DIE AMME – Berlin 2024/25

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Premiere: 10. April 2025 – rezensierte Vorstellung: 26. September 2025

Am 26.09.2025 durfte ich das Stück DIE AMME im Theater des Westens besuchen. Steffi Irmen begeistert im Stück ROMEO UND JULIA (seit Frühjahr 2023) das Publikum als Amme so sehr, dass im Jahr 2024 mit DIE AMME ein Ein-Personen-Stückentstand, das ihr auf den Leib geschrieben wurde. Zunächst als ein kleines Spin-Off geplant, ist DIE AMME seit April diesen Jahres nicht mehr aus dem Spielplan wegzudenken.

Um es vorwegzunehmen: Was für eine krasse Performance von Steffi Irmen! Sie riss mit ihrer Performance das Publikum mit und bekannte deutschsprachige Songs wurden zu einem komplett neuen Stück zusammengefügt. Sie erzählt die Geschichte von Romeo und Julia aus ihrer eigenen Sicht–beginnend mit dem Ursprung des Hasses beider Familien, ihrer Liebe zu Julia und ihrer Rolle in der Liebesgeschichte zwischen beiden.

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Das Bühnenbild zeigt ein Gasthaus in Verona, indem die Amme unerkannt als Bedienung arbeitet. Romeo und Julia sind tot und sie versucht, die Erinnerung und den Schmerz zu vergessen. Die Gäste werden durch einzelne Lichtspots symbolisiert. Im Laufe des Abends betritt ein besonderer Gast die Trattoria. Er stellt sich als William Shakespeare vor und kennt die Identität der Amme. Zögerlich kommt sie der Bitte nach, die Geschichte zu erzählen. Es fühlt sich aber auch wie eine Befreiung an, alles noch einmal aus ihrer Sicht zu erzählen und somit mit Gerüchten und Spekulationen aufzuräumen. Steffi Irmen beginnt zunächst noch sehr zurückhaltend und mit Bedacht, um dann im weiteren Verlauf des Stücks mit ganzer Leidenschaft zu berichten.

Und so interagiert Steffi Irmen mit den Lichtspots, als wären es Personen und erweckt sie so zum Leben, sodass keine weiteren Darsteller benötigt werden. Dabei werden Tische und Stühle immer wieder gekonnt als veränderliche Requisiten zum Schaffen von Handlungsplätzen genutzt. Diese minimalistische Darstellung ist so gut, dass dem Zuschauer nichts fehlt und er gebannt der einen Person auf der Bühne folgt. Man lacht, leidet und philosophiert mit und die Stimmung im Saal ist bereits ab der ersten Minute des Auftritts der Amme großartig. Der Sprecher im Off hatte das Publikum bereits eingestimmt und zum Mitmachen aufgefordert. Man hatte das Gefühl, dass viele Wiederholungstäter im Saal saßen, denen die Songs und Texte bekannt waren. Euphorisch wurden einzelne Songs beklatscht. Aber auch die stillen Momente waren so gelungen platziert, dass alle Zuschauer gebannt in der Geschichte versunken waren.

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Als musikalische Begleitung fungiert eine fünfköpfige Band unter der Leitung von Dominik Franke. Sie sitzt auf der Empore des halbrunden Balustraden-Aufbaus im Bühnenbild von „Romeo und Julia“. Ein tragender Faktor der Show ist das Licht unter der Verantwortung von Martin Uteß. Das Licht umrahmt nicht nur diese Show hervorragend, sondern ist auch zugleich sozusagen der Darsteller der mit auf der Bühne steht. Was wäre unsere Amme ohne ihr so charakteristisches Kostüm, welches sich erst im Laufe der Show entwickelt und mit verschiedenen Schürzen und Hauben variiert wird? Sehr gelungen umgesetzt durch Andrew D. Edwards.

Der Mittelpunkt oder besser der Höhepunkt des Abends ist Steffi Irmen. Ihre Darstellung ist so lebendig und authentisch. Sie füllt die Bühne derart mit Leben, dass es einen selbst ganz hinten förmlich aus dem Sitz reißt. Die Wandlung von einer Nebenrolle bei „Romeo und Julia“ zu dieser fantastischen One-Woman-Show ist absolut großartig. Dabei gelingen ihr die kraftvollen, lauten Töne ebenso wie die emotionalen und leisen Töne. Steffi Irmens Spiel zeigte die volle Bandbreite der Emotionen gepaart mit ihrem musikalischen Können–denn es wurde nicht nur gesungen, sondern auch gesteppt (Choreografie: Bart De Clercq). Das ist ganz großes Kino! Chapeau vor dieser großartigen Leistung!

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Die Story wird durch viele bekannte Songs erzählt, darunter große Hits wie „Ich bin ich“ und „Liebe ist alles“ von Rosenstolz sowie Hits von Sarah Connor wie „Vincent“ und „Wie schön du bist“. Da ist das Publikum sofort dabei und ruhig sitzen bleiben kann keiner. Es wurden aber auch eigens neue Songs geschaffen bzw. aus dem Musical ROMEO UND JULIA neu arrangiert. Da dürfen die „Hormone“ nicht fehlen und bei „Hallo Julia“ sang das gesamte Publikum mit. Der eine oder andere Gänsehautmoment war dabei und zeigt wie gut das Musical funktioniert. Verantwortlich dafür sind Franziska Kuropka und Lukas Nimscheck (Buch & Regie) und die wichtigste Zutat die Musik von Peter Plate, Ulf Leo Sommer und Joshua Lange.

Dieses Stück vereint so wichtige und nach wie vor aktuelle Themen wie der Hass zwischen Menschen und wie man ihm begegnet, die Freiheit sich seinen Partner zu wählen und die Gleichberechtigung. Doch jedem im Publikum wird auch klar: Wir sind noch nicht am Ziel. Noch ist es ein langer Weg-weg vom Hass, hin zu freien Entscheidungen in der Liebe und Gleichberechtigung. Das Publikum wird mit Heiterkeit, aber auch mit einer großen Spur Nachdenklichkeit entlassen. Machen wir die Welt jeden Tag ein klein wenig besser!

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Steffi Irmen und das Stück DIE AMME hinterlassen Eindruck-und das nachhaltig. Eine sehr alte Geschichte frisch und modern erzählt mit gar nicht so angestaubten Problemen machten diesen Abend zu einem echten Erlebnis. Eine großartige Darstellerin mit einer grandiosen Performance hinterlässt ein begeistertes Publikum. Die Nachfrage ist riesig, Zusatzshows (aktuell bis Ende Januar 2026) sind bereits im Verkauf. Hier wird die Empfehlung zur echten Herzensangelegenheit! 

Wir bedanken uns bei Stage Entertainment/ Pop out für die Einladung zur Show!


Artikel von Claudia K