Hinter den Kulissen: Joyce Diedrich feiert Regiedebut!
“The last 5 years” in Luxemburg
Joyce Diedrich ist freischaffende Sängerin, Schauspielerin, Tänzerin und künstlerische Leiterin. Diedrich kann als Darstellerin auf Stationen wie die Freilichtspiele Tecklenburg oder das Theater des Westens mit KU´DAMM 56 zurückblicken. Ihre Karriere ist noch jung und schon früh fand Diedrich auch eine Begeisterung für die andere Seite der Bühne. Nach einigen Jahren in der Regieassistenz feiert sie nun am 01. und 02. Mai in Luxemburg ihr Regiedebut. An ihrer Seite stehen Jil Clesse als Kathy und Michael Souschek als Jamie. Anders als man dieses Kammermusical bereits kennt, wird es in dieser Inszenierung eine kleine Band geben und einiges mehr an Bühnenbild. Wir wollen aber nicht zu viel verraten und stattdessen die Regisseurin selbst zu Wort kommen lassen:
Seit 2015 bist du im Theater als Schauspielerin, Sängerin und Tänzerin aktiv. Seit 2018 sammelst du Erfahrungen in der Regiearbeit. Deine aktuelle Station ist das erfolgreiche Musical ROBIN HOOD. Was sind deine Aufgaben als Abendspielleiterin & Inspizientin und welche Faszination strahlt der Sherwood Forest auf dich aus?
Die Abendspielleitung unterscheidet sich je nach Produktion, bei ROBIN HOOD ähnelten meine Aufgaben sehr denen, die ich auch als künstlerische Leiterin bei KU‘DAMM 56 hatte – das sind administrative Aufgaben wie die Betreuung des Urlaubsbuches, die Erstellung der Tages- und Wochenpläne, sowie die Annahme von Krankmeldungen am Morgen mit jeweiligen Umbesetzungen. Näher an der Bühne liegen die Aufgaben der täglichen Showbetreuung und Covereinstudierung, wo es hauptsächlich darum geht, die Ursprungsversion des Kreativteams zusammen mit dem Dance Captain aufrecht zu erhalten. Das geschieht durch regelmäßige Showwatches, Notesessions und Auffrischungsproben. Ergänzend übernimmt man in manchen Verträgen auch mal die Inspizienz, so auch hier. Als Inspizientin ist man aktiver Teil der Vorstellung, sozusagen Dirigentin der Technik, um meinen lieben Kollegen Marcus Paetsch zu zitieren. Der Sherwood Forest fasziniert mich insofern, als dass ich das Team vor Ort unheimlich schätze, sowohl die Cast, als auch meine Technikcrew. Da geht man gern auf Tour – und die Pausen zwischen den Tourblocks sind großartig, so kann auch immer wieder Vorfreude aufkommen.
Wie bist du zur Regiearbeit gekommen?
Ich habe schon in meiner Kindheit „inszeniert“, wann immer es sich anbot; meine erste Erinnerung ist als Grundschülerin die Wohnzimmerinszenierung zur CD vom König der Löwen mit meiner Nachbarsfreundin – den Sonnenaufgang habe ich mit der Lampe händisch gemacht und war darauf besonders stolz. Simba habe ich natürlich auch selbst gespielt. Das ist natürlich albern, aber so zeigten sich die ersten Neigungen, später auch in Schule und Uni bei jeder Gelegenheit. Ich habe schon früh realisiert, dass mich der Kulturbetrieb als Ganzes interessiert. Bei meiner jetzigen ersten richtigen Regie kann ich zurückgreifen auf sehr viele Assistenzen, die ich über die Jahre gemacht habe. Und da es sich um ein Projekt mit kleinem Team handelt, helfen mir derzeit umso mehr meine beruflichen Ausflüge in die Bereiche Licht, Kostüm und Stage Management.
Möchtest du in Zukunft in beiden Bereichen aktiv sein oder dich auf eine Seite spezialisieren?
Die meisten Freiberufler:innen arbeiten mehrgleisig, viele unterrichten oder arbeiten nebenbei in TV, Werbung und Synchron – oder führen Regie. Mein Fokus hat sich in den letzten Jahren durch eine Verletzung und die Pandemie etwas auf die Seite der Kreativ- und Produktionsteams verlagert, umso mehr genieße ich Auftritte zwischendurch und diesen Sommer stehe ich auch mal wieder auf einer größeren Bühne. Eine Spezialisierung erfolgt insofern, als dass ich langsam keine Assistenzen mehr übernehme und auch bei Auditions sorgsamer auswähle, was wirklich zu mir passt. Ich beobachte das bei vielen Kolleg:innen in meinem Alter, man arbeitet bewusster, man hat genug Lehrgeld gezahlt. Noch dazu mag ich es, auf unterschiedlichen Ebenen gefordert zu werden. Es erfordert gutes Zeitmanagement, aber ich kann gar nicht anders arbeiten, ich brauche und genieße die Vielseitigkeit. Ich identifiziere mich mittlerweile auch mehr mit der Art, WIE man arbeitet, als WAS.
Hast du ein bestimmtes Arbeitsutensil, was bei deiner Arbeit nicht fehlen darf?
Egal, was ich arbeite, ich brauche immer früher oder später ein Textbuch, eine Wasserflasche und mein Handy. (Im TdW habe ich es mal vor einer Vorstellung verloren und das gesamte Bühnenteam hat mit mir stundenlang das ganze Haus abgesucht, inklusive Taschenlampenaktion im Zuschauerraum… ich bin ihnen bis heute dankbar 😅)
Mit DIE LETZTEN 5 JAHRE, einem bezaubernden Kammermusical, feierst du dein alleiniges Regiedebut in Luxemburg. Wie kam es dazu und wie kam es zu dieser Stückauswahl?
Es ist recht ungewöhnlich, tatsächlich konnte ich dem Stück lange wenig abgewinnen. Mich irritierte die konstruierte gegenläufige Erzählweise, sie lenkte mich emotional ab. Ich sprach bei einem Theaterbesuch von L5Y in Berlin einmal mit meiner Kollegin Jil Clesse (CATHY) über die Komplexität des Musicals. Wir haben kurzerhand beschlossen, das Stück ebenfalls auf die Bühne zu bringen – und zwar in Luxemburg oder der Schweiz, wo das Stück noch unbekannt ist. Jil war sehr schnell in der Akquise und kurz darauf hatten wir einen Vertrag mit dem Centre des Arts Pluriels Ettelbruck (CAPE) in Luxemburg. Die Bühne ist ungewöhnlich groß für das Musical, was uns die Gelegenheit bot, das Stück nochmal neu zu denken und der Stadt New York auch eine größere Rolle zu geben.
Mein Arrangementdozent in der Uni sagte mal, man solle nur Lieder arrangieren, die noch Raum für Ergänzungen lassen und die einen noch nicht komplett begeistern. So ähnlich bin ich an das Stück herangegangen. Ich wollte es gern durchschauen, es war ein ewiges Logikspiel in der Probenarbeit, man kommt unweigerlich immer wieder durcheinander. Aber es hält auch Möglichkeiten bereit, die wir jetzt auskosten. Mein Ziel ist simpel, ich möchte trotz der ausschnittartigen Erzählweise die Emotionen der Figuren nachvollziehbar machen, das Publikum berühren. Denn das fehlte mir meist, wenn ich das Stück gesehen habe. Ich wurde von der Logik abgelenkt, anstatt mitzufühlen. Die Zeitstränge werden natürlich respektiert und die Gegenläufigkeit wird sichtbar, aber im Laufe der Inszenierung betonen wir die Parallelen der beiden Charaktere. Ich bin gespannt, ob es gelingt.
Hast du dir dein Team selbst zusammengestellt oder hat diese Arbeit wer anders übernommen?
Jil hat Michael Souschek (JAMIE) und Ronald Sedlaczek (Musikalischer Leiter) ins Boot geholt, ich Sam Madwar (Bühnenbild). Ronald bringt eine eingespielte Band mit, vornehmlich bestehend aus Musiker:innen der Vereinigten Bühnen Wien, was uns die Probenzeit enorm erleichtert. Wir sind alle langjährige Kolleg:innen, hauptsächlich aus der Wiener Musicalbranche, wo wir uns vor knapp zehn Jahren in Unitagen kennengelernt haben.
Deine Inszenierung in 3 Worten:
Nah am Leben! 🤗
Vielen Dank für das Interview!
Wir wünschen der Inszenierung und natürlich Joyce Diedrich für die Zukunft alles Gute!
Interview: Anna-Virginia