Interview mit Thorsten Riehle
Über das Capitol Mannheim und seine Arbeit
Der ehemalige Mannheimer Lichtspielpalast wurde 1995 für zwei Jahre geschlossen, bis schließlich 1997 Thorsten Riehle das Theater als Geschäftsführer übernahm. Seit dem erfreut sich das Capitol immer größerer Beliebtheit.
Herr Riehle, vielen Dank, dass Sie sich für unser Internetportal, Bühnenlichter.de, die Zeit nehmen ein paar Fragen zu beantworten.
Fangen wir doch gleich mit der Nachricht des Jahres an: Das Capitol kauft das Capitol. Mit der Kampagne „Aus unserem Haus wird „unser“ Haus“ sind Sie momentan auf Spendengesuch, um 500.000,00 Euro für Sanierungen und weiteres zusammen zubekommen.
Wie zufrieden sind Sie mit dem Zuspruch der Freunde und Besucher des Capitols? Haben Sie mit so einer großen Beteiligung gerechnet, dass fast die Hälfte nach bereits vier Monaten erreicht wurde?
Das ist ein enorm tolles Signal. Nicht nur die heimische Wirtschaft hat mit großen Beträgen dafür gesorgt, dass diese Summe zusammengekommen ist, auch viele Privatpersonen haben gespendet. Auffällig dabei war, dass die einzelne private Spende mit bis zu 2.500 Euro außergewöhnlich hoch war. Das ist nicht nur ein Zeichen dafür, dass die Spender uns ihr Geld guten Gewissens anvertrauen, sondern auch, dass sie verstehen worum es geht. Es steht ja enorm viel auf dem Spiel, wenn wir das Haus nicht weiter betreiben könnten. Zum Jahresende wird es im Übrigen nicht nur die Hälfte, sondern mit rund 400.000 Euro 4/5 der anvisierten Summe sein.
Momentan werden hier viele Konzerte von Künstlern wie Silly, Joy Fleming und natürlich Xavier Naidoo, Comedy Veranstaltungen und auch Musicals wie Hair und Show wie „I want ist all“ gespielt. Wie wird es mit dem Capitol weiter gehen. Bleiben Sie diesem Konzept treu?
Ja, natürlich. „Never change a winning team“ oder in unserem Fall „Never change a winning Spielplan“. Die Kombination aus Tourveranstaltungen, Comedy und Konzerten mit den Eigenproduktionen ist genau das, was das Capitol einzigartig macht. Konzerte können überall stattfinden, dazu braucht es nicht das Haus. Aber unsere eigenen Produktionen auf die Bühne zu bringen und dazu noch konsequent ein Kindertheater zu bespielen, gehört zu der großen Stärke unseres Teams und hat uns über Mannheim hinaus bekannt gemacht.
Seit über einem Jahr läuft sehr erfolgreich „Hair“ im Capitol, am 28. Juli 2017 wird es mit „Im weißen Rößl“ eine weitere Musical-Premiere geben. Werden wir in Zukunft mehr Musicals im Capitol sehen?
Musical hat es bei uns schon immer gegeben. Immerhin haben wir es dem „Kleinen Horrorladen“ überhaupt zu verdanken, dass wir hier sind. Auf der Suche nach einer passenden Location haben Ralph Kühnl, Mike Haymann und ich 1997 das damals geschlossene Capitol entdeckt und wieder eröffnet. „Blutsbrüder“, „Cabaret“ und „Bal au Moulin Rouge“ sind gefolgt. Und nachdem wir ein paar Ausflüge zu Musik-Shows wie „I want it all“, „Here comes the Sun“ oder „Sweet Dreams of the 80s“ gemacht haben, sind jetzt wieder die theatralischen Stücke auf dem Programm – und das soll auch gerne so bleiben.
Neben „Im weißen Rößl“ feiert am 04. Februar 2017 bereits „Karl Drais – Die treibende Kraft“ Premiere. Was können die Zuschauer von diesem neuen Stück erwarten?
Eine spannende Geschichte, jede Menge gute Musik und ein tolles Ensemble – so wie quasi bei allen unseren Produktionen. Dafür stehen Georg Veit, der das Buch schreibt und Regie führt, Michael Herberger und Rino Galiano, die gemeinsam tolle Musik zu Papier gebracht haben.
In diesem Jahr (Interview ist vom Dezember 2016, Anm. d. Red.) gab es kein neues Stück, sondern man hat sich auf viele kleine Konzerte mit teilweise ernsten und aktuellen Problemen konzentriert. Wer hatte die Idee dazu?
Wir hatten einfach zu viele gute und wichtige Themen. Zum einen hat sich der Todestag von Freddie Mercury gejährt, zum anderen wollte ich unbedingt die Musik von vielen verstorbenen Größen des Rock- und Pop Business zusammenfassen. Dann war das Thema Flüchtlinge immer groß – und Geburtstag hat das Haus eben auch noch. Hausregisseur Georg Veit hat dann vorgeschlagen den „4 Klang“ zu machen. Wenn er gewusst hätte, was da auf ihn zukommt, ich glaube er hätte es gelassen. Aber alle Konzerte waren bislang gut bis sehr gut besucht und sowohl das Tribute Konzert für Freddie als auch „Dead Mens Poetry“ wird im nächsten Jahr wiederholt. Das ist nachhaltige Arbeit.
Das moderne (Musik-)Theater ist vielfältig. Welche Genres bevorzugen Sie und können Sie Ihre persönlichen Vorlieben in die Gestaltung der Programme/ Shows mit einbinden?
Wir sind kein Haus für philharmonische oder klassische Produktionen, das geht weder vom Kostenrahmen noch hätten wir Platz für ein Orchester. Außerdem haben wir eine Bühne, die kaum wandlungsfäig ist, weil uns Bühnentürme und sonstige Konstruktionen fehlen, die ein normales Theater vorhält. Das schränkt uns in der Stückauswahl deutlich ein und spielt eine sehr große Rolle. Dann ist es sicherlich so, dass wir mit den Rock-affinen Themen deutlich besser auf unser Publikum eingehen können. Dass uns allen genau auch diese Musikrichtung passt ist ja kein Zufall. Wir haben es halt über Jahre hinweg verstanden, das Publikum hier an uns zu binden, das wie wir tickt. Eine tolle Symbiose. Insofern bin ich gespannt, wie der Zuspruch zum Rössl sein wird. Aber man muss halt auch etwas riskieren, sonst wäre es ja langweilig.
Wie können sich die Leser/ Zuschauer die Entstehung einer Produktion wie „I want it all“, „Sweet Dreams of the 80s“ oder „The wolf with the red roses“ vorstellen? Wie lange dauert die Entstehung von der Idee bis zur Premiere?
Zunächst einmal gibt es die Verständigung zwischen dem Kreativteam um Georg Veit und mir über ein Thema. Da ist im Ideentopf – und zum Schluss bleiben zwei oder drei Ideen übrig, die sich dann immer mehr auf das eine Thema konzentrieren. Übrigens binden wir in der Phase auch Darsteller und das Technikteam im Haus mit ein – einfach, um zu schauen, ob wir da eine gemeinsame Linie hinbekommen. Der nächste Schritt ist profan: Klärung von Rechten. Das kann einige Wochen in Anspruch nehmen, wenn zum Teil überhaupt recherchiert werden muss, ob es Rechteinhaber für die Idee gibt – und die müssen dann überzeugt werden. Die Vorbereitung kann da schnell mal ein- bis eineinhalb Jahre in Anspruch nehmen. Und dann sind wir immer noch nicht überzeugt, ob es das richtige Projekt für uns ist. Das wird ständig hinterfragt, gekoppelt und mit weiteren Kreisen wie dem Capitol Freundeskreis geklärt. Das ist schon ein hartes Stück Arbeit. Für uns ist das aber lebenswichtig, da wir ohne Zuschüsse wirtschaften müssen und so jede Produktion an sich wirtschaftlich stabil sein muss.
Woher nehmen Sie ihre Ideen, um immer wieder mit neuen Shows zu glänzen? Was inspiriert Sie?
Da gibt es vieles: Medienberichte, Figuren der Zeitgeschichte, musikalische Themen oder zeithistorische Anlässe. So haben wir mit unserer „Heldenzeit“ 25 Jahre Mauerfall reflektiert – teilweise in Songs und Zitaten, die so noch nie auf einer Bühne zu hören waren. Eine unglaublich bildstarke Produktion.
Zurückblickend auf die letzten Jahre, welches Stück ist/war Ihr Favorit?
Ohje, das ist schwer zu beantworten. Da gibt es viele verschiedene Produktionen, die alle wichtig waren, weil sie das Haus weiter gebracht haben. „Blutsbrüder“ war sicherlich so eine Produktion, „Hair“ ist es heute. Und dazwischen waren ganz viele andere…
Das gesamte Team von Bühnenlichter.de wünscht Ihnen und ihrer Familie schöne Feiertage!
Von Julia