DomplatzOpenAir 2024 – Liebe stirbt nie
Coney Islands mitten in Magdeburg
Premiere: 14. Juni 2024 – rezensierte Vorstellung: 19. Juni
2024 wagte sich das Theater Magdeburg beim Publikumsmagneten Domplatz OpenAir an das Stück von Andrew Lloyd Webber „Love never dies“. Das Theater Magdeburg ist damit die erste Spielstätte die vollkommen frei die Geschichte inszenieren darf. Das Stück erzählt die Geschichte des Klassikers „Phantom der Oper“ weiter und setzt 10 Jahre nach dem Tod des Phantomes in New York ein.
1.Akt
Der Zuschauer erfährt, dass das Phantom überlebt hat und nun auf Coney Island lebt – in einem Vergnügungspark namens Phantasma vor den Toren New Yorks. Die Erinnerungen an seine geliebte Christine verfolgen ihn noch immer und auch seine Retter, Madame Giry und Meg Giry, konnten seinen Schmerz nicht lindern. Madame Giry ahnt, dass alte Wunden wieder aufbrechen werden, als bekannt wird, dass Christine als Sängerin nach New York engagiert wurde. Christine wird von ihrem Mann Raoul und ihrem Sohn Gustave begleitet. Es kommt zur Begegnung zwischen Christine und dem Phantom, das sich sofort wieder in sie verliebt. Madame Giry schaut mit Argwohn auf die Situation und ahnt, dass es große Auswirkungen auf das Verhältnis zu ihr und ihrer Tochter Meg haben wird. Gustave ist begeistert vom Vergnügungspark und erhält als Willkommensgeschenk eine Spieluhr. Christine ist beunruhigt, als sie die Melodie der Spieluhr vernimmt, welche einst das Phantom für sie schrieb. Beim Zusammentreffen versucht das Phantom Christine zu überreden, bei ihm aufzutreten. Nachdem Christine das Angebot mit einem Geldbetrag ablehnt, benutzt er Gustave als Druckmittel. Widerwillig nimmt Christine die Noten für ein eigens für sie geschriebenes Lied an. Als Meg Giry vom Auftritt Christines erfährt, ist sie wütend und enttäuscht – sie sollte der Star der Show werden. Währenddessen entdeckt das Phantom das musikalische Talent von Gustave und er vermutet in Gustave seinen Sohn. Christine bestätigt ihm das, muss aber versprechen, dass es Gustave nicht erfährt, auch wenn er sein Erbe sein soll.
2.Akt
Die entstandene Situation ist auch für Christines Ehemann Raoul sehr schwierig und er hinterfragt ihre Beziehung. Christine bittet Raoul und Gustave abzureisen. Es kommt zum Zusammentreffen zwischen dem Phantom und Raoul und am Ende steht eine Wette im Raum. Kann er Christine davon abhalten aufzutreten und für das Phantom zu singen? Doch das gelingt ihm nicht. Meg erkennt nach ihrem Auftritt mit Hilfe von Madame Giry, dass sich das Phantom vollkommen Christine zugewandt hat und ihre Bemühungen umsonst waren. Sie spricht mit Christine und bittet sie abzureisen- doch diese entscheidet sich für ihren Auftritt. Das Phantom sieht sich am Ziel seiner Wünsche als die Situation eskaliert. Raoul ist abgereist und Gustave ist verschwunden, denn noch jemand wusste von der Vaterschaft. Am Pier kommt es dann zum großen Finale …
Die Handlung kann gewisse Längen nicht verleugnen, erzählt aber eine der immer wiederkehrenden Geschichten von Liebe, Eifersucht und Enttäuschung. Umrahmt von wunderschöner Musik, welche doch sehr Balladen lastig ist. Es gibt nur wenige Momente, in denen die Darsteller auch mal außerhalb von Balladen ihr Stimmvolumen voll ausschöpfen können und mehr Tempo auf die Bühne kommt.
Eine beeindruckende Kulisse bietet die Bühne im Schatten des Magdeburger Doms. Sie zeigt Coney Island und Drehelemente bieten den Spielraum für private Räume und ein Wasserbecken im Vordergrund und angedeutete Wellen im Hintergrund sorgen für einen maritimen Rahmen. Die Darsteller bespielen die gesamte Bühne bis in die Außenbereiche, welche aber unter Umständen durch einige Plätze nicht ganz einsehbar sind. Außerdem entsteht der Eindruck, dass mit Blick auf die Bühne die Handlung etwas linkslastig verteilt wurde. Der große aufgerissene Mund eines Clowns bietet in diesem Jahr den Blick auf das fantastische Orchester, das zusammen mit der Tontechnik einen mega Sound liefert. Das Karussell auf der rechten Bühnenseite dient mit seinem Aufbau der Artistin, welche Christine begleitet, als Platz. Auf der linken Seite befindet sich zudem ein drehbarer Kopf mit Phantommaske, der auf der Rückseite zur Garderobe von Christine oder Meg Giry wird. Insgesamt wird die Bühne durch den Einsatz kleinerer Ebenen optisch zweigeteilt.
Bühne, Lichttechnik und Kostüme spielen mit dem Schwarz-Weiß-Kontrast und setzen farbige Akzente. Der Lichttechnik gelingen sehr gute Übergänge, ab und zu wünscht man sich als Zuschauer etwas mehr Hilfe bei der Lichtführung, um schneller die Szenen zu wechseln oder den Standort des Phantoms auf der großen Bühne rechtzeitig zu erfassen. Die Kostüme fügen sich farblich in das Konzept ein, wobei bei den Hauptdarstellern die zeitliche Einordnung sehr deutlich wird. Die Kostüme des Ensembles wirken an der einen oder anderen Stelle doch sehr zeitlos und abstrakt, manchmal für mich etwas zu modern.
Insgesamt ein toller Abend und vor allem für die Ohren ein wahrer Hochgenuss, hadert man doch das eine oder andere Mal mit der Inszenierung. Ein paar Punkte möchte ich dabei aufgreifen: Der erste Auftritt Christines bei ihrer Ankunft in New York ist recht farblos, die Ankunft eines Stars stellt man sich anders vor. Das hätte mehr „Publikum“ auf der Bühne verdient. Die Schlüsselszene als Christine “Liebe stirbt nie“ singt, ist recht unglücklich weit vom Publikum entfernt. In der Inszenierung blickt das Publikum sozusagen aus Sicht der Seitenbühne auf die singende Christine im Theater des Phantoms. Zu Beginn noch eine innige Szene mit Gustave auf der Treppe zu dieser Bühne und dann kann nur noch Orchester und das Phantom die singende Christine in vollen Zügen genießen. Das hätte ich mir mehr im Zentrum in Richtung Publikum gewünscht. Der Showdown am Schluss des Stückes ist sehr dramatisch, aber auch hier sind die Hauptdarsteller einfach schlecht zu sehen. Meg Giry hält sich mit dem entführten Gustave in einer Rolle ausgekleidet mit Spiegeln auf, welche bis dahin von einer Art Zielscheibe verdeckt war. Diese befindet sich ebenfalls im hinteren Teil der Bühne und ist vor allem von rechts schlecht einzusehen. Die Größe der Bühne hätte andere Möglichkeiten geboten. Zusammenfassend eine doch gelungene Inszenierung mit Schwächen, die getragen von den starken Darstellern und der wunderbaren Musik einen doch mit einem positiven Eindruck wieder nach Hause gehen lässt.
Das Phantom wird von Patrick Stanke dargestellt, der mit seiner unheimlichen Präsenz und Stimme das Publikum in seinen Bann zieht. Die kraftvollen Momente gelingen ebenso wie die gefühlvollen und zerbrechlichen. Auch schauspielerisch ist es eine wahnsinnig beeindruckende Leistung, dass der Zuschauer diese Emotionen wahrnimmt, obwohl sein Gesicht halb von der Maske verdeckt ist.
Martina Lechner gibt der Christine mit ihrer sehr klassischen Stimme und einer absolut gelungenen Darstellung die nötige Kraft, um neben einem so starken Phantom präsent zu sein. Das Zusammenspiel mit Patrick Stanke, aber auch mit Sebastian Seitz als Ehemann und Sarah Gadinger als Gustave ist jederzeit glaubwürdig und gelungen.
Christines Ehemann Raoul, gespielt von Sebastian Seitz, klingt sehr klassisch und kann seine Rolle – vor allem im Duett mit dem Phantom – sehr glaubwürdig und kraftvoll darstellen.
Gustave wurde durch Sarah Gadinger verkörpert. Unglaublich schwer als Erwachsene ein Kind derart in Stimme und Verhalten darzustellen, gelingt ihr das hervorragend.
Manja Stein und Sophia Gorgi sind Madame Giry und Meg Giry – das Mutter-Tochter-Gespann wird treffend dargestellt. Sophia Gorgi glänzt mit ihren Shownummern während des Stückes und ihrer Verwandlung am Ende in eine unglücklich Verliebte, Verzweifelte und auch Rachsüchtige.
Wenn Christine auf der Bühne steht, ist auch sie nicht weit – Christines „Schatten“, die Artistin Nina Kemptner. Beeindruckend sind ihre artistischen Einlagen in einem Ring über dem Karussell.
Das Domplatz OpenAir ist eine absolute Empfehlung ans Publikum. Ambiente, Bühnenbild und die Qualität der Stücke machen den Besuch zu einem Genuss für Musicalfans. Die restlichen Vorstellungen sind alle restlos ausverkauft. Eine Chance auf Tickets gibt es noch auf den einschlägigen Seiten und ansonsten schnappt man sich ein Picknick-Gedeck und setzt sich neben den eingezäunten Bereich. Der Hörgenuss ist der Gleiche.
Ausblick: 2025 gibt es die ADDAMS FAMILY auf dem Domplatz zu sehen. Karten sind bereits über das Theater Magdeburg erhältlich!
Cast & Crew
- Phantom: Patrick Stanke
- Christine Daae‘: Martina Lechner
- Raoul: Sebastian Seitz
- Meg Giry: Sophia Gorgi
- Madame Giry: Manja Stein
- Gustave: Sarah Gadinger
- Artistin: Nina Kemptner
- Musikalische Leitung: Pawel Poplawski / Justus Tennie
- Regie, Choreografie: Pascale-Sabine Chevroton
- Bühne: Jürgen Franz Kirner
- Kostüme: Tanja Liebermann
- Dramaturgie: Ulrike Schröder
Vielen Dank ans Theater Magdeburg für die Einladung und den tollen Platz.
Artikel von Claudia K.