„Vivaldi – die fünfte Jahreszeit“ – Rezension
Besuchte Vorstellung: 16.06.2017
„Das Leben eines Geigenvirtuosen, Klassik und Musical in einem Stück, eine neue Rolle für Drew Sarich…“ – das alles ist „Vivaldi – Die fünfte Jahreszeit“, das neue uraufgeführte Musical der Wiener Volksoper, welches am 3. Juni 2017 seine Premiere feierte.
Ein Stück von Christian Kolonovits, welcher auch selbst als Dirigent in Erscheinung tritt, und Angelika Messner erwacht unter der Regie von Volksoperndirektor Robert Meyer auf der Bühne zum Leben. „Vivaldi – Die fünfte Jahreszeit“ erzählt die Lebensgeschichte des Komponisten, Virtuosen und „roten Priesters“ Antonio Vivaldi, als Gegenpol dazu wird als Rahmenhandlung die Geschichte einer Mädchenrockband erzählt, welche ihre moderne Musik von der Genialität Vivaldis inspirieren lässt und sich durch die Aufzeichnungen von Paolina Girò auf die Spuren von Vivaldis Leben begibt.
Dessen Geschichte beginnt auf der Bühne der Volksoper eigentlich nahezu am Ende seines Lebens. Er hat nichts mehr komponiert seit ihn seine frühere Geliebte Annina Girò verlassen hat, war sie doch stets sein Star und seine Muse. Noch einmal rafft sich Vivaldi auf und trifft sich mit dem Theatermacher Carlo Goldoni, welcher aus Vivaldis Leben eine opulente Bühnenshow machen will. Vivaldi lenkt ein und erzählt so im Laufe des Stückes Goldoni seine Lebensgeschichte, welche hinter dem begeistert schreibenden Goldoni zum Leben erwacht. Jedoch schreibt dieser einiges um, weshalb die Ereignisse nicht immer auf der Wahrheit beruhen. Schlussendlich findet auch Vivaldi wieder Inspiration und schreib zusammen mit Carlo Goldoni die 5. Jahreszeit. Was dies mit den Mädchen auf sich hat, wird schlussendlich als großes Finale nach Vivaldis Tod preisgegeben…
Am 16. Juni war es auch für mich soweit und ich konnte mir selbst ein Bild von dem neuen Musical machen. Zuerst muss man der Volksoper zu der Besetzung der Hauptdarsteller gratulieren, sowohl Drew Sarich als auch Boris Pfeifer machen als erfahrene Musicaldarsteller ihren Job mehr als gut und erfüllen ihren Charakter auf ganzer Linie. Vor allem Drew Sarich versetzt das Publikum nicht nur einmal mit seiner außergewöhnlichen Stimme in Staunen und erntet dafür auch den verdienten Applaus. Auch Vivaldis Charakter, der sich stets in ein Leben gezwängt fühlt, das er nicht leben möchte und in der Musik die Kraft findet sich loszureißen von den Zwängen und Regeln dieser Welt, spielt er ausdruckstark und überzeugend. Genauso gut gelingt Drew Sarich der verbitterte alternde Vivaldi, verlassen von seiner Geliebten und frei von neuer Inspiration. Boris Pfeifer bleibt hingegen als etwas verrückter ehrgeiziger Theatermachen stets einem geradlinigen Weg treu, aus Antoni Vivaldis Leben einen Erfolg zu machen. Mit viel Witz, Charme und starker Stimme, steht er seinem Kollegen in keiner Weise nach und überzeugt so ebenfalls das Publikum von sich.
In den weiteren Rollen wurde großteils auf bestehende Mitglieder der Volksoper zurückgegriffen, hervorzuheben wären auf alle Fälle die Girò-Schwestern, gespielt von Rebecca Nelson (Annina Girò) und Julia Koci (Paolina Girò). Beide Darstellerinnen kommen eindeutig aus dem klassischen Fach, können aber beide mit ihrer Stimme überzeugen, auch wenn diese ein sehr starkes Kontrastprogramm zu den Musicalstimmen von Sarich und Pfeifer bilden. Man kann beide Charaktere verstehen und fühlt sowohl mit Annina als auch mit Paolina mit, die eine der große Star, der in Rom verschmäht wird, die andere die verschmähte Schwester, die heimlich für Vivaldi schwärmt und nur zu gerne einmal das hätte, was ihre Schwester hat. Beiden Damen war es gegönnt, jeweils ein wunderschönes Solo zu singen, wobei eindeutig bei Julia Koci mehr Gefühl rüber kam. Außerdem darf sie eine Doppelrolle spielen, indem sie als Toni Teil der Mädchengruppe ist. Sie darf somit zwei unterschiedliche Seiten von sich zeigen.
Ebenfalls aus dem klassischen Fach der Wiener Volksoper kommt Morten Frank Larsen, welcher mit seinem volltönigen Bariton den Widersacher Vivaldis, „Kardinal Ruffo“, zum Besten gibt. Mit seiner starken Stimme nimmt er die Bühne bei jedem Gesangssolo für sich ein, darf aber leider nicht so oft sein Talent zeigen.
Zu guter Letzt sind auf jeden Fall auch die drei Mädchen der Rockgruppe zu nennen, welche in wechselnder Besetzung (heute Anna Sophie Weidinger, Stefanie Mayer und Karoline Troger) auch als Mädchen der Pieta in Vivaldis Geschichte eine Rolle spielen. Die Mädchen, allesamt Mitglieder des Jugendchors der Volksoper, zeigen, wie viel Talent in jungen Nachwuchskünstlern stecken kann und unterhalten mit ihren rockigen Musicalnummern wohl vor allem das jüngere Publikum und das mit nicht wenig Gesangstalent.
Die Besetzung ist also auf gar keinen Fall der Grund für mich, warum dieses Stück nicht wirklich bei mir angekommen ist, es ist durchaus nicht schlecht gemacht, an Bühnenbild und Kostümen wird nicht gespart und vor allem diese sind mehr als gelungen. Je nach Spielzeit und –ort, passen sich die Kostüme den jeweiligen Charakteren an und vor allem die opulenten Barockkostüme überzeugen auf ganzer Linie (auch Männer in Kleidern werden nicht ausgelassen). Das ständig wechselnde Bühnenbild ist einfach gehalten, aber erfüllt ohne Wenn und Aber seinen Zweck.
Woran es also eher liegt, dass mich das Stück nicht überzeugen konnte, ist, dass für mich die Symbiose von Klassik und Musical in dieser Show nicht so richtig funktioniert hat, es ist eher ein Nebeneinander als eine Vermischung dieser Stile und so wirken die Übergänge oft schwerfällig oder gar unpassend. Natürlich stellen die Darsteller, teils Musicalsänger, teils Klassiker, eine große Kluft dar und man findet leider keinen gemeinsamen Mittelweg. Auch der heißersehnte Ohrwurm, der den Wiedererkennungswert eines Stückes ausmacht, bleibt leider aus, auch wenn einige Melodien durchaus schön, aber vergänglich sind. Vielleicht müsste man sich das Musical auch öfters ansehen, beim ersten Mal funktioniert es jedoch nicht. Ein weiteres Manko war außerdem der Ton und das Abmischen der Stimmen, meist war das Orchester, zweifelsohne fantastisch, viel zu laut im Vergleich zu den Akteuren auf der Bühne, weshalb es oft schwer war, ihren Texten zu folgen. Ebenfalls unter den einzelnen Darstellern war das Lautstärkeverhältnis oft Mikrofon-technisch nicht immer ganz ausgeglichen und dass man es nicht hinbekommt, in der Galerie dasselbe Tonverhältnis zu bieten wie in den ersten Parkettreihen, ist eigentlich ziemlich schade.
„Vivaldi – Die fünfte Jahreszeit“ ist eine innovative Idee, die jedoch für mich nicht genug durchdacht oder entwickelt wurde und noch ein paar weniger erfreuliche Fakten mit sich schleppt. Vielleicht überarbeitet man ja noch ein paar Stellen und arbeitet an der Tonabmischung und gibt dem Stück in der nächsten Spielzeit (Frühjahr 2018) noch eine weitere Chance.
Artikel von Rebecca