Die Kulturszene und Corona – Im Gespräch mit Felicitas Geipel

© Lutz Kaiser

 

Anfang März wurden aufgrund von Corona alle Veranstaltungen abgesagt. Wie hast du diesen Moment erlebt?

Ich saß in diesem Moment mit mehreren Hausmitgliedern vor dem Bühneneingang des Wiesbadener Staatstheaters. Es sollte eine Auffrischungsprobe für unsere 3 MUSKETIERE geben, die am folgenden Tag stattfinden sollte. Im Haus lief gerade eine Versammlung, in der beraten wurde, wie es mit uns weiter geht, deshalb starrten alle auf ihre Handys und warteten gebannt auf das Ergebnis. Schließlich kam dann die Absage aller Termine ab sofort. Das hat uns zwar alle sehr traurig gemacht, aber wir haben damit gerechnet und es war die richtige Entscheidung. Also haben wir uns aus der Kantine noch ein letztes Getränk geholt und angestoßen in dem Wissen, dass wir uns alle so schnell nicht wiedersehen werden.

Wie fühlt es sich an, monatelang zuhause sein zu müssen und nicht arbeiten zu können?

Glücklicherweise habe ich, neben meiner Beschäftigung als Darstellerin, noch eine hauptberufliche Festanstellung in einem Bühnenverlag. Diesen hat es natürlich leider auch extrem hart getroffen. Ohne stattfindende Vorstellungen keine Tantieme, ohne Tantieme kein Geld für die laufenden Kosten des Verlags, inklusive der Gehälter. Ich bin nun seit dem 1. April bis mindestens einschließlich Oktober in Kurzarbeit und arbeite „nur“ halbtags, worüber ich aber sehr froh bin. Ich fände es unerträglich, so gar nichts machen zu können. Aber das Theater fehlt mir sehr! Ich fühle mich richtig inkomplett.

Womit beschäftigst du dich?

In den anderen 50 % meiner Zeit, in der ich nicht arbeite, beschäftige ich mich mit meinen diversen anderen Interessen: dem Motorrad fahren und meiner selbstgemachten Naturkosmetik zum Beispiel. Ich probiere viele neue Rezepte für die Haut- und Haarpflege aus, entwickle schöne Duftmischungen – das Zeug soll ja auch fein riechen – und beglücke Freunde und Verwandte mit meinen Produkten, die ab und zu mal als Versuchskaninchen ran müssen. Auch in der Wohnung ist immer was zu tun. Vor kurzem habe ich, zusammen mit meinem Lebensgefährten, unsere Garage renoviert. Die Mopeds sollen es ja auch schön haben. Und für unser Arbeitszimmer habe ich aus Schwemmhölzern eine schöne Deckenlampe gebaut. Dazu kam ich die letzten zwei Jahre nicht. Mir fällt also immer etwas ein.

Es gibt immer ein Licht am Ende des Tunnels! Wie sieht dein Licht aus?

Mein Licht ist die bevorstehende Wiederaufnahme von 3 MUSKETIERE am 30. August im Kleinen Haus und die Proben für JESUS CHRIST SUPERSTAR, das am 10. September zurück ins Große Haus des Staatstheaters Wiesbaden kommt. Ich kann es kaum erwarten, das Theater endlich wieder von innen zu sehen und hoffe sehr, dass uns von diesem ……-Virus nicht im letzten Moment ein Strich durch die Rechnung gemacht wird.

Hat diese Zwangspause auch etwas Gutes gebracht?

Wenn es überhaupt etwas Gutes an der Situation gibt, dann vielleicht, dass man wieder viel mehr zu schätzen weiß, was man so macht, bzw. machen darf. Ich habe den Luxus, zwei absolute Traumberufe auszuüben. Als Darstellerin auf der Bühne und im Verlag Musik und Bühne als jemand, der anderen dazu verhelfen kann, viele wundervolle Musicals auf die Bühne zu bringen. In beiden Berufen nun so derart beschnitten zu sein, schmerzt mich sehr. Aber umso glücklicher werde ich sein, wenn die Rädchen irgendwann wieder anfangen, sich zu drehen.

Wie beurteilst du die finanzielle Unterstützung durch die Regierung. Wurden die freischaffenden Künstler vergessen?

Sie wurden nicht unbedingt vergessen, aber wenn man sich die Hilfspakete genau ansieht, wird klar, dass diese von Menschen entwickelt wurden, die nicht wirklich wissen, wie die Realität von selbstständigen Künstlern aussieht. Ich muss erleben, wie viele Freunde und Bekannte, die voll und ganz als Künstler ihren Lebensunterhalt bestreiten, um ihre Existenz und damit ihr Überleben kämpfen müssen, ohne tatsächlich wirksame Hilfen zu erhalten. Dass die vom Staat gewährten Soforthilfen ausschließlich für laufende Betriebskosten gedacht sind, ist eines der Paradebeispiele. Die meisten Künstler haben keine laufenden Betriebskosten im herkömmlichen Sinne. Deren normale Lebenshaltungskosten, wie beispielsweise Wohnungsmiete und Nahrungsmittel, sind die Betriebskosten, aber dafür darf das Geld nicht verwendet werden. Ich kann also nur hoffen, dass die neuen geplanten Maßnahmen endlich lebensnaher sein werden und diesmal eine wirkliche Hilfe darstellen.


Interview von Natascha