Miss Saigon 2022 in Wien

Große Gefühle im renovierten Raimundtheater

Premiere: 23. Januar 2022

Am 11. Juni 2022 durfte ich nach einigen Verschiebungen, dank Corona endlich die Abendvorstellung von Miss Saigon im Raimundtheater Wien besuchen. Für mich eine Premiere, kenne ich zwar die Musik schon seit meiner Kindheit/Jugend von der Stuttgarter CD Aufnahme, hatte das Stück aber leider noch nie live auf einer Bühne gesehen.

© Johann Persson

Das Stück beginnt zur Zeit des Vietnamkrieges in einem Nachtclub in Saigon. Amerikanische Soldaten vergnügen sich dort und suchen Ablenkung vom Kriegsalltag. Die jungen vietnamesischen Frauen hoffen darauf, dass einer der Soldaten sich in sie verliebt und sie mit in die USA nimmt, raus aus dem Elend Saigons. Die junge Kim (Aynrand Ferrer) hat ihren ersten Tag im Nachtclub, nachdem sie aus ihrem komplett zerstörten Heimatdorf geflohen ist und alles verloren hat. Sie ist sehr verängstigt, verklemmt und schüchtern, was dem Boss des Clubs, dem sogenannten Engineer (Christian Rey Marbella) gar nicht gefällt. Er drängt sie dazu, sich an die amerikanischen Soldaten ranzumachen. Der Soldat John (Gino Emnes) und sein Kumpel Chris (Oedo Kuipers) entdecken sie und Chris fühlt sich sofort von ihr angezogen, will aber das Geschäft mit den Frauen nicht unterstützen. John bekommt das mit und bezahlt den Engineer dafür, dass Kim eine Nacht mit Chris verbringen soll und überredet Chris mit ihr zu gehen. Nach der geneinsamen Nacht fühlen sich Kim und Chis so zueinander hingezogen, dass sie sich ihre Liebe gestehen. Chris möchte ein paar Urlaubstage nehmen, um Zeit mit Kim zu verbringen, am Telefon erklärt John ihm aber, dass Eile geboten sei, weil Saigon kurz vor dem Fall stünde und so kauft Chris erst mal Kim aus ihren Verpflichtungen beim Engineer frei. Die Mädchen aus dem Nachtclub wollen die Liebe von Kim und Chris segnen und vollziehen eine Art Hochzeitszeremonie, bei der plötzlich Thuy (James Park) erscheint, der Mann dem Kim versprochen wurde. Nachdem sie ihn zurückweist, verflucht er sie, verschwindet wutentbrannt und Chris beschließt daraufhin Kim mit nach Amerika zu nehmen.

© Johann Persson

Jahre später, nach dem Fall Saigons will Thuy, der mittlerweile ein mächtiger Kommissar ist, Kim wiederfinden und lässt dafür den Engineer aus einem Straflager heranschaffen und beauftragt diesen Kim für ihn zu finden. Kim lebt mittlerweile in einem Flüchtlingslager und klammert sich an der Hoffnung fest, Chris wiederzusehen. Dieser ist aber in Amerika mittlerweile mit Ellen (Abla Alaoui) verheiratet. Dann taucht der Engineer zusammen mit Thuy bei Kim auf, der sie zur Ehe zwingen will. Um ihn abzuschrecken zeigt sie ihm Tam (Steven Ablog), ihren gemeinsamen Sohn mit Chris. Dadurch will Thuy sich aber nicht aufhalten lassen und versucht Tam zu töten, worauf Kim Thuy in ihrer Verzweiflung erschießt und mit Tam die Flucht ergreift. Dann begegnet Kim dem Engineer wieder und dieser gibt sich als Tams Onkel aus, um Tickets für die Flucht nach Bangkok zu besorgen.

Credit: Johan Persson

John arbeitet mittlerweile für eine Initiative, die sich um die Bui Doi kümmert, die Kinder amerikanischer Soldaten mit vietnamesischen Müttern und so entdeckt er, dass auch Chris einen Sohn hat und drängt diesen dazu, gemeinsam mit Ellen, nach Bangkok zu reisen. John reist mit Ellen und Chris nach Bangkok und begegnet dort dem Engineer wieder, der mittlerweile als Anwerber für einen Nachtclub arbeitet und auch Kim arbeitet in demselben Nachtclub. Kim ist voller Freude, als sie hört, dass Chris in Bangkok ist und John bringt es nicht übers Herz ihr die Wahrheit zu sagen, dass Chris verheiratet ist.

Während der Engineer nach Chris´ Hotel sucht, wird Kim von ihren traumatischen Erinnerungen übermannt, als Chris ein Visum für sie besorgt hatte, aber nicht mehr genug Zeit blieb sicher abzureisen und tausende Menschen die Botschaft der USA bestürmten, so auch Kim, die versuchte zu Chris durchzukommen und er auch zu ihr, aber sie schafften es nicht und so konnte Kim nur noch mit ansehen wie Chris mit dem letzten Hubschrauber Saigon verlassen musste und sie blieb weinend zurück. Aber als sie aus diesem Alptraum erwachte, erinnert sie sich auch wieder an die glücklichen Zeiten mit Chris und nachdem ihr der Engineer die Adresse von Chris´ Hotel gegeben hat, macht sie sich sofort auf den Weg dorthin, trifft dort aber nur auf Ellen, die ihr erzählt, dass Chris mittlerweile mit ihr verheiratet ist. Kim möchte trotzdem, dass die beiden Tam mit in die USA nehmen, um ihm ein schöneres, sicheres Leben zu ermöglichen, aber Ellen lehnt ab, weil sie Tam nicht von seiner Mutter trennen will und auch mit der ganzen Situation überfordert ist. Daraufhin stürmt Kim wütend davon. Als Chris zurückkehrt streiten Ellen und er heftig, weil Ellen ihm vorwirft, dass er sie belogen hat und Kim doch mehr für ihn war, als er je zugeben wollte, aber Chris öffnet sich ihr daraufhin zum ersten Mal so richtig, sie sprechen sich aus und versöhnen sich wieder. Gemeinsam beschließen sie, dass sie Kim und Tam in Bangkok finanziell unterstützen wollen. John äußert aber seine Zweifel, dass er nicht denkt, dass Kim das akzeptieren wird.
Kim packt ihre Sachen und bereitet Tam darauf vor, dass er gleich seinen Vater treffen wird und mit ihm gehen wird. Der Engineer bringt Tam zu John, Chris und Ellen. Währenddessen setzt die alleingelassene  Kim das, was sie als einzige Möglichkeit sieht Tam das glückliche Leben in den USA zu ermöglichen, in die Tat um…

© Johann Persson

Die Inszenierung des Raimundtheaters ist sehr imposant, ein aufwendig und detailreich gestaltetes Bühnenbild entführt den Zuschauer in die verschiedenen Szenarien des Nachtclubs in Saigon, Kims Zimmer, der amerikanischen Botschaft, dem Nachtclub in Bangkok, dem Flüchtlingslager und einiges mehr. Besonders spektakulär ist die Szene der Abreise der Amerikaner aus Saigon dargestellt, in der ein Hubschrauber in realer Größe auftaucht und dem Zuschauer durch geschickt eingesetzte Lichteffekte sogar suggeriert wird, dass dieser zum Ende der Szene über das Publikum hinwegfliegt.

Auch das rund 30-köpfige Ensemble und das Orchester waren beeindruckend und haben das wundervolle Erlebnis bei dieser Show perfekt abgerundet. Aynrand Ferrer und Oedo Kuipers harmonierten stimmlich sehr gut und ließen den Zuschauer auch ihre tragische Geschichte richtig emotional mitfühlen. Christian Rey Marbella als Engineer war stellenweise leider schwer zu verstehen, man musste sich erst etwas an den Akzent gewöhnen, aber stimmlich und schauspielerisch verkörperte er die Rolle richtig toll. Gino Emnes harmonierte auch gut mit Oedo Kuipers als Kameraden und konnte bei seinen Gesangsparts überzeugen. James Park als Thuy brachte vor allem den autoritären Kommissar sehr überzeugend und angsteinflößend rüber. Abla Aloui begeisterte mit ihrer tollen Stimme als Ellen, vor allem das Duett mit Kim berührte sehr. Und nicht zu vergessen der kleine Steven Ablog als Tam, dessen Rolle zwar keine Sprech- und Gesangsparts hat, der es aber trotzdem geschafft hat, den Zuschauer seine Geschichte und Emotionen mitfühlen zu lassen.

Credit: Johan Persson

Das Stück ist, passend zur Geschichte, geprägt von wunderschönen, emotionalen Balladen wie “Oh Gott, warum?”, “Sonne und Mond”, “Die letzte Nacht der Welt”, “Ich glaub daran”, “Für dich geb ich mein Leben her” und “Einmal noch”, aber auch schwungvolle, imposanten Nummern wie “Die Nacht ist heiß in Saigon”, “Der Siegeszug des Drachens” und “The american dream” reißen den Zuschauer mit und bleiben im Gedächtnis.

Miss Saigon ist wirklich ein beeindruckendes, sehr aufwendiges Stück und absolut sehenswert. Schade, dass die Spielzeit schon wieder zu Ende geht. Bis zum 25. Juni 2022 hat man noch die Chance das Stück in Wien zu sehen.


Artikel von Claudia