Hinter den Kulissen: Zu Besuch in der Stage School Hamburg

Ein ganz normaler Schultag

Aus einer verrückten Idee heraus, erhielten wir die einmalige Gelegenheit einen Blick hinter die Kulissen der Stage School zu werfen. Annett Bär, Pressesprecherin der Stage School Hamburg GmbH und Dennis Schulze, Schulleiter und Geschäftsführer, machten dieses Erlebnis möglich. Vielen Dank nochmal an dieser Stelle! Es war ein ganz wundervoller und interessanter Nachmittag.

Frau Bär hatte sich für uns einen Querschnitt durch die verschiedenen Unterrichtsfächer überlegt. So bekamen wir einen guten Einblick, was die Studenten und Studentinnen jeden Tag an der Stage School leisten müssen, aber auch wie dort unterrichtet wird.

Los ging es um 12.45 Uhr mit „Sprechtechnik“ bei der Dozentin Christina Bettina Pfannkuch. Wir besuchten dort einen 1. Jahrgang. Die Studierenden sind seit August an der Stage School. Gleich zu Beginn der Stunde haben sich die jungen Künstler aufgewärmt. Dabei haben sie verschiedene Übungen zur Lockerung der Gesichtsmuskulatur gemacht, bei der die Dozentin immer wieder bei der richtigen Haltung geholfen hat. Frau Pfannkuch forderte uns sogar auf, die Übungen mitzumachen. Das war sehr lustig und spannend. Dieses Fach ist besonders wichtig, da das Sprechen mit das wichtigste Handwerkszeug eines Musicaldarstellers ist und es ist von großer Bedeutung, dass man lernt gesund und ökonomisch zu sprechen.

Um 13.00 Uhr ging es auch schon weiter. Dieses Mal durften wir bei der Dozentin Simona Bacigalupo und ihrem 2. Jahrgang im Fach „Style“ dabei sein. Hier zeigten uns die jungen Talente, wie man eine neue Choreographie stückchenweise erlernt und umsetzt. Die Schülerinnen und Schüler tanzen hierbei vor einem großen Spiegel, sodass sie sich selbst beim Tanzen beobachten können. So fällt es leichter sich die richtigen Bewegungen einzuprägen. Die Unterrichtssprache ist teilweise in Englisch. Frau Bacigalupo tanzt die neuen Schritte vor, sie werden erst ein paar Mal ohne Musik geübt, später dann natürlich auch mit. Während die Studierenden tanzen, geht Frau Bacigalupo durch die Reihen und korrigiert da, wo es nötig ist. Es ist eine sehr angenehme Atmosphäre und es dürfen auch jederzeit Verständnisfragen von den Schülerinnen und Schülern gestellt werden. Ein paar Minuten Zuschauen verdeutlicht uns aber einmal mehr: Musicaldarsteller ist ein Knochenjob. Das Unterrichtsfach „Style“ geht 90min. und das sind 90min. volle Power, ohne viel Pause oder Erholungsphasen.

Leise schlichen wir uns im Anschluss in das Fach „Körper und Sprache“ welches von Ansgar Schäfer unterrichtet wird. Da wir noch relativ am Anfang der Stunde die Lerngruppe des 3. Jahrgangs besuchten, konnten wir alle bei einem lustigen Aufwärmspiel beobachten. In schneller und beliebiger Reihenfolge wurden die Wörter „Hep“, „Hop“ oder „Zoom“ mit einer Klatschbewegung an einen anderen Mitspieler weitergegeben. Dieses Spiel übt Körperspannung und vor allem schnelle Reaktion. Gleich im Anschluss wurde Wörtertennis gespielt. Hierbei werden sich mit einer energiegeladenen Handbewegung Wörter zugeworfen z.b. Apfel. Der Mitspieler, der mit dem Wort sozusagen „abgeworfen“ wurde, wirft nun ein neues Wort weiter, welches er mit dem zu ihm geworfenen Wort verbindet z.b. Baum. So geht es immer weiter und weiter und es wird ganz nebenbei ebenfalls die Reaktions-und auch Assoziationsfähigkeit weiter ausgebaut. Mit weiteren Übungen hat die Gruppe gemeinsam mit Herrn Schäfer ihr Improvisationstalent unter Beweis gestellt und verbessert. Im Raum herrschte eine freundschaftliche und lockere Atmosphäre, obwohl der ein oder andere der Lerngruppe schon aufgefordert wurde, etwas besser aufzupassen und zu reagieren. Es wird jedoch klar, dass die Dozentinnen und Dozenten ein vertrauensvolles Verhältnis zu ihren Studentinnen und Studenten besitzen und Kritik dort positiv verstärkend wirkt und nicht herablassend angewandt wird.

Das nächste spannende Unterrichtsfach war dann „Liedinterpretation“. Hier lernen die Schülerinnen und Schüler ein Lied nicht nur gesanglich zu gestalten, sondern es auch schauspielerisch darzustellen. Dieses Fach wird immer zu zweit unterrichtet. Helen Schneider leitet den Kurs und wird von der Pianistin Marina Kommissartchik am Klavier begleitet. So kann sie sich voll und ganz auf das Schauspiel und den Gesang konzentrieren und muss nicht nebenbei auch noch Klavier spielen. Während eine Schülerin oder ein Schüler ihr bzw. sein Lied vorträgt, schauen alle anderen aus dem Kurs zu. Eine typische Stunde läuft folgendermaßen ab: Der Schüler/die Schülerin beginnt, das einstudierte Lied vorzutragen (bei uns war das gerade Nadine Moßbrugger).

Nach einer kurzen Zeit beginnt die Dozentin zu dem Stück Fragen zu stellen. Gemeinsam wird dann erarbeitet, wie das Lied dargestellt werden soll. Dies geschieht im ständigen Dialog, wird also nicht einfach „von oben“ auferlegt. Es kommt auch die Frage, wie sich derjenige fühlt. Dann erhält der Sänger/die Sängerin noch weitere Tipps z.B. mehr auf die Betonung zu achten. Es wird über den Sinn der gerade gesungenen Textpassage gesprochen. Während unserer kurzen Zeit als Besucher, wurde die Schülerin sehr viel gelobt und erhielt positive Verstärkung. Trotzdem ist das Fach „Liedinterpretation“ sehr anstrengend. Immer wieder wird der Gesang unterbrochen und man wird aufgefordert, sich mit dem Lied noch intensiver auseinander zu setzen. Stets kreist die Frage durch den Raum: „Was will ich mit dem Lied ausdrücken?“. Hier geht es nicht nur darum einen Song vorzusingen, sondern das Lied soll mit allen Facetten gelebt und erlebt werden. Bis dies klappt, ist es natürlich ein langer und anstrengender Weg.

Nach diesem wirklich aufschlussreichen Besuch im Fach „Liedinterpretation“, ging es für uns erneut in ein „Tanzfach“, denn es stand „Jazz“ (Jahrgang 1) auf dem Stundenplan. Hier durften wir das Warm-Up besuchen, welches sehr wichtig für den Körper ist. Im Warm-Up wird der komplette Körper mit den verschiedenen Übungen angesprochen, damit z.B. alle Sehnen gedehnt und aufgewärmt sind. Die Aufwärmübungen sind dabei oft choreografisch und wirken fast schon wie ein eigener kleiner Tanz. Jedes einzelne Körperteil wird während dieser Phase aufgewärmt und bewegt. Es gibt auch eine große Anzahl an Ballettbewegungen, die angesagt und von den Schülerinnen und Schülern umgesetzt werden. Der Dozent Michael Kemper wechselt ständig seine Position im Raum. Mal tanzt er selbst ganz vorne in der Reihe mit, mal geht er durch den Raum und korrigiert falsche Haltungen. Bei diesem Warm-Up wurde uns wieder vor Augen geführt, wie wahnsinnig anspruchsvoll und anstrengend die Ausbildung zum Musicaldarsteller ist. Allein das Warm-Up verlangt viel Körperbeherrschung und Konzentration und das eigentliche Training folgt ja erst im Anschluss.

Als letztes Unterrichtsfach an diesem Tag durften wir beim Gesangseinzelunterricht dabei sein. Jeder Schüler und jede Schülerin erhält in der Stage School einmal wöchentlich Einzelunterricht. Während unseres Besuches hat die Abteilungsleiterin für Gesang, Anja Launhardt, mit der Schülerin Svea Pöhner (Jg. 3) an dem „Hinten- offen-sein“ gearbeitet. Svea Pöhner steht dafür vor dem Spiegel und beobachtet sich beim Singen. Mit verschiedenen Übungen (z.B. Oberkiefer festhalten, Unterkiefer fühlen,..) soll der Resonanzraum für die Stimme erweitert werden. Es herrscht eine lockere Atmosphäre und es wird auch zwischendurch gelacht. Die Schülerin arbeitet gerade an einem Lied aus dem Musical „Goethe!“. Nachdem sie zunächst ein Stückchen vorgesungen hat, soll sie im Anschluss die Passage noch einmal singen, dieses mal jedoch die Konsonanten weglassen. Dies ist gar nicht so einfach. Darauffolgend soll Svea Pöhner singen wie ein Bauchredner, also ohne die Lippen zu bewegen. Die ganze Stunde ist geprägt von Hilfestellungen der Dozentin, die auch durchaus recht „körperlich“ ablaufen wenn z.B. etwa die Hand unter den Kiefer gelegt wird, um diesen festzuhalten.

Im Anschluss an diesen spannenden Einblick in einen typischen Unterrichtstag an der Stage School, bekamen wir von Frau Bär noch zusätzliche Informationen zur Organisation und Struktur der Schule. Außerdem erhielten wir noch die Möglichkeit den Schulleiter Dennis Schulze kennenzulernen und ihn zu interviewen (hier geht`s zum Interview).

Allgemeines

Die Stage School Hamburg ist eine renommierte private Bühnenfachschule in Hamburg, die seit 1985 eine umfassende Ausbildung in den Bereichen Tanz, Gesang und Schauspiel anbietet. Mit 40 Jahren Erfahrung zählt sie zu den größten und ältesten staatlich anerkannten Schulen für Performing Arts in Deutschland.

Räumlichkeiten

Die Stage School erstreckt sich über vier Etagen. Es gibt unter anderem auch einen großen Raum mit einer Bühne, in dem bei Bedarf Sitzreihen aufgebaut werden können. So entsteht innerhalb kurzer Zeit ein kleines Theater, in dem zuvor eingeübte Sequenzen vor Publikum gespielt werden können, außerdem wird der Raum auch für Auditions genutzt. Nicht nur auf der Tanzetage gibt viele Räume, in denen große Spiegel hängen. Auf den Fluren findet man an den Wänden Ballettstangen und überall gemütliche Sitzgelegenheiten. So können die Studierenden sich bei Bedarf schon aufwärmen und ihre wenigen Pausen mit Quatschen oder auch Weiterüben verbringen. Im Flur der zweiten Etage hängt außerdem ein Belegungsplan für Räume, die im Laufe des Tages nicht durch Dozenten und ihre Klassen belegt sind. Die Studierenden haben hier die Möglichkeit sich in einen Raum einzutragen, um z.B. während einer Freistunde bestimmte Dinge vertiefend zu üben. Oft sind die Schülerinnen und Schüler von morgens bis spät abends in der Stage School und haben nicht immer die Möglichkeit dann auch noch zu Hause zu üben. Außer den Lehrräumen gibt es auch einen Trakt, in dem unter anderem das Büro des Schulleiters und der Pressesprecherin untergebracht ist.

Ausbildungskonzept

Die Ausbildung an der Stage School dauert in der Regel drei Jahre und ist interdisziplinär ausgerichtet. Sie kombiniert die drei Hauptdisziplinen des Musiktheaters – Tanz, Gesang und Schauspiel – in einem ganzheitlichen und praxisorientierten Unterrichtskonzept. Ziel ist es, die individuellen Fähigkeiten der Schüler:innen zu fördern und sie auf eine professionelle Karriere auf der Bühne, im Film, Fernsehen oder Musikbusiness vorzubereiten.

Die Ausbildung beinhaltet regelmäßige Bühnenpraxis durch Projekte wie das Semesterprojekt im zweiten Jahr, das Abschlussprojekt im dritten Jahr sowie Revueformate, wie die Jubiläumsgala, Showtime und die große Weihnachtsshow, die im schuleigenen First Stage Theater aufgeführt werden.

Individuelle Förderung durch Leistungsstufen – So beginnt die Ausbildung an der Stage School Hamburg:

Zum Start ihrer Ausbildung durchlaufen alle neuen Schülerinnen und Schüler der Hamburger Bühnenfachschule eine sogenannte Einteilungswoche. In dieser Einstiegsphase wird festgestellt, auf welchem Leistungsniveau sich die Auszubildenden in den Bereichen Tanz, Gesang und Schauspiel befinden. Anhand der Ergebnisse werden sie leistungsgerecht in verschiedene Niveaustufen – sogenannte Level – eingeteilt. Diese Einstufung dient als Grundlage für den fachspezifischen Unterricht und ermöglicht eine gezielte Förderung. Eine Besonderheit dabei: Die Level sind nicht starr, sondern können sich im Laufe der Ausbildung jederzeit ändern. Wer sich besonders verbessert oder in einem Bereich Schwierigkeiten hat, kann zum Halbjahr oder Schuljahreswechsel in ein anderes Level wechseln.

Es ist also nicht ungewöhnlich, dass etwa ein sehr talentierter Tänzer im A-Level unterrichtet wird, im Gesang aber aufgrund geringerer Vorerfahrung zunächst im C- Level startet. Dieser differenzierte Ansatz hat sich in der Praxis bewährt: Er stellt sicher, dass leistungsstarke Schülerinnen und Schüler nicht unterfordert und lernschwächere nicht überfordert werden.

Für die kostenintensive, dreijährige Ausbildung an der privaten Berufsfachschule ist dieses System ein wesentlicher Bestandteil des pädagogischen Konzepts. Es erlaubt den Dozierenden, auf dem jeweils passenden Niveau zu unterrichten – und gewährleistet so eine möglichst effektive Entwicklung der individuellen künstlerischen Fähigkeiten.

Zugangsvoraussetzungen und Förderung

Die Stage School ist BAföG-berechtigt, wobei das Schüler-BAföG nicht zurückgezahlt werden muss. Zudem werden jährlich Voll- und Teilstipendien im Rahmen einer Stipendiumsprüfung vergeben. Auch zusätzliche Zuschüsse zu den Lebenshaltungskosten über den Förderverein Stage School Hamburg e.V. sind möglich.

Absolventinnen, Absolventen und Karrierechancen

Die Schule hat zahlreiche erfolgreiche Künstler:innen hervorgebracht, darunter Steffi Irmen (DIE AMME), Alex Melcher (DIE WEISSE ROSE), Mae Ann Jorolan (HERCULES, Hamburg & West End), Ralf Bauer, Jerry Marvig (KÖNIG DER LÖWEN), Lucy (No Angels), Thomas Borchert, Anna Loos und Susan Sideropoulos (GZSZ). Viele Absolvent:innen sind heute auf nationalen und internationalen Bühnen sowie in Film- und Fernsehproduktionen tätig.

Standort und Ausstattung

Seit Juli 2013 befindet sich die Stage School in modern ausgestatteten Räumlichkeiten in Hamburg-Altona. Die Schule steht in Kooperation mit dem 2016 eröffneten First Stage Theater, welches eng mit der Ausbildung verknüpft ist und den Schülerinnen und Schülern regelmäßige Auftrittsmöglichkeiten bietet.

Es war ein wirklich interessanter und ereignisreicher Tag und wir bedanken uns an dieser Stelle noch einmal bei Annett Bär und Dennis Schulze, dass sie uns diesen Besuch ermöglicht haben. Wir kommen sehr gerne wieder!


Artikel & Fotos von Mareike & Heidi