Gandersheimer Domfestspiele 2024 – Bonnie & Clyde
„Ja du liebst, wen du liebst“

Premiere: 27. Juni 2024 – rezensierte Vorstellung 28. Juni 2024
Frank Wildhorn hat 2009 mit dem Musical BONNIE & CLYDE eine musikalische Biografie dieses Gangsterpaares geschaffen. Vom Arrangement hat Wildhorn neue Akzente gesetzt. Mal swingig, soulig und mal ein bisschen Rockabilly. Das Buch stammt von Ivan Menchell und die Liedtexte von Don Black. 2014 hat das Musical in Bielefeld seine Deutschlandpremiere gefeiert, in der Übersetzung von Holger Hauer. Seitdem wird es im deutschsprachigen Raum eher selten gespielt, feierte aber in Großbritannien auf Tournee ein Revival. Nun treibt das Gangsterpaar vor der Stiftskirche in Bad Gandersheim ihr Unwesen.
Gemeinsam gegen den Rest der Welt, dafür sind Bonnie und Clyde bekannt. Sie trafen sich zufällig und verliebten sich Hals über Kopf ineinander. Clyde, derjenige der schon immer mit dem Gesetz zu kämpfen hatte und Bonnie, die davon träumt so berühmt zu werden wie ein Filmstar. Ein durch und durch ungleiches Paar und dennoch können sie nicht ohne einander und versuchen ihrer Zeit zu entfliehen. An Clydes Seite stets sein Bruder Buck, der durch seine Frau Blanche freiwillig wieder zurück ins Gefängnis geht und die Strafe absitzt. Doch ohne Geld geht das nicht und so beginnen die Streifzüge durch Läden und Banken von Bonnie und Clyde. Sie träumen und scheitern am Ende dramatisch.

Die Inszenierung von Sandra Wissmann ist von der ersten bis zur letzten Sekunde stimmig und begeistert. Auch wenn in Bad Gandersheim ohne Pause gespielt wird, wird es zu keiner Sekunde zu langatmig (höchstens zu unbequem, auch mit Sitzkissen), denn Wissmann versteht es die Buchvorlage passend zu straffen. So wird die vierte Wand mehrfach durchbrochen, sodass verschiedene Gänge von der jungen Bonnie/dem jungen Clyde und dem Priester durchs Publikum stattfinden. Aber auch die Charakterzeichnungen gelingen Wissmann mit ihrem Ensemble äußerst gut. Wissmann zeichnet vor allem die Frauenrollen sehr stark, was für manch eine Gänsehaut bei den Soli oder Duetten führt.
Die Ausstattung von Anja Müller ist perfekt auf die Inszenierung abgestimmt und funktional. So darf natürlich das schöne alte Auto nicht fehlen im Zentrum des Bühnenbildes mit einer großen Zeitung und den Schlagzeilen rund um das Gangsterpaar. Leider sieht man alle Handlungen im Bühnenbild wohl nur im mittleren Block oder von weiter oben vollständig. Ein paar kleinere Szenen muss man sich, wenn man links sitzt selbst vorstellen, was aber keine Schande ist. Dominik Müller feiert als Choreograph sein Debut und bringt frischen Wind in die wenigen Gruppenchoreografien.
Lucas Baier als Clyde und Annika Steinkamp als Bonnie sind ein perfektes Paar. Sie harmonieren in allen Bereichen. Annika Steinkamp zauberte bereits in den ersten Minuten Gänsehaut bei „Nur einen Tanz“, aber auch ihr Soli am Ende mit „Sterben ist nicht schlimm“ lies kein Auge trocken. Sie stiehlt schauspielerisch ihrem Kollegen die Show. Lucas Baier überzeugt gesanglich mit „Bonnie“ und dem rockig angelegten „Reiß die Hölle auf“. Seine Emotionen bleiben, im Vergleich zu seiner Spielpartnerin, ein wenig auf der Strecke.

Tim Müller als Buck Barrow und Nadine Kühn als Blanche Barrow stehlen dem titelgebenden Paar fast die Show. Sie sind ebenfalls ein ungleiches Paar und dennoch lieben sie sich über alles und Blanche wartet sehnsüchtig auf die Entlassung ihres Mannes. Nadine Kühn zeichnet eine starke Blanche Barrow. Im Duett mit Annika Steinkamp bei „Du liebst, wen du liebst“ gibt es das nächste Highlight für die Ohren an diesem Abend. Kühns und Müllers gemeinsames Spiel begeistert und ist tiefgründig. Vor allem das dramatische Ende für Buck und Blanche spielen beide hoch emotional. Da bleibt erneut fast kein Auge trocken.
Tabea Scholz ist als Emma Parker zu erleben. Ihr verzweifeltes Spiel geht unter die Haut, genauso wie ihr Solo „Es kommt der Tag“ in der zweiten Hälfte. Darüber hinaus ist Scholz auch in verschiedenen Rollen in Ensemble zu erleben an der Seite der Kolleg*innen Ellen Kärcher, Ann-Charlotte Wittmann, Niklas Brunner, Kevin Dickmann, Bas Timmers oder Theresa Löhle.
BONNIE & CLYDE in Bad Gandersheim ist swingig und tragisch zu gleich. Wildhorns Musik ist zwar sehr von Balladen geprägt, dennoch summt man manche Melodie auch noch Tage später. Ein ganz besonderes Stück, welches man gesehen haben sollte und nicht ohne Grund vom Publikum mit Standing Ovations gefeiert wird. Die Musik und das Schauspiel stehen hier auf Augenhöhe. Hier stimmt einfach alles!
Bis zum 11. August 2024 sind BONNIE & CLYDE an ausgewählten Terminen auf Streifzug durch Texas und Arizona. Tickets gibt es direkt unter www.gandersheimer-domfestspiele.de oder an der Theaterkasse.
Ensemble
- Bonnie Parker: Annika Steinkamp
- Clyde Barrow: Lucas Baier
- Blanche Barrow: Nadine Kühn
- Buck Barrow: Tim Müller
- Ted Hinton: Johannes Krimmel
- Priester: Dirk Hinzberg
- Sheriff: Bas Timmers
- Emma Parker: Tabea Scholz
- Henry Barrow: Kevin Dickmann
- Cumie Barrow: Ellen Kärcher
- junge Bonnie/Ensemble: Ann-Charlotte Wittmann
- junger Clyde/ Ensemble: Niklas Brunner
- Ensemble (Dance Captain): Theresa Löhle
Wir bedanken uns bei den Gandersheimer Domfestspielen für die Einladung!
Artikel von Anna-Virginia
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