Die Tanzstunde – Anders als der Titel vermuten lässt
„Veränderung gleich Courage, ohne Courage ist nichts möglich. Mit Courage, alles!“ (Ever Montgomery)
Premiere Berlin: 14. Januar 2018 – besuchte Tournee-Vorstellung: 12. April 2024
Die Komödie DIE TANZSTUNDE von Mark St. Germain wurde 2014 in Massachusetts uraufgeführt und bereits 2016 in Celle als deutschsprachige Erstaufführung gezeigt. Die Übersetzung stammt von John Birke. Die Inszenierung der Komödie am Kurfürstendamm feierte 2018 Premiere und ist seitdem fest im Repertoire der Komödie, entweder in Berlin oder auf Tournee durch ganz Deutschland.
Am 12. April 2024 machte das kleine Tourneeteam Halt im Theater Hameln. Das Abo-Publikum hat vermutlich unter diesem Titel etwas anderes erwartet, denn richtig getanzt wird erst gegen Ende. Nadine Schori als Senga Quinn und Ingo Naujoks als Ever Montgomery brachten stattdessen ein zeitgemäßes Thema auf die Bühne. Stets mit einem Augenzwinkern, aber zu keinem Zeitpunkt diskriminierend für Personen, die ebenfalls die Diagnose Asperger-Autismus haben wie Ever Montgomery. Ja, DIE TANZSTUNDE liefert sogar eine gewisse Wissensvermittlung über diese Form des Autismus.
Worum geht’s? Der Wissenschaftler Ever Montgomery muss für eine Preisverleihung tanzen lernen. Aufgrund seines Asperger-Autismus´ verabscheut Ever jeglichen Körperkontakt. Tanzen ohne Berührung? Wie soll das funktionieren? Durch den Hausmeister motiviert, spricht Ever seine Nachbarin Senga Quinn an. Eine Tänzerin, die aufgrund einer Knieverletzung gerade nicht tanzen kann und die Zukunft ungewiss ist. Ever klingelt an ihrer Tür, als Senga gerade im Stande ist, sich mit einem Tabletten- und Alkoholcocktail das Leben zu nehmen. Sie öffnet die Tür und Ever bietet ihr 2153 Dollar für eine Tanzstunde. Soviel wie eine Tänzerin am Broadway in einem Monat verdienen würde. Senga lehnt dieses unmoralische Angebot erst ab, ein Wort gibt das andere und die Neugierde siegt. Sie beginnt mit dem Unterricht, dabei steht sie immer wieder vor Herausforderungen aufgrund Evers Besonderheiten im Umgang mit Menschen…
Martin Woelffer hat mit seiner Regie ganze Arbeit geleistet. DIE TANZSTUNDE verspricht einen kurzweiligen Theaterabend, der auf der einen Seite amüsant ist, auf der anderen aber bravourös auf die Besonderheiten von Asperger-Autismus hinweist.
Es gibt nur wenige Szenenwechsel, sodass die gesamte Inszenierung nicht zu unruhig wirkt. Die wenigen Szenenwechsel die dramaturgisch bedingt sind, werden durch Musik untermalt und zum Großteil durch Umbauten der beiden Darsteller selbst erledigt.
Nadine Schori spielt die „neurotypische“ Tänzerin Senga Quinn, die wie vermutlich fast jeder von uns leichte autistische Züge aufweist. Ihre pure Verzweiflung nicht mehr in ihrem Beruf arbeiten zu können, aber auch ihr Verständnis für Ever sind authentisch gespielt. Sengas Neugierde bringt sie schließlich dazu sich mit der Form von Asperger-Autismus auseinander zu setzen. Aber auch Schoris Zusammenspiel mit Naujoks ist mehr als harmonisch.
Ingo Naujoks spielt mehr als authentisch einen Asperger-Autisten. Zu keinem Zeitpunkt denkt man auch nur ansatzweise an eine von Naujoks Paraderollen aus dem Fernsehen. Die hohe Textdichte verlangt ihm einiges ab und das gelingt im grandios. Seine Interpretation lässt keine Wünsche offen, wer jemanden in seinem Bekanntenkreis hat mit der gleichen Diagnose wird zahlreiche Parallelen erkennen.
DIE TANZSTUNDE erzählt eine Geschichte, die aus dem Leben gegriffen ist. Die Abschlusschoreografie zeigt, dass jeder sich verändern kann und somit mutig ist. Wer die Chance hat, diese Komödie in seiner Nähe zu erleben, sollte es nicht verpassen.
Die Crew tourt aktuell noch bis Ende April 2024. Im März 2025 geht Nadine Schori wieder mit Oliver Mommsen auf Tournee. Die genauen Spieldaten sind noch nicht bekannt!
Artikel von Anna-Virginia