Im Interview mit Lukas Witzel

Lukas Witzel wurde im hessischen Fulda geboren, studierte in Mainz Musik und Geschichte auf Lehramt und erhielt im Rahmen seines Studiums Gesangsunterricht im Bereich Klassik und Jazz/Pop. In Stücken wie „Frühlings Erwachen“, „Frankenstein Junior“ und „In The Heights“ konnte er bei der Musical Inc. Mainz erste Bühnenerfahrungen sammeln. Ab Oktober 2016 stand er für vier Monate im Schnürschuh Theater Bremen in „tick…tick…BOOM!“ (KULTURPOEBEL.de produziert) in der Rolle des „Jon“ auf der Bühne. Es folgten die Rollen des „Punchinello“ und „Luigi“ im Musical „Wemmicks“. Seit Oktober 2017 verkörpert er alternierend die „Hedwig“ im Kultmusical „Hedwig And The Angry Inch“ in Frankfurt am Main. Das Musical ist die Debütproduktion von Off-Musical Frankfurt. Parallel zu „Hedwig And The Angry Inch“ spielte Lukas am 04. November 2017 auch die Rolle des „Melanchthon“ in „Luther – das Pop- Oratorium“ in Lingen. Im Frühjahr 2018 dürfen sich seine Fans auf Lukas‘ erste Produktion in einem Stadttheater freuen, denn dann steht er als „Max“ in “Otello darf nicht platzen” im Theater Krefeld/Mönchengladbach auf der Bühne.

© Ellie Carina Lorscheid
© Ellie Carina Lorscheid

Lukas, seit 22. Oktober 2017 spielst du in der Brotfabrik in Frankfurt/Main die „Hedwig“ in „Hedwig And The Angry Inch“. Wie hast du dich auf diese doch sehr außergewöhnliche Rolle vorbereitet?

Zunächst einmal habe ich das Textbuch sehr genau studiert. Da Hedwig sehr viel von sich erzählt und sie auch in ihren Songtexten Situationen ihres Lebens verarbeitet, habe ich so schon vieles über sie als Person erfahren. Durch etliche Gespräche mit dem Regisseur Thomas Helmut Heep und auch mit den beiden anderen Darstellern, die sich natürlich ebenfalls sehr intensiv mit der Figur Hedwig beschäftigt haben, hat sich innerhalb der Probenzeit noch sehr viel Verständnis entwickelt. Mit dem Verstehen kam dann die Aneignung und zum Ausfüllen der Rolle auch gerade in ihrer Körperlichkeit. Das heißt, ich habe versucht, im Alltag eine gewisse Weiblichkeit zu trainieren. Das beginnt mit dem Laufen auf den High Heels und setzt sich in Mimik- und Gestik-Training fort.

Letzten Monat fand im Schmidts Tivoli in Hamburg der Creators-Wettbewerb statt und du warst als Sänger an dem Projekt „Back Into The Closet“ beteiligt. Wie war für dich diese Erfahrung?

Ich hatte unglaublich viel Spaß bei diesem Wettbewerb, auch wenn wir letztlich nicht als Sieger nach Hause gegangen sind. Das Ensemble und die Macher des Stücks waren super und ich habe die Zeit sehr genossen. Im Schmidt-Theater auf der Bühne zu stehen war natürlich eine tolle Erfahrung, für die ich sehr dankbar bin. Außerdem war es eine große Chance für mich, vor der hochkarätigen Jury zu singen und mich dort zu präsentieren. Das weiß ich sehr zu schätzen.

Wenn man in der Musical- und Theatergeschichte etwas zurückblickt, fällt auf, dass die Themen Homosexualität oder Travestie („Hedwig and the Angry Inch“, Kinky Boots u.a.) immer häufiger eine Rolle spielen. Was sind deiner Meinung nach die Gründe für diesen (aus unserer Sicht positiven) Wandel?

Ich weiß nicht genau, was die Macher dazu bewegt, die Themen zu behandeln, aber ich finde es unglaublich wichtig, dass Kunst viele verschiedene Lebensformen darstellt und den Zuschauern die Möglichkeit eines Einblicks gewährt. Auch heute noch haben Menschen überall auf der Welt mit Ablehnung, Vorurteilen und Diskriminierung zu kämpfen. Das Kennenlernen verschiedenster Menschen (wenn auch nur auf der Bühne), deren Identität möglicherweise weiter von der eigenen nicht entfernt sein könnte, hilft sicherlich zur Öffnung der Gesellschaft. Obwohl Hedwig kein Stereotyp oder Beispiel für eine Gruppe Menschen, sondern eine Kunstfigur ist, kann man hier beobachten, dass viele (vielleicht sogar alle) Zuschauer eine gewisse Identifikation verspüren, die hoffentlich dazu führt, dass sie anschließend noch offener durchs Leben gehen.

© Agnes Wiener/Niklas Wagner
© Agnes Wiener/Niklas Wagner

„Otello darf nicht platzen“ wird im Frühjahr 2018 deine erste Stadttheaterproduktion. Welche Vor- und Nachteile haben für dich sowohl die großen Musicalbühnen als auch die kleineren Stadttheater?
Da ich noch ganz am Anfang stehe, habe ich noch keine große Vergleichsmöglichkeit. Ich kann sagen, dass ich die Arbeit bei Off-Musical Frankfurt sehr genossen habe bzw. genieße. Wir sind ein kleines Team mit einem großen Ziel und ich bin froh, ein Teil davon sein zu dürfen. Mein Stadttheater-Debüt ist für mich eine ganz wunderbare Sache und dann ist es auch noch eine große Rolle in einem großartigen Stück! Ich schätze mich sehr glücklich, bereits jetzt diese Erfahrung zu machen und kann es kaum erwarten. In ein paar Jahren verrate ich euch dann, was mir besser gefallen hat!

Hast du eine Traumrolle, die du unbedingt mal spielen möchtest?
Das ist immer die schwierigste Frage. Letztens habe ich Evan Hansen in „Dear Evan Hansen“ als großen Traum genannt. Damit es nicht langweilig wird, nenne ich dieses Mal Elder Price in „The Book of Mormon“ – ein wirklich tolles Musical, das ich schon zweimal in London sehen durfte und das ich nur zu gerne mal selbst performen würde. Ich hoffe, dass sich eine deutsche Produktion mal an diesen Stoff traut, obwohl ich selbst nicht sicher bin, ob das Thema in Deutschland funktioniert.

Wie schätzt du die Chancen des Musicalnachwuchses ein und hast du Tipps für die jungen Nachwuchstalente?
Ich sehe mich selbst noch lange nicht als Tipp-Geber, sondern eher als Tipp-Empfänger. Der Markt ist sehr umkämpft, das habe ich schon bemerkt. Wichtig ist es vermutlich, nicht aufzugeben, immer weiter an sich zu arbeiten und an die eigenen Stärken zu glauben. So haben mir das zumindest erfahrene Kollegen gesagt, mit denen ich bereits zusammenarbeiten durfte.

Ich danke dir für die Zeit, die du dir für unser Interview genommen hast, und wünsche dir beruflich und privat alles Gute!


Interview von Natascha