Interview mit Anja Wendzel

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Singen, Tanzen, auf der Bühne stehen, Geschichten erzählen. War das schon immer dein Traum, oder gab es eine Zeit, in der du einen anderen Beruf ergreifen wolltest?

Ich war immer schon tanz- und singbegeistert. Ich konnte nie stillsitzen; sobald Musik erklang, fing ich an zu tanzen, zu summen und zu lächeln. Das hat sich bis heute nicht geändert. Nachdem ich mein erstes Musical gesehen habe, war mir klar: Das ist es! Ich war begeistert von der Musik, den Darstellern und vor allem von dem, was sie in mir ausgelöst haben! Von da an wusste ich: das macht mich glücklich – das möchte ich machen!

Was macht für dich den besonderen Reiz an den Beruf Musicaldarstellerin aus? Es ist nicht immer ein einfacher und vor allem sicherer Job. Was sind für dich die schönen Seiten deines Berufs?

Das stimmt. Dieser Tatsache muss man sich bewusst sein, wenn man diesen Beruft wählt. Der Beruf besteht nicht nur allein aus dem Glücksmoment der Vorstellung und des Applauses; in Wahrheit ist das ein kleiner Teil. Wie das meiste im Leben, hat auch dieser Beruf natürlich nicht so schöne Seiten. Zu den schönen Seiten gehört definitiv, dass ich das machen kann, was ich so sehr liebe. Ich singe für mein Leben gern, ich tanze bis die Wände wackeln und ich liebe es, Geschichten zu erzählen. Die Menschen von ihrem Alltag abzuholen und in eine andere Welt eintauchen zu lassen, ist für mich eine der schönsten Seiten an meinem Beruf. Jede Medaille hat auch ihre Kehrseite, aber das sehe ich als Herausforderungen, sonst wäre es ja doch zu langweilig. Das Glas ist bei mir immer halbvoll und ich teile es gerne.

Im Jahr 2016 wurdest du bei den „musical1“-Wahlen zur beliebtesten Musicaldarstellerin des Jahres 2016 gewählt, 2017 warst du erneut nominiert, bestimmt eine große Ehre für dich. Hat sich seitdem etwas für dich und dein Leben verändert? Wie ist es, so einen Support von den Fans zurück zu bekommen?

Das war der reinste Wahnsinn! Ich war so hin und weg und bin es noch! Das war eine sehr große Ehre für mich! Durch diese Wahl habe ich das erste Mal bewusst bemerkt, wie viele Menschen hinter mir und meinem künstlerischen Schaffen stehen und mich unterstützen. Solch ein Zuspruch gibt einem Motivation für nicht so leichte Tage. Solch eine Unterstützung zu erfahren, ist etwas ganz Besonderes und nicht selbstverständlich. Dafür bin ich unglaublich dankbar!

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Apropos Fans, egal wo man dich besucht oder antrifft, kümmerst du dich intensiv um deine Anhänger und gibst damit so viel. Siehst du die Arbeit und das Treffen mit den Fans als Teil deines Jobs oder geben auch dir diese Begegnungen etwas zurück? Welche Fanerfahrungen, gute wie schlechte, hattest du schon?

Grundsätzlich habe ich noch keine wirklich negativen Erfahrungen gemacht. Jedoch ist es wichtig – und das gilt generell im Leben – seinem Gegenüber Respekt entgegenzubringen und seine Privatsphäre zu akzeptieren. Da ziehe ich auch ganz klare Grenzen. Nicht, weil ich unhöflich sein möchte, sondern weil Privates einfach privat bleiben soll. Ich habe so unwahrscheinlich viele tolle Fanbegegnungen, da kann ich mich jetzt gar nicht auf ein spezielles festlegen. Das ist ein wahres Geschenk. Es ist unglaublich, wie viel Zeit und Mühen einige Fans auf sich nehmen, um eine Show oder ein Konzert mit mir zu sehen und sich Gedanken machen, wie sie mir eine Freude machen können. Da bin ich oft wirklich überwältigt. Ich finde es einfach schön, nach einer Veranstaltung direkt mit den Zuschauern ein paar Worte zu wechseln. Man hat so die Gelegenheit, die Menschen „hinter dem Applaus“ kennen zu lernen und das ist schön. Klar ist man nach einer Vorstellung müde oder muss manchmal auch schnell weg, aber ich bemühe mich so gut es geht mir für jeden, der mich anspricht, zumindest kurz Zeit zu nehmen.

Kommen wir zu deinem aktuellen Engagement bei TANZ DER VAMPIRE, wo du bereits seit Beginn der Tour, vor fast 2 Jahren, dabei bist. Du betonst immer wieder, dass mit der Rolle der Sarah ein Traum für dich in Erfüllung gegangen ist. Was bedeuten dir das Stück und besonders diese spezielle Rolle?

TANZ DER VAMPIRE ist einfach ein ganz besonderes Musical mit einer Fangemeinde, die ihresgleichen sucht. Dieses Stück als meine erste große En-Suite-Produktion als Ensemblemitglied und Cover Sarah spielen zu dürfen ist großartig. Daher bedeutet dieses Stück für mich, dass ich meinen Traum leben kann und dass ich die richtigen Abzweigungen an den Kreuzungen meines Lebenswegs bisher genommen habe. Genau daran muss ich auch immer beim Gebet denken.

Was denkst du macht den Hype um den Grafen von Krolock und das gesamte Stück bei den Zusehern aus? Warum reißt der Erfolg, deiner Meinung nach, nicht ab?

Hmmm … Ich glaube, das Besondere daran ist bestimmt zum einen die Vielfalt und die stetige Themenaktualität insbesondere der Gier nach einfach allem, oder in Sarahs Fall nach der vermeintlichen Freiheit, die doch in Wahrheit eine neue Gefangenschaft und zwar in der Ewigkeit ist; zum anderen die wunderbaren Ensemblenummern, die emotionalen Solis und Duette. Das großartige Bühnenbild, die tollen Kostüme, das Lichtdesign sowie die verschiedenen Musikstile, angefangen von Rock bis zu klassischen Klängen, ich denke das alles macht TANZ DER VAMPIRE zu dem, was es ist. Und nicht zu vergessen, die wundervolle Synergie aus Komik und Mystik. Da ist einfach für Jedermann was dabei. Vampire haben für uns sterbliche Wesen einfach seit jeher eine gewisse Faszination, die anscheinend nicht tot zu kriegen ist. TANZ DER VAMPIRE hat einfach einen ganz besonderen Zauber.

Du spielst Sarah als Cover, also als Zweitbesetzung, das bedeutet du verkörperst diese Rolle nur ein paar Mal pro Monat. Glaubst du, es macht einen Unterschied in der Intensität und Darstellung der Rolle, ob man sie jeden Tag oder dreimal im Monat spielt?

Ich bin der Meinung, dass jeder Darsteller für sich selbst entscheiden muss, wie intensiv er seine Rolle spielt. Für mich persönlich gibt es keinen Unterschied, ob ich meine Rolle nun 1 Mal oder 8 Mal die Woche spiele. Wenn ich auf der Bühne stehe, gebe ich immer alles. Meinen Vampir spiele ich 8 Mal die Woche. Ich spiele ihn nicht immer gleich, aber ich gebe immer 100 Prozent, denn jeder einzelne Zuschauer verdient es, dass ich für ihn mein Bestes gebe. Das ist sicherlich nicht immer einfach, wir sind schließlich alle nur Menschen und manchmal geht es einem selbst nicht so gut, aber da heißt es diszipliniert und professionell zu sein, denn wenn ich auf der Bühne stehe, habe ich als Darsteller – meiner Meinung nach – die Pflicht das Beste zu geben, um das Publikum in eine andere Welt eintauchen zu lassen.

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Obwohl du dir die Rolle der ´Sarah´ mit zwei anderen Darstellerinnen teilst (Maureen Mac Gillavry und Pamina Lenn) und ´Sarah´ als Rolle natürlich definiert ist, spielt jeder die Rolle um Nuancen anders. Was denkst du macht speziell deine ´Sarah´ aus, auf welche Emotionen, Interpretationen legst du besonders Wert?

Für mich ist es sehr wichtig dem Zuschauer ´Sarahs´ Entwicklung und Vielschichtigkeit zu zeigen; zu zeigen, in welchem Zwiespalt sie sich befindet, sowie ihre Gedanken, welche in der genialen Musik von Tanz der Vampire vertont sind, für den Zuseher sichtbar zu machen. Denn ´Sarah´ durchlebt eine Entwicklung vom naiven Mädchen zur leidenschaftlichen, selbstbewussten Frau, die sich von einem eintönigen Alltag ohne Leben, angezogen durch die Faszination des Unbekannten und angetrieben von ihrer Neugierde, in die Ungewissheit stürzt und schließlich in der vermeintlichen Freiheit, die doch in Wahrheit eine neue Gefangenheit und zwar in der Gefangenheit der Ewigkeit ist, endet.

Seit Tourbeginn im April 2016 sind viele verschiedene Grafen zu euch ins Schloss eingezogen, du durftest also mit vielen verschiedenen Darstellern diese Geschichte erzählen. Wie unterschiedlich ist es mit den einzelnen Menschen hinter der Maske des Krolocks zu arbeiten? Spielt man mit jedem Partner etwas anders?

Auf alle Fälle spielt man mit jedem Partner anders, denn jeder bringt eine neue Dynamik und Energie mit auf die Bühne und ins Zusammenspiel hinein. Genau das ist das Wunderbare daran! So können ehrliche und wahrhaftige Momente entstehen und das macht Theater für mich aus.

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Neben deinem Engagement in der Long Run Produktion „TANZ DER VAMPIRE“ hast du dir mit deinen GenussKonzerten© ein weiteres Standbein aufgebaut. Wie kamst du auf die Idee zu diesen Konzerten und was bedeuten sie für dich? Ist es auch Kontrastprogramm zu der täglich gleichen Show?

Die GenussKonzerte©-Reihe entstand ganz einfach aus der Verbindung von zwei meiner größten Leidenschaften: Musical und guter Küche. Mein oberstes Ziel war es immer, die Kunst zu den Menschen zu bringen. Das Besondere an diesen Konzerten ist, dass die Darsteller sehr persönlich und zum Anfassen nah dem Publikum in einem exklusiven Rahmen gegenübertreten. An diesem Abend wechseln sich einzelne Gängen eines Gourmetmenüs mit verschiedenen Musicalblöcken ab. Ein weiteres wichtiges Merkmal dieser Reihe ist auch die anschließende Autogrammstunde, bei denen wir Darsteller uns immer sehr über persönliche Gespräche freuen. Diese Veranstaltungen sind immer Herzensangelegenheiten und etwas Besonderes für mich.

Ich bin sehr dankbar, dass ich dieses zweite Standbein habe, denn so habe ich eine gewisse Unabhängigkeit und kann abseits von den großen Bühnen mit lieben Kollegen auf eine weitere Weise kreativ sein. Ich liebe diese Abwechslung.

Zum Abschluss wollte ich mich noch einmal an die Künstlerin Anja wenden. Du schreibst auch selbst Songs und komponierst. Ist das ein Teil von dir, den du gedenkst in Zukunft auch noch weiter auszubauen? Hast du vor, eine CD oder vielleicht ein eigenes Musical zu schreiben?

Seitdem ich Gitarre spielen kann, habe ich schon immer Lieder komponiert. Mit 16 Jahren habe ich ein Jugendmusical geschrieben und habe auch die großartige Gelegenheit bekommen dieses auf die Bühne zu bringen. Das war eine besondere Erfahrung. Musik ist mein treuer Begleiter; sie half mir immer durch jede Lebenslage. Ich schreibe sehr viel eigene Musik, doch leider ist momentan sehr wenig Zeit dafür, aber ich arbeite daran.

Liebe Anja, ich danke dir für deine Zeit und dafür, dass du mir die Gelegenheit gegeben hast mehr über den Menschen Anja Wendzel zu erfahren und darüber wie du zu deinem Beruf und deinen Rollen stehst. Ich wünsche dir alles Gute und nur das Beste für deinen weiteren Lebensweg, auf und abseits der Musicalbühne. Mögen wir in Zukunft noch viel von dir sehen und hören!


Interview: Rebecca

Quelle Fotos: @anjawendzelofficial