Es wird wieder geflogen in der neuen Flora – Cirque du Soleils Paramour fasziniert
Von 2008 – 2013 schnupperten die Darsteller von Tarzan in der Neuen Flora Höhenluft – die Darsteller flogen in atemberaubender Höhe über das Publikum hinweg. Damals waren es die ganz „normalen“ Darsteller, die durch ausdauerndes Training das Fliegen lernten. Heute sind es die Artisten des Cirque du Soleil, die über den Köpfen der Zuschauer schweben. Aber nicht nur das.
Paramour ist eine Kooperation zwischen der Stage Entertainment und dem kanadischen Cirque du Soleil, der seit Jahren für seine spektakulären Zirkus-Shows bekannt ist. Der größte Bestandteil dieser Shows ist die Artistik, die bisher nur mit Livemusik und Storys verbunden wurde, die künstlerisch dargestellt wurden. Neu an der Kombination in Paramour ist der Einbau einer Handlung mit gesprochenem Text und gesungenen Liedern, eben für den „musicalischen“ Teil. Dafür holten sich die bewährten Cirque-du-Soleil-Komponisten Guy Dubuc und Marc Lessard den Texter Andreas Carlsson mit ins Boot.
In Vorankündigungen hieß es, das Stück spiele in den 1940er Jahren in Hollywood, der großen, goldenen Ära der Traumfabrik. Alles eingebunden und umrahmt von akrobatischen Höchstleistungen und der Geschichte rund um Regisseur AJ Golden (Pasquale Aliardi), der verschiedene Talente für seinen nächsten geplanten Kinofilm castet. Dabei fällt ihm die hübsche Indigo ins Auge und er verlieb sich in sie. Doch da ist auch noch Joey, der die neue Filmmusik komponieren soll – er tritt nun auch in Indigos Leben. Wofür wird sie sich entscheiden? Liebe oder Erfolg?
Die Story ist im Endeffekt wie die vielen Entdeckungsgeschichten von Schauspielern aus Hollywood und schnell erzählt. Man begleitet jemanden, der eine Ambition hat, und wird selber entdeckt. AJ Golden sucht notgedrungen eine neue Hauptdarstellerin für seinen Film. Um seinen Produzenten zu überzeugen, weiter zu investieren, greift er zu einer Notlüge. Kurz zuvor hat Komponist Joey Montgomery eine seiner Kompositionen bei Goldens Assistent Robbie abgegeben, in der Hoffnung, dass diese bei ihm ankommt und er ihn engagiert. Doch sie dient nur eben dieser erwähnten Notlüge. Zusammen mit Robbie und Gina, jetzt AJs Assistentin, früher eine seiner Angebeteten, sucht er die Bar auf, in der Joey sich als Pianist verdient. Danach kommt es wie es kommen muss, nicht Joey wird die große Entdeckung, sondern seine Freundin Mildred, die dort in der Bar als Sängerin auftritt. AJ Golden ist sofort hin und weg und engagiert sie als seine neue Hauptdarstellerin. Der Vertrag läuft über drei Filme. In diesen dreht es sich für die Hauptdarstellerin auch immer um die Frage, welchem der zwei Verehrer sie ihr Herz schenkt. Mit der Zeit verliebt sich AJ immer mehr in Mildred. Er gibt ihr den Künstlernamen „Indigo“. Joey wurde von AJ auch engagiert, jedoch nimmt er nicht eine seiner Kompositionen in die Filme auf. Die Zeit verrinnt. Kurz vor Ende des Vertrages ist sich Joey klar, dass er Indigo liebt. AJ hat dies mitbekommen und da er sie auch „liebt“, macht er Indigo einen Heiratsantrag, den sie auch annimmt. In einem dramatischen Finale während den Dreharbeiten für den letzten Film mit Indigo als Hauptdarstellerin entscheidet sich, wem ihr Herz gehört.
Die akrobatischen Nummern werden unter anderem als Bestandteile der Filme mit eingebaut. Quasi während jeder der Dreharbeiten gibt es mindestens eine artistische Attraktion. Andere kommen als Bestandteil des Programms vor, z.B. in einer Bar, in einem Alptraum oder, was mein persönlicher Favorit ist, in Akt 2 während der Konfrontation in AJs Büro die Hand-to-Trapeze-Nummer.
(C) Cirque du Soleil – Paramour – Broadway 2016
Dabei befindet sich ein Artist am Trapez, einer am Boden und ein dritter wird zwischen diesen beiden quasi „hin- und hergereicht“. In Paramour wird hierdurch eindrucksvoll die Dreiecksbeziehung zwischen Indigo, AJ und Johnny dargestellt. Ein Tango, der für drei nicht funktioniert. In den ersten Momenten erklingt nur die Geige und man schaut den drei Artisten fasziniert zu. Ich würde hier gerne die Namen der Artisten erwähnen, aber in der Pressemappe waren diese nicht einzeln zu finden. Die Schauspieler stehen in dieser Szene erst im Dreieck um die Artisten herum und schauen ihnen ebenfalls zu, das Lied „Herzensknoten“ beginnt erst später. Dieser Teil der Show ist für mich eins meiner Highlights in Paramour.
Ein weiteres Highlight ist Buster, der stumme Clown, der in fast jeder Szene dabei ist. Man möchte ihn einfach nur knuddeln, wenn man sieht, was er da ohne Worte veranstaltet. Auch in der Pause belustigt er das Publikum, wenn die Gäste langsam wieder in den Saal zurückkehren. Er zeigt kleine Kunststückchen, begrüßt die Zuschauer, gibt ihnen die Hand. Besonders Kinder haben es ihm angetan, um diese kümmert er sich intensiv, setzt sie auf die Bühne und zaubert nicht nur ihnen ein Lächeln ins Gesicht. Wenn die Erwachsenen bei seinen Scherzen mitspielen, bekommen sie als Dank eine Umarmung. Aaron Sebastian Dewitz bei seiner Arbeit zuzusehen öffnet einem das Herz und macht Spaß. Zum Ende der Pause „trompetet“ er das Signal zum zweiten Akt und steht kurz darauf schon wieder bei AJs Alptraum mit auf der Bühne.
In vielen Szenen passiert so viel, dass man leicht die Übersicht verliert. Besonders in den ersten Reihen und auf den Randplätzen bekommt man kaum mit, was da im Einzelnen weiter hinten auf der Bühne passiert. Man hat nur ein einzelnes Gewusel vor sich. Von der Szene, in der Filmplakate nachgestellt werden, habe ich kaum etwas mitbekommen, sondern nur Rücken von Menschen und Bühnengeräte gesehen. Es war für mich nur unübersichtliches Durcheinander und ich habe mich letztlich gefragt, was sie da eigentlich machen.
Die artistischen Nummern passieren auch weiter hinten auf der Bühne. Wenn die Protagonisten dort nicht gerade vom Bühnenboden hängen, geworfen werden oder in die Höhe geschleudert werden, hat man hier auch Probleme, alles mitzubekommen. Für Paramour sollte man wirklich Plätze in der Mitte im Premiumbereich wählen, auch wenn diese wirklich hochpreisiger angelegt sind. Aber diese Plätze werden die Besucher bezüglich der Sichtverhältnisse glücklich machen. Auch für den Auftritt der Atherton-Zwillinge im ersten Akt ist es empfehlenswert vor der Bühne und etwa in den Reihen 10-15 zu sitzen, denn die Artisten schweben hoch über dem Publikum und man hat dort einfach den besten Blick.
Zu den Darstellern an diesem Abend gehören Pasquale Aleardi als Regisseur „AJ Golden“, Anton Zetterholm als „Joey Montgomery“, Vajen van den Bosch als „Indigo“, Patrick A. Stamme als „Robbie“, Laura Panzeri als „Gina“ und auch „Buster“ Aaron Sebastian Dewitz wird auf der Castliste als Darsteller mit erwähnt.
Pasquale Aleardi ist der erste, der die Bühne betritt, erzählt er doch die Geschichte von „Paramour“. Der aus dem TV bekannte Schauspieler durfte schon am Broadway den Billy Flynn spielen und übernahm diesen Part auch in der Stuttgarter Inszenierung von „Chicago“. So ist er prädestiniert gewesen, die Rolle des Regisseurs AJ Golden zu übernehmen. Teilweise merkte man ihm die Aufregung an, auch wenn die Medienprobe nicht die erste Aufführung vor Publikum war. Gesanglich macht er eine gute Figur, tourt er doch regelmäßig mit seiner Band „Pasquale Aleardi & die Phonauten“ durch die Lande und kommt nicht aus der Übung.
Anton Zetterholm wurde 2008 als Gewinner der TV-Casting Sendung „Ich Tarzan, du Jane“ bekannt, in der er auserkoren wurde, der erste „Tarzan“ in der deutschen Erstaufführung des Disney Musicals zu werden. Seither konnte man ihn auf den verschiedensten deutschen Bühnen erleben und er spielte in London in „Les Misérables“ den Enjorlas. Nun ist er wieder nach Hamburg zurückgekehrt, um mindestens ein Jahr in der Rolle des Joey auf der Bühne zu stehen. Der gebürtige Schwede macht auf der Bühne eine gute Figur.
Vajen van den Bosch ist Indigo, die Frau, um die sich in „Paramour“ alles dreht – die eigentliche Hauptfigur. Nur kommt das nicht wirklich zum Tragen. Für mich sind alle drei Hauptrollen ziemlich gleich von der Präsenz her. Die aus den Niederlanden stammende Künstlerin kann ihren Akzent gut verstecken, nur in ein paar Sequenzen kommt dieser zu Gehör.
Patrick A. Stamme als Robbie und Laura Panzeri als Gina sind das „komische Pärchen“, das es in jedem Musical gibt. Sie fungieren beide als Assistenten von AJ, lösen mal die eine oder andere Situation auf, wobei der Rolle Robbie der Part zum Schmunzeln zufällt. Gina ist die ernsthaftere Figur der beiden. Es scheint fast so, dass sie am Ende in ein gemeinsames Happy End steuern, obwohl sie beide dem männlichen Geschlecht nicht abgewandt sind.
Alle anderen Darsteller und Artisten stehen gemeinsam in der Liste des Ensembles. Es wird nicht unterschieden, wer zu den Artisten gehört und auch nicht, wer welche Nummer in der Show zeigt. Das finde ich etwas schade, dass man keine Namen zu den artistischen Leistungen hat. Selbst die weiteren Sprechrollen werden nicht erwähnt. In diesem Fall war mir einer der Darsteller bekannt, den ich hier gerne erwähnen möchte. Es handelt sich dabei um Sasha Di Capri, u. a. bekannt als Judas in „Jesus Christ Superstar“ (Hamburg/Wien 2017, Wien 2018). Er übernahm mehrere Sprechrollen und war als Produzent, Autor, Reporter und Bühnenarbeiter auf der Bühne zu sehen. In folgenden Vorstellungen wird er auch bereitstehen, um als „Robbie“, „AJ“ oder gar als „Joey“ einzuspringen.
Fazit: Alles in allem ein schöner Abend, bei dem die artistischen Leistungen die Höhepunkte sind. Die Geschichte ist kurzweilig und umrahmt die akrobatischen Nummern. Meine Highlights waren wie erwähnt die Hand-to-Trapeze-Nummer inklusive der Musik und Buster. Allein deswegen lohnt sich der Abend. Aber wie ich immer sage, dies hier ist meine Meinung, man sollte sich das Stück immer einmal selber ansehen, denn auf jeden wirkt die Vorstellung anders. Und – ich erinnere gerne nochmal daran – die Platzwahl sollte mittig und mindestens ab Reihe 10 liegen.
Text: Nathalie