Die Kulturszene & Corona – Im Gespräch mit Alexander Auler
Anfang März wurden aufgrund von Corona alle Veranstaltungen abgesagt. Wie hast du diesen Moment erlebt?
Ich war in Hamburg zu einer Audition und habe mir am Abend die Cirque du Soleil Show „Paramour“ mit einem Kollegen angeschaut. Als ich aus dem Theater kam, hatte ich viele Nachrichten auf dem Handy und wusste erstmal nicht, was da vor sich geht. Meine Flüge wurden verschoben, panische Gruppennachrichten, meine Mutter besorgt, wie ich wieder zurück nach Wien komme.
Der Moment und die Aufruhr waren sehr panisch, fast ein Gefühl von Weltuntergang. Das war nicht schön. Der Moment, als es hieß, es werden keine weiteren Shows gespielt ein unwirklicher.
Wie fühlt es sich an/hat es sich angefühlt, monatelang zuhause sein zu müssen und nicht arbeiten zu können?
Am Anfang gut, ganz klar. Mein Körper war von den ganzen Shows und dem Durchspielen so müde und erschöpft, dass diese Zwangspause anfänglich sehr gutgetan hat. Der Fokus ist hier ganz klar auf dem „anfänglich“. Nach etwa drei Wochen schlug das dann schlagartig um und ich bin, wie viele andere in ein großes Loch gefallen, weil keiner wusste, wie es weitergeht, ob es überhaupt weitergehen kann.
Ich hatte keine Aufgabe und keinen geregelten Tagesablauf, das hat mir sehr zu schaffen gemacht, weil ich jemand bin, der morgens wissen möchte, was am Tag passiert und was mich erwartet. Das Leben in den Tag hinein hat mir nie gefallen und ich weiß dann nichts mit mir und der Zeit anzufangen.
Womit beschäftigst du dich/hast du dich in den letzten Monaten beschäftigt?
Ab Anfang April habe ich eine zertifizierte Aus- und Weiterbildung zum Ernährungsberater begonnen und bilde mich so in Bereichen weiter, die mich immer schon interessiert haben und in denen ich auch mögliche Berufsfelder für die Zukunft sehe.
Mir hat das so gut gefallen, dass ich gleich weitere Ausbildungen angehängt habe und in dem kommenden Jahr mich ausbilden lasse zum Ernährungsberater, Fitness- und Personaltrainer und Fachtrainer für Rücken- und Sportverletzungen. Ich habe direkt gemerkt, wie viel Spaß mir das macht und dass ich für ganz viele weitere Themen brenne und mich interessiere.
Es gibt immer ein Licht am Ende des Tunnels! Wie sieht dein Licht aus?
Um ehrlich zu sein sehe ich das Licht momentan noch nicht. Die Situation ist weiterhin so ungewiss, keiner weiß, was morgen, geschweige denn nächste Woche, nächsten Monat passiert und niemand weiß, wie diese Situation in den Griff zu bekommen ist, wie man das Virus besiegen kann.
Das einzige, was ich für mich und meinen Seelenfrieden tun kann, ist immer zu versuchen, das Positive zu sehen und zu hoffen, dass es gut ausgehen wird. Da aber jeder Staat und jede Regierung anders mit der Situation umgeht, und jetzt ein regelrechtes Rennen nach DEM Impfstoff stattfindet und alles so undurchsichtig ist, ist das für das sichere Gefühl nicht zuträglich. Wenn ich dann die Videos von Corona-Gegner Demonstrationen sehe, wird mir schlecht und ich frage mich, wohin wir in unserer Gesellschaft eigentlich überhaupt kommen wollen mit solchen Tendenzen und so einer Aggressivität und Uneinsichtigkeit.
Ich denke, da stehen wir vor einigen großen Herausforderungen.
Hat diese Zwangspause auch etwas Gutes gebracht?
Nein, das würde ich so nicht sagen. Gut ist an dieser Situation meiner Meinung nach gar nichts. So viele Menschen haben ihren Job verloren, bekommen keine Unterstützung, sterben, können keine sozialen Kontakte pflegen, sich nicht umarmen etc.
Das einzige, was ich versuche, ist zu schauen, was ich mit der Zeit mache, die wir mehr mit uns verbringen. Ich habe dadurch gemerkt, was und wer mir wirklich wichtig ist, Prioritäten verschieben sich, mir ist klar geworden, wer mir als Freund zur Seite steht und wer nicht. Aber ich denke, man kann diese Zeit auch nutzen, zu überlegen, was einen wirklich glücklich macht.
Unsere Zeit ist definiert durch eine konstante Reizüberflutung. Wir können alles, was wir haben wollen, jederzeit bekommen. Sei es Unterhaltung, Nahrung, Medien. Das ist natürlich zum einen toll, zum anderen lenkt es aber auch ab und schafft gute Möglichkeiten, sich nicht mehr mit sich selbst auseinander zu setzen und achtsamer zu sein. Ich begreife das als große Chance für mich zu überlegen, was mir wirklich wichtig ist und wo meine Prioritäten liegen.
Und wenn dann mal im Regal im Supermarkt etwas ausverkauft ist, was ich sonst immer in Massen bekomme, dann ist das auch völlig ok, dann kaufe ich etwas anderes.
Wie beurteilst du die finanzielle Unterstützung durch die Regierung? Wurden die freischaffenden Künstler vergessen?
Ich finde es erschreckend und zutiefst beschämend, wie die Regierungen mit der Kunst umgehen. In guten Zeiten wird sie geliebt und zelebriert und seit Beginn der Pandemie werden die diversen Künste, die das Land, egal ob Deutschland oder andere Länder, ausmachen, fallen gelassen und nur im Nebensatz, der Vollständigkeit halber erwähnt. Das macht mich sehr traurig und lässt mich ernsthaft daran zweifeln, ob das ein Beruf ist, den ich so in der Zukunft ausüben kann. Ich möchte, aber ich respektiere das Verhalten der Politik in keiner Weise, was den Kulturbereich angeht.
Die immer gestellte Frage. Warum gibt es volle Flugzeuge Richtung Urlaub, in denen kein Mindestabstand garantiert werden kann und warum ist Theater weiterhin ein unsicheres Pflaster?
Wir im Ronacher haben ein gut funktionierendes Konzept für das Vorderhaus und auch wir Darsteller werden regelmäßig getestet. Es werden alle Gegebenheiten der Situation angepasst. Das sollte auch durch die Politik betont werden.
Ich muss dennoch sagen, dass es einige Arbeitgeber, wie zum Beispiel die VBW gibt, die ihre Darsteller weiterhin bezahlen und bezahlt haben durch die Option der Kurzarbeit. Das ist aber nicht die Regel, da es viele kleinere, privat betriebene Theater gibt, denen das nicht möglich ist. Und denen muss genau so geholfen werden.
Viele Künstler veranstalten seit Beginn der Theaterschließungen Wohnzimmer- und virtuelle Streamingkonzerte, wie stehst du zu dieser Möglichkeit der Unterhaltung und welche neuen Möglichkeiten bieten sich eventuell dadurch?
Wie Angela Merkel gesagt hat, ist das Internet für uns alle Neuland. Das stimmt natürlich in Zeiten, in denen jeder auf Instagram, Youtube und facebook unterwegs ist nicht mehr. Diese Plattformen sind in meinen Augen ein zweischneidiges Schwert. Zum einen bieten sie schier endlose Möglichkeiten der online Konzerte, des Austauschs, der Abrufbarkeit von medialen Inhalten. Das ist wunderbar und das muss auch ein Teil der Ganzen sein.
Dennoch ist es auch schade, denn Theater und Kunst muss mit allen Sinnen erlebt werden. Ein Musical- oder Opernbesuch oder der Gang in eine Ausstellung ist eben keine Netflix Serie, die man im Hintergrund laufen lässt, bis Netflix uns fragt, ob wir überhaupt noch zuschauen. Theater muss man erleben, live!
Konzerte brauchen den Geräuschpegel, brauchen das gemeinsame Tanzen und Erleben. Das geht online nur bedingt. Es ist also meiner Meinung nach wichtig beides zu bedienen. Live Theater muss sein, aber wenn soziale Medien Plattformen für neue Formate bieten, ist das eine ganz tolle Bereicherung und genau so wichtig. Nur ist es genau so wichtig, dass durch die Internet basierte Unterhaltung nicht vergessen wird, dass dahinter immer noch ein Künstler steckt und dass solche Inhalte dann auch Geld kosten.
Viele meiner Freunde haben viele kostenlose Konzerte gegeben. Das ist ein ganz wichtiger Beitrag gewesen in Zeiten der Quarantäne, jedoch sollte Kunst kein gänzlich kostenlos abrufbarer Inhalt sein, weil dahinter jemand steckt, der Zeit und Geld und Herzblut investiert, das sollte auch monetär gewürdigt werden. Da sind Konzepte entstanden, wie z.B. auf Disney+ den neuen Mulan Film zu bezahlen, und das ist auch total ok so. Kunst hat einen Stellenwert und Kunst ist wichtig, die vielen tausenden Künstler, die dahinter stecken aber auch. Und wenn wir es in Zukunft schaffen, das auch weiterhin so zu handhaben, ist das eine tolle Bereicherung für unsere Branche.
Interview von Rebecca