Freilichtspiele Tecklenburg 2024 – 3 Musketiere

Starke Bilder und Pyrotechnik in der Burgruine

© Stephen Drewianka

Premiere: 19. Juli 2024 – rezensierte Vorstellung: 08. August 2024

Das Freilichttheater in Tecklenburg wird in diesem Jahr 100 Jahre alt und das wird in der Festspielstadt auch gebührend gefeiert. Während MAMMA MIA restlos ausverkauft ist und wir von Bühnenlichter.de es erst zu einer Zusatzshow schaffen werden, feierte Mitte Juli erneut das Musical 3 MUSKETIERE von Rob und Ferdi Bolland Premiere in der Ruine. Andreas Gergen inszenierte die 3 MUSKETIERE bereits 2018 im österreichischen Winzendorf und zeichnete nun in Tecklenburg mehr als starke Bilder gemeinsam mit seinem künstlerischen Team. 

Jens Janke hat erneut ein funktionales Bühnenbild geschaffen, welches teilweise sogar mit 3D-Effekten aufwarten kann. So wechselt die höhere Ebene innerhalb weniger Sekunden von einem Fachwerkhaus, zur Kirche oder zum Louvre und wieder zurück. Die gern genutzten Treppenelemente finden auch hier ihren Einsatz. Ob als Element der Parkanlage oder im Schloss. Auch der Brunnen wird wieder mit einem drehbaren Bühnenelement einbezogen, sowie das Portal. Das mehr als passende Lichtdesign von Sebastian Benker kommt vor allem jetzt in den späteren Shows grandios zum Vorschein, wenn bereits im Verlauf des 1. Aktes es immer dunkler wird. Die eingesetzte Pyrotechnik, durch Bodennebel und Feuerelemente, lässt einige Szenen mystisch und bombastisch wirken. Sowas haben wir in den letzten Jahren in Tecklenburg noch nicht gesehen. Chapeau! 

© Stephan Drewianka

Die Kostüme von Fabienne Ank kombinieren das historische mit dem modernen und die Choreografien von Francesc Abós unterstreichen die Szenerien. Vor allem die Choreografien der Alten Egos von Milady und Athos verleihen der gesamten Geschichte noch mehr Tiefe. Giulia Fabris und Andrew Chadwick haben hier ihre tänzerischen Solo-Momente, wenn die restliche Szenerie einfriert.  

Das 24-köpfige Orchester wird von Klaus Wilhelm dirigiert. Solch eine Orchesterdimension gab es bisher bei keiner der 3 MUSKETIERE-Produktionen. Wilhelm versteht es die verschiedenen musikalischen Richtungen perfekt mit seinen Musiker*innen umzusetzen. Hier spürt man aber auch noch das echte Theaterhandwerk, wenn Darsteller und Dirigent sich in die Augen schauen für den nächsten Einsatz und es eben nicht 5 weitere Monitore im Theatersaal gibt. Gänsehaut ist unter diesem Dirigat vorprogrammiert. 

© Stephan Drewianka

Die 3 MUSKETIERE erzählen die Geschichte von D`Artagnan auf seinem Weg ein Musketier am französischen Königshof zu werden. Auf diesem Weg verliebt er sich Hals über Kopf in Constanze und weiß, in der Tecklenburger Version, nicht von einem Fettnapf in den anderen zu treten, sondern viel mehr besonnen Konflikte zu klären. Raphael Groß zeichnet einen starken D´Artagnan mit jugendlicher Authentizität.

Benjamin Eberling (Porthos), Fin Holzwart (Aramis) und Filippo Strocchi (Athos) sind die 3 MUSKETIERE. Bereits ein wenig in die Jahre gekommen, stehen sie noch hinter ihrem französischen König (Martin Pasching) und kämpfen bei den eigentlich verbotenen Gefechten hin und wieder gegen die Kardinalsgarden. Auch sie treffen auf D´Artagnan und sind zunächst von ihm nicht überzeugt. So erzählen sie ihm unter anderem vom “Engel aus Kristall”. Strocchis Solo berührt in Kombination mit dem Tanzsolo von Fabris und Chadwick.

Celena Pieper als Constanze ist die rechte Hand der Königin Anna (Navina Heyne) und verliebt sich genauso in D´Artagnan. Leider wurde Constanzes Solo schon in früheren Versionen gestrichen. Dafür kann Pieper mit einem starken Schauspiel aufwarten und im Terzett “Wer kann schon ohne Liebe sein”, sowie im Duett “Alles” stimmlich auf sich aufmerksam machen. 

© Stephen Drewianka

Durch Gergens Interpretation der Charaktere gelingt es, hinter die Fassade dieser zu blicken und so wird z.B. die historische Persönlichkeit Richelieu von Alexander di Capri kühl und berechnend dargestellt. Wo im ersten Akt noch sanfte Töne mit “Oh Herr” erklingen, zeigt sich im zweiten Akt die ganze Brutalität Richelieus. Di Capri beweist einmal mehr seine Wandelbarkeit und schauspielerisches Können. “Nicht aus Stein” legt das wahre Ich Richelieus offen und ist der schauspielerische und gesangliche Moment di Capris. Gefolgt von “Glaubt mir” mit einer starken Choreografie des Ensembles und dem herausstechen Fabris´ als Justitia. Diese Szenen haben schon cineastische Größe.

© Holger Bulk

Christian Schöne als Rochefort schafft es erneut, eine vermeintliche Nebenrolle groß werden zu lassen. Auch wenn Schöne, buchbedingt, nicht singen darf so würde die ganze Geschichte ohne diesen Charakter nicht funktionieren. Sein Schauspiel in der gesamten Gestik und Mimik ist wieder einmal grandios. Das Zusammenspiel mit Mönch und di Capri unterstreicht die dunkle Seite der Macht, der Gier und der Brutalität dieser Zeit. Zudem beweist Schöne in den Fechtchoreografien von Fabian Boermann, flinke Füße und hat neben den 3 Musketieren mit den größten Anteil in den Gefechten, die durch Zeitlupe oder Freeze-Elemente nie zu durcheinander wirken.

Milady ist in der Tecklenburger Inszenierung nicht nur die Femme Fatale und auf der Seite des Bösen, sondern wird zudem äußerst stark gezeichnet. Bettina Mönch überzeugt mit ihrer Bühnenpräsenz in fantastischen Kostümen. Innerhalb weniger Sekunden gibt es bei “Milady ist zurück” Gänsehaut und beim Titel “Männer” lässt sie diese ordentlich zappeln. Milady ein gebrochener Charakter den Mönch weiß zu interpretieren.

© Stephan Drewianka

Und einer liebt seine Rolle ganz besonders und schafft es, ähnlich wie Schöne, dieser kleinen Rolle viel Präsenz einzuhauchen. Nicolai Schwab als Conferencier ist an einigen Stellen des Stückes als eine Art Gaukler der Erzähler der Geschichte. Er bietet als einziger den Antagonisten auf humoristische Art die Stirn und springt und wirbelt sprichwörtlich über die Bühne. 

3 MUSKETIERE bei den Freilichtspielen Tecklenburg bietet eine packende Geschichte, die auf historischen Fakten basiert. Gergens Inszenierung lässt auch die gewisse Komik der MUSKETIERE nicht gänzlich verschwinden und zeichnet zudem starke Frauenbilder in einem männerdominierenden Stück. Ein bewegender Abend, den man nicht verpassen sollte. 

Besetzung

  • D´Artagnan: Raphael Groß
  • Athos: Filippo Strocchi
  • Aramis: Fin Holzwart
  • Porthos: Benjamin Eberling
  • König Ludwig XIII.: Martin Pasching
  • Königin Anna: Navina Heyne
  • Kardinal Richelieu: Alexander di Capri
  • Milady: Bettina Mönch
  • Buckingham: Florian Albers
  • Constanze: Celena Pieper
  • Rochefort: Christian Schöne
  • Conferencier: Nicolai Schwab
  • James: Jan Altenbockum
  • Ensemble: Lara Schitto, Giulia Fabris, Esther Larissa Lach, Laura Araiza Inasadise, Lisa Kolada, Jenny Kohl, Nadine Baas, Janina Niehus, Romina Markmann, Joana Henrique Jakobs, Denys Magda, Christian Rosprim, Tim Grimme, Jan Altenbockum, Oriol Tula, Niklas Roling, Mathias Meffert, Matthias Knaab, Alexander Wilbert, Andrew Chadwick

Impressionen vom Schlussapplaus

 


Artikel von Anna-Virginia