Musicalwinter Hameln 2024/25 – DIE PÄPSTIN – Neuinszenierung

„Da ist so viel mehr…“

© Peter Scholz

Premiere & rezensierte Vorstellung: 14. Dezember 2024

Am 14. Dezember 2024 feierte Spotlight Musicals zum 10. Mal in der Rattenfängerstadt Hameln mit einem ihrer Musicals Premiere. Bereits zum vierten Mal reiste das Team mit der PÄPSTIN an, allerdings zum ersten Mal in der Neuinszenierung von Gil Mehmert. Eine Inszenierung mit einem neuen Blick auf die Geschichte, die manches Bild wie im Film wirken lässt und die historisch bestätigten Charaktere etwas mehr in den Fokus rückt. 

Die HMT, als Veranstalter vor Ort, hatte das Theater und das angrenzende Weserberglandzentrum liebevoll dekoriert und in Szene gesetzt. So durfte der Rote Teppich nicht fehlen, aber auch das Theater wurde in diesem Jahr rot angeleuchtet und zeigte dem Premierenpublikum den Weg.

(c) Michael Werthmüller

Die Romanvorlage von Donna W. Cross erfreut sich nach wie vor großer Beliebtheit und der darin aufgearbeitete Mythos um eine Päpstin Johanna beschäftigt auch bis heute die Geschichtswissenschaft. Vieles spricht im Forschungsdiskurs mittlerweile dafür, dass es Johanna gegeben haben muss, allerdings fehlen nach wie vor ausreichende Quellen. Fakt ist, dass die offizielle Papstchronik eine Lücke aufweist und zu dieser Zeit lebte auch ein gewisser Anastasius, der immer wieder daran scheiterte Papst zu werden. Diese Erkenntnisse der letzten Jahre der Geschichtswissenschaft haben anscheinend zu dem ein oder anderen neuen Blick auf die Geschichte geführt. 

Wer DIE PÄPSTIN noch nie gesehen hat, der erlebt eine neue, flotte Vorstellung. Wer hingegen die Urversion bereits kennt, der kommt am Anfang vielleicht ein wenig ins straucheln. Denn in der Neuinszenierung wurden durch Kevin Schroeder Szenen umgestellt, gestrichen oder komplett neu entwickelt, ebenso Dialoge verändert oder Songtexte überarbeitet, sowie neue Songs („Wächter der Nacht“, „So viel mehr“, „Ein Paradies auf Erden“) entwickelt.

Das neue Bühnenbild (Christopher Barreca), die neuen Kostüme (Claudio Pohle) und die neuen Choreografien (Andrea Kingston) sowie ein neues Ensemble tun ihr übriges, um in eine völlig neue Welt einzutauchen. Es ist alles etwas schlichter, teilweise auch dunkler, was aber das ausgeklügelte Lichtdesign betonen kann. Für die farblichen Akzente sorgen in der Neuinszenierung ganz klar die Kostüme. Auf die Handlung verzichten wir an dieser Stelle (Die Päpstin – Infoseite) und wollen unser Augenmerk viel mehr auf die Inszenierung und ihre Akteure lenken.

© Andrea Mudrak

Johanna funktioniert nicht ohne ihren Widersacher Anastasius und ihren Beschützer Gerold und so verwundert es nicht, dass Gil Mehmert genau diese Umstände gekonnt in Szene setzt. Ebenso funktionierte im alten Rom nichts ohne eine gewisse „Cäsarin von Rom“ und so bekommt Marioza ein paar mehr szenische Anteile als man es vielleicht bisher kannte.

© Michael Werthmüller

Johanna wird beim Musicalwinter Hameln erstmals von Verena Mackenberg verkörpert. Nach einer intensiven Probenzeit schafft es Mackenberg am Premierenabend das gesamte Publikum von sich zu überzeugen. Dennis Martin hat der Hauptfigur Johanna mit „So viel mehr“ eine weitere Hymne komponiert, die der gesamten Geschichte noch mehr Tiefe gibt und welche Mackenberg fantastisch präsentiert. Mit Gerold-Veteran Mathias Edenborn harmoniert Mackenberg perfekt. Vor allem im zweiten Akt kann Mackenberg mit ihrer gefühlvollen Stimme bei „Einsames Gewand“ und „Das bin ich“ das Publikum berühren. Wir sind gespannt auf die weitere Entwicklung ihrer Johanna. Bis zum 3. Januar kann man Verena Mackenberg noch als Johanna erleben (am 4./5. Januar übernimmt Lina Gerlitz).

Mathias Edenborn begleitet DIE PÄPSTIN seit der Uraufführung. In fast jeder Spielzeit in Fulda war er dabei, in Hameln verkörperte er in allen Spielzeiten Gerold. Seine gefühlvolle Stimme berührt nicht nur im Gesang, sondern auch in den Dialogen. „Ein Traum ohne Anfang und Ende“ wurde neu in Szene gesetzt und berührt zutiefst, aber auch die neue „Wehrlos Reprise“ lässt die Liebe zwischen Johanna und Gerold noch emotionaler wirken. 

Anastasius wird erstmals von Thomas Hohler interpretiert. Bereits bei ROBIN HOOD konnte er als Guy von Gisbourne beweisen, dass er auch Böse kann. Als Anastasius scheitert er immer wieder an Johannes Anglicus und jeder seiner perfiden Pläne scheitert. Anastasius Szenenanteile wurden neu arrangiert und so wirkt es, dass diese wichtige Rolle neben Johanna mehr in den Fokus gerückt wird. Zusätzlich hat auch Anastasius ein eigenes Solo mit „Paradies auf Erden“ bekommen, welches Hohler gekonnt intoniert und damit auf ganzer Linie überzeugt.

© Michael Werthmüller

Auch Anke Fiedler als Marioza erhält in der Neuinszenierung mehr Szenenanteile. Dies könnte der Tatsache geschuldet sein, dass eben jene fiktive Figur der Romanvorlage die Schattenpäpstin „Marozia“ zum Vorbild hatte. Die historisch belegte Person Marozia war ähnlich wie Marioza für ihre Geschäfte im Hintergrund/Untergrund bekannt. Fiedlers starke Stimme brilliert bei „Cäsarin von Rom“.

André Bauer nimmt als Rabanus einen größeren Raum ein als in der Urversion. Rabanus begleitet Johanna auf ihrem Weg von Dorstadt bis nach Fulda. Ihm ist im Kloster Fulda schnell klar, wen er dort vor sich hat als Johannes Anglicus. Bauers „Hinter hohen Klostermauern“ ist brillant und sorgt für anhaltenden Applaus am Premierenabend. Auch bei den Ensembleparts schlüpft Bauer in die unterschiedlichsten Rollen und schafft mit dem neuen Epilog an der Seite der jungen Johanna Darstellerin Luna einen emotionalen Schluss mit Tiefgang.

© Michael Werthmüller

Das Ensemble strotzt vor Spielfreude und jede/r Einzelne/r weiß seine Solomomente zu nutzen. Sei es Caroline Zins zu Beginn als Mutter Gudrun, die mit ihrer gefühlvollen Stimme es wieder schafft einen zu Tränen zu rühren oder Joyce Diedrich, die als „Ziehmutter“ Richild die Betrogene ist und Johanna zutiefst verabscheut. Diedrich kann dabei mit einem sehr starken Schauspiel punkten! Auch Lina Kropf hat als geheimnisvolle Wahrsagerin beeindruckende Momente. 

Bei den Herren kann z.B. Pascal Schmid in kleinen Soloparts bei „Ewiges Rom“ auf sich aufmerksam machen oder Tobias Korinth als Kaiser Lothar im Zusammenspiel mit Thomas Hohler starke Akzente setzen als gedemütigter Kaiser. Maximilian Vogel kann mit seiner warmen Stimme als Diakon auf sich aufmerksam machen und Thomas Christ zeigt wieder einmal seine Wandelbarkeit innerhalb eines Stückes vom eher bösen Ratgar zum einfühlsamen Lando.

Die neuen musikalischen Arrangements lassen einige Songs bombastischer, aber auch mystischer wirken. An dieser Stelle darf das Sounddesign, welches beim Deutschen Musicaltheaterpreis 2024 in dieser Kategorie ausgezeichnet wurde, nicht unerwähnt bleiben. Max Becker und Fabian Kampa ist es auch im Theater Hameln gelungen einen rundum guten Sound zu schaffen. Egal wo man im Theater sitzt, der Sound ist selten zu laut und schon gar nicht zu leise.

© Michael Werthmüller

Die Neuinszenierung der PÄPSTIN ist kurzweiliger, mystischer und stärker und hat zurecht den Deutschen Musicaltheaterpreis 2024 als „Bestes Revival“ erhalten. Die Bedeutung der Frau im frühen Mittelalter wird gekonnt in Szene gesetzt. Auf der einen Seite Marioza, die mit ihrem Berufsfeld weiß wie man mitregieren kann im alten Rom und auf der anderen Seite Johanna, welche typisch für das Mittelalter durch die Kleidung eine andere Identität einnimmt (auch Cross Dressing genannt) und damit für Gerechtigkeit kämpft. Der hoffnungsvolle Ausblick am Ende rahmt die Legende einer Päpstin Johanna und regt dazu an, darüber nachzudenken, dass es eben nicht immer so war, dass Mädchen zur Schule gehen oder in Führungspositionen arbeiten dürfen.

Der Musicalwinter Hameln 2024/25 läuft noch bis zum 05. Januar 2025. Tickets gibt es an allen bekannten VVK-Stellen, sowie vor Ort an der Theaterkasse oder in der Touristen-Information. Bis zum 30. Dezember kann vor dem Theaterbesuch noch der Weihnachtsmarkt in der historischen Altstadt besucht werden.

Sitzplatztipps: Wer groß ist oder Probleme mit den Beinen hat, sollte sich Plätze im Parkett suchen und den Rang im Theater Hameln meiden. Außerdem sind die Reihen A, 1 – 3 auf einer Ebene. Erst ab der 4. Reihe im Parkett steigt jede Reihe an. Das neue Bühnenbild, sowie die neue Tontechnik ermöglichen von jedem Platz eine gute Sicht. Generell empfiehlt es sich beim ersten Besuch die hinteren Reihen zu wählen für einen guten Überblick. 

Impressionen des Abends

Premierenbesetzung

  • Johanna: Verena Mackenberg
  • Gerold: Mathias Edenborn
  • Anastasius: Thomas Hohler
  • Arsenius/ Fulgentius: Frank Bahrenberg
  • Vater/ Papst: Sebastian Lohse
  • Rabanus/ Candida: André Bauer
  • Gudrun/ Ensemble: Caroline Zins
  • Marioza: Anke Fiedler
  • Lothar/ Ensemble: Tobias Korinth
  • Ratgar/ Lando: Thomas Christ
  • Wahrsagerin/ Ensemble: Lina Kropf
  • Richild/ Ensemble: Joyce Diedrich
  • Johannes/ Ensemble: Jana Band
  • Lucia/ Ensemble: Sofia Elena Coretti
  • Benedikt/ Ensemble: Jenny Schlensker
  • Römerin/ Ensemble: Raphaela Pekovsek
  • Diakon/ Ensemble: Maximilian Vogel
  • Johannes/ Ensemble: Alexander Karger
  • Rudolph/ Ensemble: Markus Wilhelm
  • Rabe/ Ensemble: Sascha Laue
  • Musikant/ Ensemble: Pascal Schmid
  • Normanne/ Ensemble: Robert Johansson

Wir bedanken uns bei der Hameln Marketing & Tourismus GmbH für die Einladung!


Artikel von Anna-Virginia


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