La cage aux folles – Ein Käfig voller Narren am Theater Nordhausen 2024
“Ich bin, was ich bin”
Premiere: 12. April 2024 – rezensierte Vorstellung: 04. Mai 2024
Das Stück LA CAGE AUX FOLLES nach der literarischen Vorlage von Jean Poiret und den Liedtexten/Kompositionen von Jerry Herman – 1983 am Broadway uraufgeführt – ist nach wie vor brandaktuell. Das Interesse in Nordhausen war groß und die Vorstellung am 04.05.2024 ausverkauft, sowie alle weiteren in dieser Spielzeit.
Die Spielstätte des Theaters Nordhausen befindet sich derzeit in dem im September 2023 in Betrieb genommenen Erweiterungsbau und bietet dort die Möglichkeit, den Spielbetrieb während der Sanierung des Haupthauses weiterzuführen. Es entstand ein Saal mit 321 Plätzen, dessen Herzstück eine Drehbühne mit unterteilbarer Trennwand ist. Diese Drehwand mit teilweise gegenläufigen Drehteilen ermöglicht einen schnellen Wechsel in andere Spielräume. Dies wurde im Musical EIN KÄFIG VOLLER NARREN geschickt genutzt, um möglichst viele Spielorte auf die Bühne zu bringen und mit den Elementen darauf immer wieder neue Räume und Durchgänge zu schaffen. Sehr gelungen! Das Orchester hatte auf der Hinterbühne Platz genommen und sorgte für einen satten Sound, der live über Lautsprecher in den Saal übertragen wurde. Die Bühne wurde durch eine hervorragende Lichttechnik in Szene gesetzt, unter anderem durch ein Lichtband rund um die Bühne, das einen Bilderrahmeneffekt erzeugte. Auch der Saal wurde in das Lichtkonzept mit einbezogen, so dass die Zuschauer das Gefühl hatten, sich tatsächlich in „La Cage aux Folles“ zu befinden.
Beide Akte wurden mit einem Orchesterstück eingeleitet, danach konnte das spielfreudige Ensemble richtig Gas geben. Die optisch absolut gelungenen und hochwertigen Kostüme wurden von Pascal Seibicke entworfen, der auch für die Bühne verantwortlich zeichnete. Getragen von diesen toll choreographierten Ensemblenummern konnte sich das Stück entfalten und seine Botschaft von Toleranz und Respekt ohne allzu erhobenen Zeigefinger treffend an den Zuschauer bringen.
Worum geht es? Albin (Zaza) und Georges betreiben den Club “La Cage aux Folles” in dem Zaza der gefeierte Star ist und dort als Drag Queen auftritt. Georges und Albin sind seit 20 Jahren ein Paar und führen neben dem Glanz und Glamour des Nachtclubs ein ganz normales Familienleben mit den Tücken des Alltags, wie sie jeder kennt. Die Situation gerät aus den Fugen, als Georges Sohn Jean-Michel seine Liebe Anna heiraten will. Vor der Hochzeit sollen sich die Eltern der beiden kennen lernen. Annas Vater ist stellvertretender Vorsitzender der Partei für Tradition, Familie und Moral und passt so gar nicht in die Welt von Albin/Zaza und Georges. Deshalb verlangt Jean-Michel, dass nicht nur die Wohnung umgestaltet wird – nein, auch Albin soll nicht auftauchen. Stattdessen seine leibliche Mutter, die keinen Kontakt mehr zu ihrem Sohn hat. Albin, der sich all die Jahre um Jean-Michel gekümmert hat, ist schwer getroffen, dass dieser ihn nun verleugnen will. Auch Georges gerät dadurch in einen starken Konflikt und sein Vorschlag, Albin zu „Onkel Al“ zu machen, soll die Situation retten. Doch es kommt anders – Jean-Michels Mutter sagt ab und um ihm die Enttäuschung und Blamage zu ersparen, verwandelt sich Albin und übernimmt die Rolle der Mutter. Natürlich fliegt der Schwindel auf und Annas Eltern sind entsetzt. Doch mit einigen Tricks gelingt es, die Hochzeit zu retten.
Im Laufe der Geschichte kommen die Figuren an den Punkt, an dem sie sich entscheiden müssen, wer sie sind und wie viel sie davon aufgeben wollen, um ihre Lieben nicht zu verletzen oder ihnen zu helfen. Der Song „Ich bin, was ich bin“ trägt das Stück mit seiner Botschaft. Aber wie weit ist man bereit, sein eigenes ICH zu verleugnen oder zu verbiegen? Wer darf das verlangen oder ist das zu viel? Ist sich derjenige bewusst, was er da verlangt? Als Georges zu Albin sinngemäß sagt: „Das ist eine Geschichte, über die wir später lachen werden“ ist dieser sich nicht bewusst, wie verletzt und enttäuscht Albin in diesem Moment ist. Und genau diesen Konflikt bringen die Hauptcharaktere so punktgenau auf die Bühne, dass der Zuschauer mitleidet, aber dennoch beide Seiten versteht und die Beweggründe nachvollziehen kann.
Vor allem Albin und Georges spielen ihre Rolle als Paar stark, mal schrill und bunt im Rampenlicht und so herrlich normal und verletzlich zu Hause. Für sie steht das Wohl „ihres“ Kindes im Vordergrund und so sind sie bereit über ihren Schatten zu springen. Währenddessen muss Jean-Michel erkennen, wie groß seine Bitte doch war und welchen Fehler er damit begangen hat. Dabei entstehen sehr emotionale Momente – leise / laut / verletzlich / stark.
Albin /Zaza wird großartig dargestellt von Gaines Hall. Er zeichnet ein sehr feines Profil der Zaza hinter der großen Glitzernummer bis zu einer sehr sensiblen verletzlichen Person und bringt das absolut überzeugend auf die Bühne. Gesanglich und schauspielerisch ist das ein absolutes Highlight. Gaines Hall zeichnet sich außerdem noch verantwortlich für die Steppchoreographie und drückt dieser gekonnt seinen Stempel auf.
Marian Kalus verkörpert den stimmgewaltigen Georges, dem man seine klassische Herkunft sofort anhört, mit einer gelungenen Mischung aus starker Präsenz, viel Einfühlungsvermögen und der Zerrissenheit zwischen all den familiären Problemen. Als Paar harmonieren die beiden wunderbar, sowohl zwischenmenschlich als auch stimmlich.
Florian Tavic und Yuval Oren sind Jean-Michel und Anna. Tolle Stimmen die auch schauspielerisch sehr gefallen.
Die Inszenierung wird getragen von einem sehr präsenten und spielfreudigen Ensemble – die Les Cagelles. Hier gelingt es jedem seinen eigenen Charakter und Platz in dieser Gemeinschaft zu geben und tolle Choreographien auf die Bühne zu bringen. Mit dem Ballett den TN LOS! und einigen Gästen wurde dieser Part sehr stark umgesetzt.
Die Inszenierung in Nordhausen schafft es das Thema der LGBTQIA+ Community mit sehr viel Fingerspitzengefühl und Wertschätzung des Einzelnen zu zeigen. Dabei spielen die Werte innerhalb einer Familie, die Achtung des Einzelnen und die Toleranz eine sehr große Rolle. Dabei kommt man ohne erhobenen Zeigefinger und Überzeichnung aus, sondern zeigt Menschen in ihrer Verletzlichkeit und ihrem Streben nach Harmonie in der Familie – egal aus welchen Teilen sie besteht.
Cast & Crew
- Musikalische Leitung: Julian Gaudiano
- Inszenierung, Choreografie: Ivan Alboresi
- Bühne, Kostüme: Pascal Seibicke
- Steppchoreografie: Gaines Hall
- Choreinstudierung: Markus Fischer
- Dramaturgie: Dr. Juliane Hirschmann
- Georges, Besitzer des Nachtclubs »La Cage aux Folles«: Marian Kalus
- Albin (»Zaza«), Georges Lebensgefährte: Gaines Hall
- Jean-Michel, Georges Sohn: Florian Tavic
- Jacob, Butler: Thiago Fayad
- Jaqueline, Besitzerin des Restaurants »Chez Jaqueline«: Uta Haase
- Anne Dindon, Jean-Michels Verlobte: Yuval Oren
- Edouard Dindon, Annes Vater: Thomas Kohl
- Madame Dindon, Annes Mutter: Anja Daniela Wagner
- Les Cagelles, Travestiekünstler im Nachtclub
- Chantal: Christopher Wernecke
- Hanna: Arvid Johansson
- Mercedes: Jürgen Strohschein
- Phaedra: Tilman Patzak / Chris Roosenburg
- Angelique: Thomas Tardieu / Leigh Alderson
- Dermah: Chris Roosenburg / Nathaniel Nilsson
- Nicole: Martina Arena / Elisa Ruffato
- Odette: Gianmarco Martini Zani / Nathaniel Nilsson
- Babette: Otylia Gony / Rina Hayashi
- Clo-Clo: Rachele Cortopassi / Veronica Biondini
- Madame Renaud, Besitzerin des Promenadencafés: Anett Wernicke
- Monsieur Renaud: Matthias Röttig
- Opernchor des Theaters Nordhausen
- Ballett TN LOS!
- Loh-Orchester Sondershausen
Impressionen vom Schlussapplaus
Wir bedanken uns beim Theater Nordhausen für die Einladung!
Artikel von Claudia K.