Die Kulturszene und Corona – Im Gespräch mit Erik Petersen

© Thilo Beu

Anfang März wurden aufgrund von Corona alle Veranstaltungen abgesagt. Wie hast du diesen Moment erlebt?

Eigentlich hatte ich mir meinen persönlichen Lockdown, nach fast drei Jahren Dauerarbeit, selbst zum Anfang des Jahres gesetzt. Dass dann alle mitmachen, war auch nicht so geplant. Ich war zu dieser Zeit in Berlin und natürlich war das Thema überall im Raum; aber als Theatermensch habe ich es erst so richtig wahrgenommen, als z. B. der Friedrichstadtpalast eine Pressemitteilung nach draußen schickte, dass sie ihr Haus zumachen. Ab dann gab es fast stündlich neue Nachrichten, auf einmal sprach die Kanzlerin zu uns und nichts war mehr so wie vorher. Ein sehr einschneidender Moment für mich, der in meinem Leben immer zu einer Zeit vor und nach Corona führen wird. Ähnlich, wie es für meine Generation eine Zeit vor und nach dem 11. September gibt. Dieser unsichtbare Gegner war jedoch eine absolut neue Situation für uns alle und wer hätte gedacht, dass wir in der Kulturbranche die längste Rehabilitation benötigen, um in einen normalen Betrieb zurückkehren zu können.

Wie fühlt es sich an, monatelang zuhause sein zu müssen und nicht arbeiten zu können?

Für mich ist das größte Problem an allem natürlich dieses „Nicht-Arbeiten-Können“. Nicht in einer Position weiter kreativ zu arbeiten, sondern zu sehen, dass so ein großer Kulturapparat, wie wir ihn in Deutschland haben, komplett auf null fährt. Etwas, was wir in dieser Form, hoffentlich, erstmal nicht mehr erleben. Aber es hat uns alle geprägt und ich hoffe auch, dass wir dadurch vielleicht mehr zu schätzen lernen, was diese wunderbare Kulturlandschaft jedes Jahr in Deutschland leistet und wie traurig das Leben ohne Kultur sein kann.

Womit beschäftigst du dich?

Gerade beschäftige ich mich mit den Stücken „Cabaret“ und „Jesus Christ Superstar“, die als nächstes bei mir auf dem Plan stehen. Hinzu kommen noch Stückentwicklungen, die sich jetzt auch aufgrund der vielen freien Zeit ergeben haben. Aus der Krise ziehe ich gerade das Positive, sonst versacken wir zu sehr in negativer Energie. Das ist auch für den eigenen Prozess unheimlich wichtig.

Hat diese Zwangspause auch etwas Gutes gebracht?

Ich finde, die Frage muss man pragmatisch sehen. Ich habe das Gefühl, dass wir Kulturschaffenden diese Chance jetzt nutzen müssen. Wie sehr wurde doch die Kultur in allen Belangen vermisst, denken wir hier auch an Sprach-, Ess-, Party- oder eben Theaterkultur, die sich auf so vielen Bühnen in Deutschland bewegt.

Die Streaming-Dienste haben während Corona vielleicht das Geschäft ihres Lebens gemacht. Jetzt sind die Zuschauer gesättigt von allem und es gibt dort das Problem, dass Neues gar nicht so schnell nachproduziert werden kann. Das ist eine Chance für uns, weil wir hier gerade aktueller denn je arbeiten und das Publikum wieder begeistern können. Die Leute brauchen auch wieder Unterhaltung, ohne Unterhaltung lebt sich die Haltung zum eigenen Leben sonst sehr schwer. Bei einem wunderbaren Theaterabend werden Emotionen verstärkt und das Publikum für Gefühle sensibilisiert. Wir dürfen nicht vergessen, dass wir dahingehend einen Auftrag haben. Musik ist für einen guten Seelenzustand etwas sehr Wichtiges. Dieses Theatererlebnis kann man im digitalen Zeitalter noch nicht ersetzen. Das zeigt sich auch darin, dass die Übertragung verschiedenster Theaterstücke auf dem Fernseher auf Dauer an Kraft verliert.

Wie beurteilst du die finanzielle Unterstützung durch die Regierung. Wurden die freischaffenden Künstler vergessen?

Finanziell hat es uns ja wirklich alle getroffen. Bei vielen Darsteller*innen wurden gute Lösungen geschaffen und ich bin auch auf das ein oder andere Theater sehr stolz, wie sie damit umgegangen sind. Gleichzeitig haben vereinzelt Theater durch ihren Umgang mit Gastdarsteller*innen gezeigt, welchen Stellenwert diese bei ihnen haben – positiv wie negativ. Letzteres finde ich sehr schade. Subventionierte Häuser sollten sich auch um das Wohl der Gäste kümmern. Da wird es in der Zukunft wohl noch einige Diskussionen geben, wie man so etwas gemeinsam besser übersteht. Auch hat für mich die GDBA (Genossenschaft Deutscher Bühnen-Angehöriger) eine tolle Arbeit geleistet und wird umso wichtiger sein für das Denken und Handeln der Theater. Aber leider konnte man natürlich auch nicht jedem helfen. Hier muss auch in Zukunft eine neue Lösung bei den Arbeitsämtern geschaffen werden. Man hat in solchen Behörden manchmal das Gefühl, als Künstler sollte man doch froh sein, überhaupt auch finanzielle Mittel zu bekommen. Da wünsche ich mir in Zukunft eine bessere Lösung zwischen der ZAV (Zentrale Auslands- und Fachvermittlung) und dem, was bei der Agentur für Arbeit vermittelt wird.

Dennoch ist die Gesamtlösung für uns als Kreativteams keine so gute. Wir haben zwar zum Teil Ausfallgagen, aber keine weitere Hilfe der Kurzarbeit erhalten. Auch stand oder steht nicht jedem die Soforthilfe zu. Hier muss in Zukunft eine bessere Lösung präsentiert werden. Nur durch die Bereitschaft der Häuser konnte man sich in Zusammenarbeit irgendwie aufrechterhalten. Der Weg von der Selbständigkeit in die Arbeitslosigkeit und zurück ist sehr schwer und bringt immer wieder einen großen bürokratischen Aufwand mit sich. Vielleicht könnte es da in Zukunft für alle Selbstständigen einen besseren Ablauf geben. Zwar sagt man so einfach, der Applaus sei das Brot des Künstlers, und dann bleibt das Leben nur noch als Künstler ohne Kreativität übrig und wir wissen ja, wie viel Energie so ein Brot uns gibt.


Interview von Natascha