Einstein – A matter of time – Uraufführung in St. Gallen 2025
«Frieden kann nicht durch Gewalt erhalten werden. Er kann nur durch Verständnis erreicht werden»
Albert Einstein

Uraufführung & rezensierte Vorstellung: 01. März 2025
Noch etwas geflashed vom Premierenabend, sitze ich am PC und versuche, die Eindrücke des Abends zu verarbeiten. Normalerweise läuft bei mir zuhause parallel dazu die entsprechende Musik – doch eine CD gibt es noch nicht. Es war die Welturaufführung des Musicals EINSTEIN – A MATTER OF TIME. Ich frage mich, was es für die Darstellenden und Mitschaffenden eines Musicals heißt, bei so einer Chance und Herausforderung dabei zu sein. Es scheint mir eine große Verantwortung zu sein, als Darsteller das erste Mal eine Rolle zu interpretieren. Ich schlüpfe in die Figur einer -hier bereits verstorbenen Person- und versuche diese, mit meinem Können und meinem Stil zum Leben zu erwecken. Die Lieder und Texte sind unbekannt. Es gibt keine Möglichkeit, sich bereits bestehende Songs oder sogar TV-Produktionen anzuschauen. Sicher wird bis zur ersten Aufführung auch an den Texten, Szenen und Songs gefeilt. Vielleicht gibt es sogar kurz vor der Premiere nochmal eine gravierende Veränderungen?
Wie fühlt es sich wohl an, wenn Fachleute, Presse und Publikum mit hoher Erwartung beobachten, wie ich performe? Was wird ihr Urteil sein?
Als ich im Publikum meinen Platz einnehme, freue ich mich als erstes über das große Orchester. Es spielt das St. Gallener Sinfonieorchester. Wow. Keine Musik vom Band – sondern wie in alten Zeiten ein richtig großes Orchester. Die Vorfreude steigt.

Das Musical beginnt. Der alte Albert Einstein (David Jakobs) bekommt bei seiner Überfahrt nach Amerika -nachdem die Nationalsozialisten die Macht über Deutschland eingenommen haben- von einem Steward eine Geige überreicht. Einstein war wohl auch sehr musikalisch. Während er die Geige spielt erinnert er sich an sein Leben zurück.
Einstein studiert am Polytechnikum (heute: ETH) in Zürich. Auf seine offenen Fragen in der Physik erhält er dort aber keine Antworten. Mit seinen Gedanken ist er oft in anderen Sphären der Physik und weder die Kommilitonen, noch die Professoren nehmen ihn ernst. Er lernt seine spätere Frau Mileva Marić (Katia Bischoff) kennen und sie bilden eine Lerngemeinschaft, in der sie ihre offenen Fragen der Physik diskutieren. Mileva wird als einzige Frau an der Universität auch eher belächelt und nicht ernst genommen.
Als sich die beiden näherkommen, flüchtet Mileva nach Heidelberg, um dort ihr Studium fortzusetzen. Auch hier wird sie nicht ernst genommen, sondern verspottet.

Albert und Mileva schreiben sich über drei Jahre lang unzählige Briefe und die zwei finden als Paar zusammen. Nach Alberts Abschluss an der Uni findet er keine Anstellung, weil Professor Weber (Livio Cecini), der nicht viel von Einstein hält, ihn nicht unterstützt. Schließlich bekommt Einstein über Beziehungen seines Freundes Marcel Grossmann (Marlon Wehmeier) eine drittklassige Anstellung beim Patentamt in Bern. Während seiner eintönigen Anstellung durchdenkt Einstein immer wieder wissenschaftliche Ansätze und er entwickelt die «Spezielle Relativitätstheorie» E=mc². Nach wie vor ist es eine Theorie.
Im Musical wurden viele bedeutende Stationen des Physikers dargestellt, z.B. seine Professur in Bern, sein Besuch von Max Planck (Livio Cecini), sein Job in Prag, seine Begegnung mit Marie Curie (Anna-Julia Rogers), auf die ich alle gar nicht im Detail eingehen möchte.
Während des ersten Weltkrieges unterzeichnen 93 Wissenschaftler, Künstler und Intellektuelle ein propagandistisches Dokument, das die deutsche Kriegsführung verteidigte. Einstein – als überzeugter Pazifist- weigerte sich, das Dokument zu unterzeichnen.
Als er 1918 für den Nobelpreis vorgeschlagen wird, sprechen sich viele der entscheidenden Wissenschaftler dagegen aus, weil Einstein für sie nach wie vor nur eine Art Clown ist. Mit dem Beweis der Theorie im Jahr 1919 anhand eines Experimentes mit Aufnahmen der Sonnenfinsternis wird Einstein zu einer berühmten Persönlichkeit.

Die Cast des Musicals ist perfekt ausgewählt. David Jakobs schaffte es, den verpeilten Wissenschaftler Albert Einstein, der gedanklich oft in anderen Sphären schwebte, exzellent zu verkörpern. Auch Katia Bischoff als Einsteins erste Frau Mileva Marić überzeugte sowohl gesanglich, als auch in der Darstellung des Hüftleidens von Mileva.
Zu Beginn des Stückes fand der Zuschauer sich in der Vorlesung der Uni wieder. Hier wurde ich ein wenig an das Lied «Wahrheit» aus TANZ DER VAMPIRE erinnert. Es wurde sehr schnell gesprochen und gesungen, dass ich fast nicht dazu in der Lage war, den Inhalt der Worte aufzunehmen.
Gesanglich gefiel mir Prof. Philip Lenard (Jan-Phillipp Rekeszus) sehr gut. Er verkörperte die Rolle eines wenig sympathischen nationalistischen Wissenschaftlers.
Was mir sehr gut gefiel – war die Rolle «das Licht» (Kelly Panier). Während Einstein gedanklich in anderen Sphären unterwegs war, tanzte eine Ballerina mit blau beleuchtetem Ballettkleid. Dies war ein zusätzliches Element, das das kreative Denken des Wissenschaftlers hervorhob.

Das Bühnenbild war etwas spärlich. Es standen mehrere digitale Whiteboards auf der Bühne, die für diverse Zwecke eingesetzt wurden. Ganz gut gefiel es mir, als in der Universität etwas an die Tafel geschrieben wurde und der Darsteller bzw. die Darstellerin musste synchron das Schreiben imitieren, damit es mit dem Video parallel so aussah, als würde sie tatsächlich etwas schreiben. Die Whiteboards wurden auch eingesetzt, um den Blick aus Einsteins Wohnung mit den halb heruntergezogenen Jalousien darzustellen. Gelegentlich kamen aus dem Hintergrund noch weitere Requisiten auf die Bühne dazu.
Sehr gut hat mir die Darstellung der Zugfahrt von Einstein zu seinem Vater gefallen. Hier saßen die Fahrgäste auf ihren Koffern und auf dem großen Whiteboard sah man wie aus einem Zugfenster hinaus. Die Reisenden bewegten sich wie in einem Zug.
Das ein oder andere Zitat von Einstein berührte mich sehr. Teilweise konnte man das Zitat 1:1 auf die aktuelle politische Lage in der Welt übertragen: «Frieden kann nicht durch Gewalt erhalten werden. Er kann nur durch Verständnis erreicht werden».
Die Lieder haben mir sehr gut gefallen. Es gab den ein oder anderen Gänsehautmoment. Gerne würde ich mir jetzt «Eine Frage der Zeit», «Glaub an mich», «Wer bin ich für Dich?» heute direkt nochmal anhören.
Nach den Standing Ovations gab es später im Foyer des Theaters großen Dank von Jan Henric Bogen, dem Direktor und Künstlerischen Leiter des Musiktheaters. Alle Mitwirkenden wurden herzlich umarmt. Auch Frank Wildhorn, der die Musik für EINSTEIN-A MATTER OF TIME – geschrieben hat, war natürlich dabei. Bogen wünscht sich, dass das Musical EINSTEIN um die Welt reist. Das würde ich mir auch wünschen und drücke dafür alle Daumen.
EINSTEIN – A MATTER OF TIME ist definitiv einen Besuch wert. Es gibt so vieles zu entdecken, dass auch ich vermutlich noch ein zweites Mal dieses besondere Stück besuchen werde.
Cast & Crew:
- Albert Einstein: David Jakobs
- Mileva Marić: Katia Bischoff
- Prof. Weber/Max Planck: Livio Cecini
- Pauline Einstein/Marie Curie: Anna-Julia Rogers
- Marcel Grossmann/Arthur Eddington: Marlon Wehmeier
- Prof. Philip Lenard: Jan – Philipp Rekeszus
- Elsa Löwenthal: Barbara Obermeier
- Clara Haber: Elise Doorn
- Milos Marić/Michele Besso/Fritz Haber: André Bauer
- Maurice Solovine: Merlin Fargel
- Conrad Habicht: Philipp Dietrich
- Das Licht: Kelly Panier
- Ensemble: Nico Hartwig, Amaya Keller, Stefanie Köhm, Sascha Luder, Martin Planz, Stefan Gregor Schmitz, Michael Souschek, Samantha Turton, Sandra Bitterli
- Swing: Nico Schweers, Sandra Bitterli
- Hans-Albert Einstein (Kinderstatisterie): Noah Matheus/Jurij Bösch Bradley Götz
- Musikalische Leitung: Koen Schoots
- Inszenierung: Gil Mehmert
- Choreografie: Melissa King
- Bühne: Christopher Barreca
- Kostüme: Claudio Pohle
- Video: Austin Switser
- Licht: Michael Grundner
- Dramaturgie: Daniel Url
- Ton: Marko Siegmeier/Nicolai Gütter-Graf
- Nachdirigat: Stéphane Fromageot
Wir bedanken uns beim Theater St. Gallen für die Einladung!
Artikel von Susanne