Hamburger Kammerspiele 2024 – Die letzten 5 Jahre

© Bo Lahola

Premiere: 01. September 2024 – rezensierte Vorstellung: 12. September 2024

Wir durften am Donnerstag, den 12.09.2024 zum ersten Mal ein Stück in den Hamburger Kammerspielen ansehen. Vor Ort wurden wir sehr freundlich und zuvorkommend vom Personal empfangen. Das Theater ist sehr hübsch und mit Stil dekoriert. Der Theatersaal ist eher etwas klein, aber gemütlich. Die Bühne ist erhöht und nah am Publikum. Doch nicht nur das Theater war für uns eine Premiere, sondern auch das Stück. 

© Bo Lahola

Es lief das Musical „Die letzten fünf Jahre“ (Originaltitel : The Last Five Years) von Jason Robert Brown (Deutsche Fassung von Wolfgang Adenberg, Regie führte Dominique Schnizer). Es ist ein intimes und bewegendes Zwei-Personen-Musical (plus Pianist, Markus Syperek, zumindest war dies bei unserer besuchten Vorstellung der Fall), das auf ungewöhnliche Weise die Höhen und Tiefen einer Beziehung beleuchtet. Es erzählt die Geschichte von Cathy (Carolin Fortenbacher), einer erfolglosen Schauspielerin und Jamie (Tim Grobe), einem aufstrebenden Schriftsteller. Beide verlieben sich ineinander, heiraten und trennen sich aber schließlich. Was das Stück so besonders macht, ist die Erzählstruktur: Cathy erzählt die Geschichte rückwärts, beginnend mit dem Ende der Beziehung, während Jamie sie chronologisch von Anfang an darstellt. Die beiden begegnen sich nur in der Mitte, während der Hochzeit. Außergewöhnlich bei der Inszenierung in Hamburg war das Alter der Darstellenden und somit auch der Figuren, welche bereits Ü50 sind. In den uns bisher bekannten akustischen Versionen war Jamie Anfang Zwanzig, womit die Hamburger Handlung 30 Jahre später angesiedelt ist. Dies nimmt dem Stück jedoch keinesfalls etwas von seiner Dramaturgie und Authentizität. Im Gegenteil, es zeigt, wie zeitlos diese Liebesgeschichte ist.

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Das Musical ist minimalistisch angelegt: Es gibt keine großen Tanznummern oder opulente Bühnenbilder. Dies lenkt den Fokus ganz auf die Darsteller und ihre emotionalen Reisen. Im Vordergrund stehen dadurch die inneren Konflikte und die Beziehung der Charaktere. Auf der Bühne befanden sich nur ein Flügel, eine Leiter, ein Drehstuhl, ein Telefon an der Wand, ein kleiner Tisch mit Büchern und mehrere Stühle (Bühnenbild und Kostüme von Christin Treunert). Durch diese reduzierte Inszenierung kommt es zu einer intensiven Auseinandersetzung mit den Figuren und die Darsteller müssen ihre volle schauspielerische und gesangliche Kraft entfalten, um die emotionalen Höhen und Tiefen glaubhaft zu vermitteln.

Dies gelang beiden Darstellern in besonderem Maße. Sowohl Carolin Fortenbacher als auch Tim Grobe beeindruckten das Publikum mit ihren klaren und starken Stimmen, sowie ihrem ausdrucksstarken Schauspiel. Da beide Sänger während des gesamten Stückes nur solistisch singen (Ausnahme bildet das Hochzeitsstück, welches teilweise im Duett gesungen wird), und einzig und allein am Piano begleitet werden, müssen beide Höchstleistung erbringen, da es kein Ensemble gibt, welches sie unterstützt. Es war schon sehr beeindruckend, wie beide Sänger es in jedem Stück schafften, das Publikum mit ihrer Darstellung und Interpretation zu fesseln. Ihre Leistung wurde vom Publikum am Ende auch mit einem lang anhaltenden Applaus gewürdigt. 

Keinesfalls unerwähnt darf auch Markus Syperek bleiben. Syperek war den ganzen Abend der Anker für beide Sänger und schaffte es mit seinem klangvollen Klavierspiel einen musikalischen Rahmen für das Musical auf der Bühne zu schaffen. Des weiteren  war er ein Verbindungsglied zwischen dem Stück und der Realität, da er zu Beginn des ersten und auch des zweiten Aktes auf der Bühne herumlief, Sachen betrachtete, anfasste und wegwarf, um sich dann an den Flügel zu setzen und  das Stück zu eröffnen bzw. fortzuführen.

© Bo Lahola

Das Musical verzichtet von Anfang an auf Klischees und einfache Antworten. Stattdessen werden sowohl Cathys als auch Jamies Sichtweise gleichberechtigt nebeneinander gestellt. Das Publikum kann sich selbst ein Bild davon machen, warum die Beziehung scheitert. Cathy und Jamie sind beide fehlerhaft, aber auch nachvollziehbar in ihrem Verhalten, was das Stück so tragisch und gleichzeitig realitätsnah macht. Jeder Zuhörer kann sich in Teilen in den beiden Figuren wiederfinden.

Abschließend ist zu sagen, dass sich das Musical für alle diejenigen eignet, die sich auf eine ungewöhnliche Erzählstruktur mit einem minimalistischen Bühnenbild und nur zwei Darstellern einlassen können. Sie werden mit einer tragischen Liebesgeschichte belohnt, die grandios von Carolin Fortenbacher und Tim Grobe dargestellt wird. 

Weitere Vorstellungstermine sind bisher noch der 28. und 29.12.2024 jeweils um 19.30 Uhr.

Mitwirkende:

  • Carolin Fortenbacher (Cathy)
  • Tim Grobe (Jamie)
  • Markus Syperek (Piano) 

Wir bedanken uns bei den Hamburger Kammerspielen für die Einladung und hoffen, dass dieses Juwel noch ein paar Zusatzvorstellungen oder sogar eine Minitournee bekommt!


Artikel von Mareike & Heidi