Ein Blumen(alp)traum wird wahr
Wieder ging es fernab der großen Bühnen ins semi-professionelle Theater, genaugenommen in die Schauburg Ibbenbüren. Die Bühne im ehemaligen Kino kennt sicher der ein oder andere von der alljährlichen Musicalmasquerade. Überregional weniger bekannt sind aber wohl die vom Quasi So-Theater e.V. aufgeführten, selbst produzierten Stücke.
Zunächst möchte ich den Verein in wenigen Sätzen vorstellen. Es handelt sich um eine freie Theatergruppe aus dem Nordrhein-westfälischen Ibbenbüren, welche sowohl Stücke aus dem Sprech- als auch Stücke aus dem Musiktheaterbereich aufführt. Der Verein, welcher sich vor allem über die Einspielergebnisse, die Mitgliederbeiträge sowie über Spenden und Sponsoring finanziert, zählt rund 400 Mitglieder, darunter circa 90 aktive Ensemblemitglieder im Alter von 12 bis 70 Jahren.
In der Spielzeit 2017/18 werden 7 Produktionen im Erwachsenen- und Jugendbereich ihre Premiere feiern, den Anfang bildete hier am 20.09.2017 „Der kleine Horrorladen“.
Basierend auf dem Low-Budget-Film aus dem Jahr 1962 (Kleiner Laden voller Schrecken, Regie Roger Corman), feierte das Musical mit der Musik von Alan Menken und den Texten von Howard Ashman im Jahr 1982 seine Premiere in New York. 1986 folgte die Premiere des Film-Musicals, im selben Jahr wurde das Musical erstmals in Deutschland aufgeführt.
In Deutschland gehört das Musical heute zu den am meisten gespielten Musicals ohne feste Spielstätte.
Zentraler Punkt des Bühnenbildes und auch der Handlung ist der kleine Blumenladen von Mr. Mushnik, in welchen Kunden vor allem durch Abwesenheit glänzen. Neben dem Inhaber, dem nur auf den ersten Blick selbstlosen Mr. Mushnik, arbeiten hier noch der liebenswerte Trottel Seymour und die gutherzige, aber von ihrem Freund, einem sadistischen Zahnarzt, abhängige Audrey.
Der Laden steht kurz vor dem Bankrott, als Seymour eine rätselhafte Pflanze (Audrey Zwo, benannt nach Audrey) im Schaufenster platziert. Durch einen bestimmten „Dünger“ wächst die Pflanze in Rekordzeit, was sowohl Seymour als auch dem Laden zum Aufstieg in sozialer wie finanzieller Hinsicht verhilft.
Begleitet wird die gesamte Handlung vom Dreiergespann Chiffon, Chrystal und Ronnette. Die drei jungen Frauen leben auf der Straße, seit sie bereits in der 5. Klasse vom Direktor persönlich vom Unterricht befreit wurden. Sie spiegeln das Leben in der Skid Row, einem sozial schwachen Viertel in einer amerikanischen Großstadt, wider. Hier ist die gesamte Handlung platziert.
Besagtes Dreiergespann wurde in der besuchten Vorstellung humorvoll und überzeugend gespielt von Linda Hövel (Chiffon), Charlotte Stöttner (Chrystal) und Jessica Danzer (Ronnette).
Neben ihnen stand ein durchweg überzeugender Dustin Klugermann in diversen Rollen auf der Bühne. Schon Minuten vor Vorstellungsbeginn streunte er als Obdachloser durch das Publikum und versuchte, hier und da ein bisschen Kleingeld zu schnorren. Hervorgehoben sei hier aber seine größte Rolle des Abends, die des Zahnarztes Orin Scrivello, welche er auf bizarre Art und Weise sadistisch und humorvoll spielte. Mit seiner Darstellung traf er exakt den (offenbar tiefschwarzen) Humor des Publikums.
Der Ladenbesitzer Mr. Mushnik wurde verkörpert von Thomas Wieschebrock. Er schaffte es, mit seinem Spiel zunächst den Eindruck zu erwecken, er habe den mittellosen Seymour und die zurückhaltende Audrey angestellt, um ihnen eine Chance zu geben. Im weiteren Verlauf entpuppt er sich jedoch eher als knallharter Geschäftsmann. Mit zunehmender Bekanntheit der Pflanze Audrey Zwo steigt Mr. Mushniks Interesse an Seymour – und vor allem an dessen Erfolg und dem damit verbundenen Erfolg für seinen Laden.
Die Pflanze Audrey Zwo, anfangs noch stumm und nicht größer als eine Handpuppe, wächst und wächst, bis sie zuletzt geschätzt ein Drittel der Bühne einnimmt. Im ausgewachsenen Zustand wurde Audrey Zwo gespielt von André Lammert und gesungen von Johanna Rau.
Ihre Namensgeberin Audrey wurde bezaubernd dargestellt von Judith Rieping. Anfangs war sie insbesondere im Gesang leider etwas zu leise, ob es an ihr oder an der Tonabmischung lang ist unklar. Bereits nach wenigen Minuten überzeugte sie jedoch mit ihrer wundervollen, klaren Stimme. Ein Eindruck, der sich schließlich durch den ganzen Abend zog.
Last but not least war da natürlich noch Seymour, der mittellose Junge, der es nie aus der Skid Row geschafft hat. Ohne Eltern aufgewachsen, sieht er in Mr. Mushnik eine Vaterfigur, schließlich lässt er ihn in seinem Laden arbeiten und sogar unter der Verkaufstheke schlafen. In der besuchten Vorstellung schaffte es Christopher Rüter, die Entwicklung vom Loser zum erfolgreichen Blumenzüchter gesanglich wie schauspielerisch überzeugend darzustellen.
Ein Besuch in der Schauburg Ibbenbüren ist aktuell auf jeden Fall empfehlenswert. Musicalfans aus der näheren Umgebung werden ebenso auf ihre Kosten kommen wie Freunde des derben Humors. Mit den Spielplänen der umliegenden Theater kann Ibbenbüren meines Erachtens mithalten, insbesondere mit den in der Region aufgeführten Musicals.
Ohne zu viel vorwegzunehmen, muss ich an dieser Stelle jedoch noch darauf hinweisen, dass „Der kleine Horrorladen“ weder für Kinder noch für zart besaitete Menschen geeignet ist.
Bis zum 31.10. gibt es noch 17 Vorstellungen, Karten können direkt über die Vereinswebsite bestellt werden.
Artikel von Anja H. für Bühnenlichter.de
Alle Informationen zum Verein sind der Vereinswebsite entnommen: www.quasiso.de
Alle Informationen zum Stück sind dem Buch „MUSICALS Geschichte-Shows-Komponisten-Stars“ aus dem Dorling Kindersley Verlag GmbH, München (2016), sowie ergänzend dem Wikipedia-Eintrag zum Musical (https://de.wikipedia.org/wiki/Der_kleine_Horrorladen_(Musical)) entnommen.