Der Mann, der Sherlock Holmes war – Bielefeld 2023/24

„Die Welt will betrogen sein“

Premiere & rezensierte Vorstellung: 03. September 2023

© Bettina Stöss

Zum vierten Mal feierte das Musical DER MANN, DER SHERLOCK HOLMES WAR Premiere, aber zum aller ersten Mal am Theater Bielefeld. 2009 als Auftragswerk an der Staatsoperette Dresden uraufgeführt, folgten Inszenierungen in Memmingen (2013) und Hamburg (2016, wir berichteten: Abschlussprojekt der JvdE-Academy). Nun war es in Bielefeld soweit mit Merlin Fargel und Markus Schneider in den Hauptrollen. Eigens für die Bielefelder Inszenierung kreierten Schubring/Adenberg ein weiteres Duett.

DER MANN, DER SHERLOCK HOLMES WAR basiert auf dem gleichnamigen Film aus dem Jahr 1937 mit Hans Albers und Heinz Rühmann in den Hauptrollen. Was erwartet den Zuschauer also? Ein Kriminalstück? Eine Lovestory? Oder gar eine Verwechslungskomödie? Im Grunde ist es ein bunter Mix von allem und das macht dieses Musical so herrlich frisch.

Im Stil der 1920er/30er Jahre kommt dieses Musical daher. Die Bielefelder Philharmoniker sitzen im Orchestergraben in einer großen Broadway-Bigband und Streicher-Besatzung, unter der bewährten Leitung von William Wart Murta und sind ein wahrer Ohrenschmaus. Ob Swing, Jazz, Tango oder klassische Musicalelemente. Marc Schubrings Komposition geht wahrlich ins Ohr. Das neue Duett Nr. 14b „Plädoyer für mehr Freundlichkeit“, welches die beiden Gangster Jacques (Nikolaj Alexander Bruckner) und Jules (Alexander von Hugo) erhalten haben, fügt sich wunderbar in die Gesamtkomposition ein. 

© Bettina Stöss

Da fast alle Rollen in einer Doppelspitze miteinander agieren, seien es Morris und Mackie, Jane und Mary oder Jacques und Jules, verwundert es nicht, dass dieses Musical vor allem auf Duette und Ensemblenummern setzt. Nummern wie „Wir zwei“ (Morris/Mackie), „Er geht mir nicht mehr aus dem Sinn“ (Jane/Mary) oder „Sie sind ein ganz besonderer Fall“ (Morris/Ganymare) spielen mit vertrauten Klängen eines Wildhorn, Abraham oder Benatzky. Besonders spannend ist die Nutzung einer gewissen Leitmotivik, wie man sie aus der Oper/Operette kennt. So wird z.B. Mackies „Das geht schief“ nicht nur in Reprisen von Mackie aufgegriffen, sondern auch von Morris oder Mary.

Sandra Wissmann hat mit ihrer Regie und in Zusammenarbeit mit der Choreografin Yara Hassan, sowie der Kostüm- und Bühnenabteilung unter der Leitung von Britta Tönne, eine detaillierte Inszenierung geschaffen, bei der sie vor allem auf Tempo setzt. Mancher verbaler Schlagabtausch lädt dabei zum schmunzeln ein. Das Bühnenbild zieht wieder einmal alle Register mit einer Drehbühne im Mittelpunkt. Hier entstehen in wenigen Sekunden die verschiedenen Räume, ob ein Zugabteil oder die Straßen Brüssels. Aber nicht nur das, wer das Theater Bielefeld kennt, weiß um die vielen Möglichkeiten und so verwundert es nicht, dass im zweiten Akt die Drehbühne in den Hintergrund rückt und ein zweiter Bühnenboden als Unterwelt auftaucht. 

Die Kostüme passen zum Zeitgeist des Stückes, auch wenn Madame Ganymare in Lack, Leder und teuflischen Rot auftritt und hierbei einen starken Kontrast zum übrigen Kostüm setzt. Die Choreografien, hier seien vor allem der Tango zu „Sie sind ein ganz besonderer Fall“, sowie die Stepnummer „Kinder, wir sind reich“ zu erwähnen, machen Freude und Lust auf mehr. 

© Bettina Stöss

Markus Schneider als Morris/Sherlock und Merlin Fargel als Mackie/Dr. Watson sind ein absolutes Dreamteam an diesem Abend. Mit viel Witz und Charme kommen die beiden daher. Mackie als der ruhige, bedachte Part und Morris als derjenige, der hin und wieder mit dem Feuer tanzt. Sie harmonieren in ihren Duetten wunderbar und können mit ihren Soli „Kombiniere, es ist Liebe“ (Morris) und „Jetzt ist Mackie dran“ (Mackie) auf sich aufmerksam machen.

Karen Müller als Jane und Charlotte Katzer als Mary bilden ein wunderbares Schwestern-Duo, welches nicht nur singen darf. Bereits im ersten Viertel des Stückes dürfen die beiden zeigen, was tänzerisch in ihnen steckt mit einer wunderbaren Steppchoreografie. Gesanglich erreichen beide ihren Höhenpunkt im zweiten Akt mit „Er geht mir nicht mehr aus dem Kopf“ und erzeugen dabei eine Gänsehaut. Sie erhalten zurecht tosenden Szenenapplaus.

© Bettina Stöss

Nikolaj Alexander Brucker und Alexander von Hugo sind ein grandios Gangster-Team mit einer Prise liebenswerter Schusseligkeit. Ihre beiden Duette „Jacques und Jules“, sowie das neue „Plädoyer für mehr Freundlichkeit“ sorgen für eine gute Portion Humor.

© Sarah Jonek

Komplettiert wird dieses Duo durch die Anführerin Madame Ganymare alias Cornelie Isenbürger. Als Antagonistin darf sie vor allem mit zwei Solonummern auftrumpfen. Ob „Keine so Gemeine!“ oder „Jetzt tuts etwas weh!“, wie in so mach anderem Musical sammelt der Antagonist doch mit diesen Titeln ganz schön Pluspunkte beim Publikum. Dies gelingt Isenbürger vor allem durch ihr Schauspiel.

Passend zum Spielzeitmotto könnte man sagen „ACH, wie vielseitig ist das deutsche Musical?“ oder „ACH, was für ein schöner Theaterabend!“. DER MANN, DER SHERLOCK HOLMES WAR beweist, dass das deutsche Musical genauso stark ist, wie all die Importe. Es sollten viel öfters die in Deutschland erschaffenen Stücke auf den Spielplänen der Theater stehen.

Ein Musicalabend in Bielefeld entlässt einen beschwingt, aber auch mit dem nötigen Augenzwinkern, dass der Mensch sich doch gerne an der Nase herumführen lässt. DER MANN, DER SHERLOCK HOLMES WAR sorgt für Lachen, Herzschmerz und erinnert daran, dass das Verbrechen überall lauert, früher wie heute.

CAST & CREW DER PREMIERE

  • Musikalische Leitung: William Ward Murta
  • Inszenierung: Sandra Wissmann
  • Bühne & Kostüme: Britta Tönne
  • Choreografie: Yara Hassan
  • Step-Choreografie: Alexander von Hugo
  • Morris Flynn: Markus Schneider
  • Mackie McMacpherson: Merlin Fargel
  • Jane Berry: Karen Müller
  • Mary Berry: Charlotte Katzer
  • Colette Ganymare: Cornelie Isenbürger
  • Jacques: Nikolaj Alexander Brucker
  • Jules: Alexander von Hugo
  • Mr. Dimbleby/Mrs. Crouch/Schaffner 1/Monsieur Jardin/Portier/Notar Lupin/Polizeipräsident/Staatsanwald: Carlos H. Rivas
  • Onkel Berry/Schaffner 2/Hotelgast/Kriminalpolizist/Richter: Lutz Laible
  • Schaffnerin: Christin Enke-Mollnar
  • Pagin: Elena Schneider
  • Bielefelder Opernchor
  • Bielefelder Philharmoniker

DER MANN, DER SHERLOCK HOLMES WAR steht noch bis ins neue Jahr hinein im Spielplan des Theater Bielefelds. Tickets gibt es online, telefonisch oder direkt an der Theaterkasse.

Wir bedanken uns beim Theater Bielefeld für die Einladung!


Artikel von Anna-Virginia