzig oder neugierig, alles was ein Kind in diesem Alter empfindet, brachte er hervorragend auf die Bühne und verzauberte das Publikum.
Sina Schulz verkörperte Julia, Thomas Ex-Freundin und noch einige andere Rollen. Egal welchen Charakter sie gerade spielte, jeden einzelnen spielte sie mit absoluter Leidenschaft und Hingabe. Als Julia war sie so bezaubernd, einfühlsam sowie eine starke Persönlichkeit. Sina Schulz ist eine absolute Powerfrau mit so viel Talent und Freude auf der Bühne.
Mehrere Charaktere in diesem Stück spielte Dominique Aref. Unter anderem als Mutter von Lara, Polizist oder Mitbewohner von Julia, war sie auf der Bühne zu erleben. Sie wechselte ohne Probleme zwischen den Rollen und verlieh jeder davon ihre eigene Note. Sie überzeugt mit Spielfreude, Leidenschaft und Charme.
Handlung
Die Freunde Kai und Thomas wohnen zusammen, drehen gemeinsam YouTube Videos in denen sie ihren Followern, in ihren Augen tolle Tipps zum Nazi sein zeigen. Auch ihre Wohnung erscheint im dazu passenden Style. Sie trinken viel Bier, besuchen Demos, machen sich über Ausländer lustig und leben in den Tag hinein.
Eine abrupte Wendung nimmt ihr Leben allerdings, als eines Tages eine junge Frau vor der Türe steht und Thomas klar macht, dass er nun für seine sechs jährige Tochter Lara zuständig sei, da sie selbst nach Eritrea abgeschoben wird. Völlig fassungslos muss Thomas sich nun also der Tatsache stellen, Vater eines kleinen dunkelhäutigen Mädchens zu sein und sich von nun an um sie kümmern zu müssen.
Sein Kumpel Kai ist von dieser Tatsache alles andere als begeistert und möchte das Kind so schnell wie möglich loswerden. Da dies sich als nicht so leicht darstellt und alle Versuche scheitern, müssen die beiden die Anwesenheit von Lara hinnehmen, was die Beiden in ihrem engstirnigen Denken vor große Herausforderungen stellt.
Lara stellt viele Fragen und vor allem Thomas merkt immer mehr, wie seine Fassade des ausländerfeindlichen Nazis, mit den dazugehörigen Ideologien anfängt zu bröckeln. Seine Tochter erobert immer mehr sein Herz, auch wenn sie sein Leben vollkommen auf den Kopf stellt. Thomas muss sich fragen, was er für sich und seine Tochter wirklich will und wie er sein Leben zukünftig gestalten möchte, denn seit Lara in sein Leben getreten ist, sieht auch er sich immer öfters mit Rassismus, Ausgrenzung und Diskriminierung konfrontiert. Ist das was er und Kai für richtig halten wirklich richtig? Ist diese Wohnung und der Umgang mit Kai der richtig Platz für Lara und ihn?
Welchen Weg wird Thomas für sich und seine Tochter wählen? Findet es noch bis zum 19. Mai 2024 im K2 des Kammertheater Karlsruhe heraus. Unser Fazit lautet: Familie Braun berührt das Herz und appelliert an den Verstand!
Cast & Crew
- Inszenierung: William Danne
- Ausstattung: Florian Angerer
- Aufführungsrechte: Karl Mahnke Theaterverlag, Berlin
- Besetzung: Dominique Aref, Ben Ossen, Luke Bischof, Hans- Jürgen Helsig, Sina Schulz
Vielen Dank an das Kammertheater Karlsruhe für die Einladung und diesen wundervollen Abend!
Auch geht mein Dank an Panajoti Koça für die interessante Gesprächsrunde über Alltagsrassismus im Anschluss an das Theaterstück.
Artikel von Rebecca G