Die Legende vom heißen Sommer – Dresden

Ein DDR-Jukebox-Musical?

Wiederaufnahme & rezensierte Vorstellung: 28. Oktober 2023

Als musikalische Zeitreise angekündigt, hält das Stück, was es verspricht. Ich fühlte mich zurückversetzt in die Tage meiner Kindheit und Jugend und es war erstaunlich, wieviel Text der Songs und Lieder sich noch im Gehirn versteckt hatte. Und dies ging nicht nur mir so, als ich mich so umschaute, wurde fleißig und textsicher mitgesungen und das Lachen und Schmunzeln über so DDR-typische Gebrauchsgegenstände verrieten viele Insider.

Am 9. November 1989 fiel die innerdeutsche Mauer und mehr als 30 Jahre später steht John (Friedrich Rau), Sohn des AMIGA-Produzenten zusammen mit Richie (Janis Masino) und seiner Band in einer Kirche die als Probenraum dient. Sie möchten mit Konzerten den Sound des Ostens feiern und den Menschen diese Musik näherbringen. Verstärkung erhalten sie von Nina (Katharina Eirich) einer jungen Frau aus den „gebrauchten“ Bundesländern, welche weder die Songs des Ostens noch Ernst Thälmann kennt. John und Richie haben beide ein Auge auf Nina geworfen und es entbrennt ein Wettstreit (meist ausgetragen in tollen Gesangs Duellen) um die Gunst der Sängerin. Gestaltet als eine mehrtägige Probe des Musikprogrammes kommt Nina dem Sound des Ostens immer näher, lernt tolle Songs kennen und ihre Unwissenheit, sorgt des Öfteren für Lacher im Ost-/Westgefüge. John und Richies Freundschaft stellt diese Situation auf eine harte Probe, denn Liebessongs und das wahre Leben sind sich dabei nicht immer einig. Dabei steht ihnen Helga (Julia Henke) zur Seite, als mütterlich schrullige Kirchenverantwortliche, kann sie die Geschichte in ein glückliches Ende lenken und die überraschenden Verbindungen aus der Vergangenheit aufklären. Am Ende des Stückes –nach einer kleinen Zeitreise in den heißen Sommer 89- wird klar, beide -John und Richie- sind nun auf unterschiedliche Art mit Nina verbunden und somit steht einem Happy End nichts mehr im Weg.

Das Bühnenbild suggeriert im Hintergrund eine Kirche mit bunten Kirchenfenstern und ist geprägt von Richies Band, welche auf der Bühne sitzt. Und so finden sich Schlagzeug, Keyboard, Gitarre und Bass wieder und bieten einen satten tollen Sound zu den Songs. Der vordere Bereich lässt genug Platz für eine ordentliche Gesangsperformace der vier Hauptakteure und der wird auch reichlich genutzt, um das Publikum in Stimmung zu bringen. Das war bei beiden Vorstellungen aber keine Schwierigkeit, denn es wurde sofort mit geklatscht und gesungen. 

Kein Wunder, denn das Stück vereint-großartig arrangiert-die 50 größten Amiga Hits als Medleys oder Solostücke. So findet sich Holger Bieges „Sagte mal ein Dichter“ über „Jugendliebe“ von Ute Freudenberg, “König der Welt“ und „Über sieben Brücken“ von Karat, „Casablanca“, „Purpursonne“ und „Am Fenster“ von City, „Katzen bei Nacht“ von Petra Zieger, „Nie zuvor“ von Electra,„Als ich fortging“ von Karussell bis „Bataillon d` amour“ von Silly. Zu Projektionen an den Kirchenwänden aus den Filmen „Die Legende von Paul und Paula“ und „Heißer Sommer“ erklingen die Songs „Geh zu ihr“ und „Alt wie ein Baum“ von den Puhdys und die Hits von Frank Schöbel. Der Song „Asyl im Paradies“ von Silly ist für mich der absolute Höhepunkt der Show. Gänsehaut pur beim Gesang von Helga (Julia Henke) und den dazu an die Wände projizierten Fotos und Videos der leider viel zu früh an Krebsgestorbenen Sängerin der Band Tamara Danz. Ein ganz starker Moment der Stille und des Innehaltens auf der Bühne und im Publikum.

Das Buch von Michael Kuhn und E.B. Marol spinnt eine sehr unterhaltsame Geschichte mit überraschendem Ausgang rund um die Songs und Hits der DDR. Die Ostalgie wirkt nie übertrieben und die Figuren sind authentisch.

Die Requisiten, welche von Johns Vater stammen und in einem Koffer schlummerten, entlocken dem Publikum das eine oder andere Lachen und man erinnert sich an die jeweiligen Tücken des Alltags. Doch der Koffer birgt noch ein weiteres Geheimnis auf dem Weg die Figuren zu verbinden, aber das möchte ich nicht verraten.

Mit Olaf Becker – seit 2014 auch Theaterleiter des Boulevardtheaters Dresden- gestaltete ein sehr erfahrener Regisseur das Stück. Ihm gelangen ganz großartige stille Momente zusammen mit mitreißenden Songs bei denen es das Publikum nicht mehr auf den Sitzen hielt. Er hat es geschafft diese Zeit in der DDR zu beleuchten ohne erhobenen Zeigefinger, aber auch ohne zu beschönigen. Die Songs kommen passend zur Geschichte und die Lichttechnik/ -führung sind absolut gelungen. Die Projektionen an der Kirchenwand sind vor allem bei dem Song „Asyl im Paradies“ ein Element das die Zeitreise erst perfekt macht und die Zuschauer sehen die Sängerin Tamara Danz von Silly.

John – der Sohn des Amiga Produzenten Jörg Strempel wird dargestellt von Friedrich Rau. Ihm gelingt es seine Figur sehr glaubhaft durch die Gefühlsachterbahn von frisch verliebt, Enttäuschung und Glück zu spielen. Gesanglich ist alles drin – von ganz gefühlvoll bis rockig mit großartiger Bühnenpräsenz. Da würde man doch glatt zum Konzert gehen.

Janis Masino verkörpert Richie. Schüchter nund verliebt in Nina, zuweilen mit wenig Selbstwertgefühl und eifersüchtig auf John werden vor allem die Gesangsduelle mit John stark ausgetragen. Der Zuschauer leidet mit und das spricht für eine gelungene und authentische Darstellung und tolle gesangliche Leistung.

Als Nina versteht es Katharina Eirich den Jungs gehörig den Kopf zu verdrehen und spielt eine selbstbewusste junge Frau mit großartiger Stimme. Ihr „Jugendliebe“ von Ute Freudenberg ist sicher einer der stärksten Momente in der Show. In den Medleys und in den Gruppensongs kann sie sehr gesanglich gefallen.

Und da ist da noch Helga, sehr authentisch mit Witz und Ironie gespielt von Julia Henke. Ihr „Asyl im Paradies“ im Original gesungen von Tamara Danz (Silly) wird zum Show Stopper. Was für ein starker Song und absolut großartig gesungen. Dafür gab es bei beiden Vorstellungen zurecht Standing Ovations.

Die Liveband auf der Bühne setzt sich zusammen aus Stephan Salewski „Steppl“ am Schlagzeug, Arne Rudiger „Ad“ am Bass, Thomas Hübel „Hübi“ an der Gitarre und Uwe von Schroeter „EWU“ am Keyboard. Starke Musiker die durchweg einen tollen Sound spielen und sowohl gefühlvoll als auch richtig rockig können.

Mit der Uraufführung am 10.03.2019 am Boulevardtheater Dresden entpuppt sich das Stück zum Dauerbrenner und die ausverkaufte Show mit dieser Megastimmung sprechen für sich – hingehen und Spaß haben.

Weitere Impressionen


Artikel & Fotos von Claudia K.