Dear Evan Hansen – Deutschsprachige Erstaufführung Gmunden/Fürth 2024

Du wirst gesehen!

Foto: Thomas Langer/superlanger.de

Premiere: 11.10.2024 – besuchte Vorstellung: 12.10.2024

Lange wurde dieses Musical auf einer deutschen Bühne ersehnt und nun war es endlich soweit. Das emotionale und sehr berührende Stück DEAR EVAN HANSEN feierte im wunderschönen Stadttheater Fürth, als Koproduktion mit dem Musical Frühling Gmunden, seine deutsche Uraufführung. Eine Geschichte, die auf sehr behutsame Weise schwierige Themen, welche immer aktuell sein werden, behandelt und jede Generation anspricht.

DEAR EVAN HANSEN erzählt die Geschichte des Teenagers Evan Hansen, welcher in der High School keinen Anschluss bei seinen Mitschülern findet und auch seine familiäre Situation ist weit entfernt von einer heilen Welt. Früh verließ sein Vater die Familie und wollte mit seinem Sohn keinen Kontakt mehr haben. So sah Evan sich schon als Kind mit Verlusten konfrontiert und kämpft nun täglich mit Angststörungen und Einsamkeit. Während seine Mutter sich alle Mühe gibt, Evan zu unterstützen und zu ermutigen seine Probleme zu überwinden, stößt auch sie immer wieder an ihre Grenzen. Alleinerziehend muss sie viel arbeiten und kann ihrem Sohn nicht die volle Aufmerksamkeit geben, die er benötigt.

Sein Therapeut fordert Evan auf, sich selbst Briefe zu schreiben, welche den Wortlaut „Lieber Evan Hansen, heute wird ein großartiger Tag und ich sage dir auch warum…“ beinhalten und ihm so die schönen Seiten des Tages formulieren lassen sollen. Einen dieser Briefe druckt er in der Schule aus, nichts ahnend, dass dieser Brief sein Leben auf den Kopf stellen wird, denn dieser gelangt in andere Hände…

Während sich an der Schule die Nachricht vom Suizid des Schülers Connor Murphy verbreitet, wird Evan im Büro des Direktors von Connors Eltern erwartet. Da sie Evans Brief in Connors Unterlagen gefunden haben, sind sie der Annahme, dass ihr drogenabhängiger, egoistischer und offensichtlich äußerst unbeliebter Sohn, doch einen Freund hatte, der ihm wichtig war. Von all dem überfordert, kann Evan dieses Missverständnis nicht aufklären und das Lügenkonstrukt, um eine Freundschaft zwischen ihm und Connor baut sich auf.

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In ihrer Trauer hilft es den Murphys zu wissen, dass ihr Sohn nicht nur schlechte Seiten hatte. Dies bemerkt Evan und so möchte er ihnen diese Illusion nicht nehmen und fingiert Chatverläufe zwischen ihm und Connor. Doch nicht nur den Murphys helfen diese Mails, auch Evan fühlt sich endlich nicht mehr allein. Er gelangt zu der Erkenntnis, dass es niemand verdient hat vergessen zu werden und einfach so zu verschwinden, egal wie jemand im Leben war und was er getan hat.

Er gründet gegen das Vergessen und die Einsamkeit das „Connor Projekt“. Im Rahmen dessen, wird eine Trauerfeier organisiert bei der Evan auf Wunsch der Familie von Connor, eine Rede halten soll. Zuerst vollkommen überfordert vor so vielen Menschen zu sprechen, hält Evan eine sehr berührende und emotionale Rede mit der Kernaussage „Du bist nicht allein“. Unwissentlich wurden seine Worte gefilmt und ins Internet gestellt, wo sich das Video rasend schnell verbreitet und großen Zuspruch erhält.

Immer mehr wird Evan klar, dass er aus dieser erfundenen Freundschaft so schnell nicht mehr herauskommen kann, zumal es allen mit dieser Lüge besser gehen zu scheint. Die Familie Murphy findet darin Trost und Evan findet bei Connors Eltern ein zweites Zuhause. Er verbringt viel Zeit mit ihnen und auch Zoe, Connors Schwester, für die er schon vor der ganzen Geschichte Gefühle hatte, ist ihm sehr nahe.

Doch wird auch Evan immer mehr bewusst, dass es so nicht auf Dauer weiter gehen kann und er muss sich entscheiden, wie er mit der Situation zukünftig umgehen möchte.

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Seine Gefühlswelt kommt unter der Last der Unwahrheiten und den daraus resultierenden Entwicklungen ins wanken. Unter all dem Druck hält Evan es nicht mehr aus und gibt zu, nie Connors bester Freund gewesen zu sein, auch wenn er weiß, dass dies große Konsequenzen für ihn aber auch für die Murphys mit sich bringen wird. Zu keinem Zeitpunkt wollte er jemandem schaden. Allen ging es, zumindest in dieser Zeit, in ihrer jeweiligen Situation, mit der erfundenen Freundschaft augenscheinlich besser.

Seine Mutter Heidi steht Evan in diesen schwierigen Momenten zur Seite und unterstützt ihn. Werden Connors Eltern und Zoe´ ihm verzeihen, dass er gelogen hat und nachvollziehen können, warum Evan diese Freundschaft zum Leben erweckt hat?

Es lässt einen den Blick auf das Leben und auf unsere Mitmenschen richten. Niemand ist allein, jeder wird gehört, eine so wertvolle und wichtige Aussage. Doch zeigt auch dieses Stück, wie schnell Stories über das Internet verbreitet werden können, ob wahr oder unwahr.

Die Themen und die Umsetzung von DEAR EVAN HANSEN sind generationenübergreifend gestaltet. Auch wenn es nur eine kurze Spielzeit war, so wurden viele Menschen von diesem Musical berührt und es bleibt zu hoffen, dass DEAR EVAN HANSEN nicht zum letzten Mal auf deutschen Bühnen zu erleben war.

Die deutsche Übersetzung von Nina Schneider ist in großen Teilen sehr gut gelungen. Nun muss man gestehen, dass die deutsche Sprache etwas härter wirkt als die englische Sprache. Dennoch nimmt die deutsche Version den Liedern nichts von ihrer Emotionalität und ihrem Ausdruck.

Ein fantastisches Bühnenbild, welches schlicht, aber sehr funktional gehalten wurde und mit einigen digitalen Überraschungen versehen ist. Mit wenigen Veränderungen wurden die einzelnen Orte des Geschehens dargestellt und als Zuschauer war man sofort in die einzelnen Szenen mit hinein genommen.

Eine überragenden schauspielerische Leistung vollbrachte an diesem Abend Dennis Riffel als Evan Hansen. In unglaublich feinfühliger Art spielte er seinen Charakter mit so vielen Facetten. Er berührte die Herzen mit seiner außergewöhnlichen Darbietung, dieses jungen Teenagers, der sich so verloren fühlte. Gesanglich überzeugte er mit seiner sanften Stimme, die er gekonnt einsetzte und an mancher Stelle bewusst gebrochen sang, dass es tief unter die Haut ging. Dies gebrochene, einsame in seinem Gesang ist mit Worten kaum zu beschreiben. Es war ein Erlebnis, welches in Erinnerung und im Herzen bleibt, denn solche Darbietungen erlebt man nicht oft.

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Heide Hansen, Evans Mutter, wurde von Anna Thorén verkörpert. Sehr gefühlvoll und einfühlsam spielte sie diese emotionale Rolle. Man spürte in ihrer Darbietung, gesanglich wie schauspielerisch, die Zerrissenheit ihres Charakters zwischen der Liebe zu ihrem Sohn und dem Alltag, den sie als Alleinerziehende bewältigen muss.

Als Eltern von Connor Murphy erlebte man Yngve Gasoy-Romdal (Larry Murphy) und Monika Maria Staszak (Cynthia Murphy) auf der Bühne. Sie harmonierten in ihrem Spiel sehr gut zusammen und zeigten, die nicht heile Welt der Familie und das gestörte Verhältnis zu ihrem Sohn. Die Verzweiflung über dessen Tod spielten beide in ihrem jeweiligen Charakter sehr authentisch und auch die Hoffnung, dass doch alles besser war als sie dachten, zeigten sie auf beeindruckende Weise. Es macht Freude ihnen zusehen und zuhören zu dürfen.

Michaela Thurner verkörperte Zoe Murphy, die taffe Schwester von Connor. Eine absolut tolle Darstellerin, die ihrer Rolle so viele Facetten und Nuancen verlieh. In allen Szenen die Zoes Lebenslagen zeigten, von ständigem Streit mit ihrem Bruder über dessen Tod bis hin zu den Gefühlen für Evan, zeigte Thurner  ihr Können. Stimmlich überzeugte sie in jedem Lied und begeisterte das Publikum.

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Die Rolle des unbeliebten und drogenabhängigen Connor Murphy spielte der junge Musicaldarsteller Jelle Wiigergangs. Überzeugend verkörperte er diesen Charakter mit all seinen Eigenheiten. Das schlechte Verhältnis zu seinen Eltern, sein unfreundliches Verhalten allen anderen Menschen gegenüber spielte er sehr gut. Das Zusammenspiel mit Dennis Riffel war hervorragend und auch die gesanglichen Parts gingen unter die Haut.

Die Mitschüler von Evan, Jared und Alana, wurden von Savio Byrczak und Vanessa Heinz gespielt. Beide zeigten ihre Spielfreude und verliehen diesem Stück Leichtigkeit durch ihre humorvollen Szenen und die Spielart. Auch ihre Darbietungen in Gesang sowie Schauspiel waren eine Freude.

Eines der emotionalsten Stücke, welches ich erleben durfte, dass mit so viel Feingefühl, Hingabe, Leidenschaft und Witz in diesem schönen Theater aufgeführt wurde. Die Themen in diesem Musical sind nicht einfach und dennoch so behutsam verarbeitet. Die richtige Menge an feinem Humor untermalt diese Geschichte.

„Liebe Dear Evan Hansen Mitwirkende, liebes Stadttheater Fürth/Musical Frühling Gmunden und alle Verantwortlichen dieser Produktion, es war ein großartiger Abend und ich sage Ihnen auch warum. Ein unglaublich großartiges Stück, mit großartiger Musik, einem tollen Orchester, fantastischen Darstellenden und vielen Emotionen und Gedankenanstößen!“

 

Cast & Crew

  • Evan Hansen: Denis Riffel
  • Heidi Hansen: Anna Thorén
  • Zoe Murphy: Michaela Thurner
  • Connor Murphy: Jelle Wijgergangs
  • Cynthia Murphy: Monika Maria Staszak
  • Larry Murphy: Yngve Gasoy-Romdal
  • Jared Kleinman: Savio Byrczak
  • Alana Beck: Vanessa Heinz
  • Regie & Bühnenbild Markus Olzinger
  • Musikalische Leitung Jürgen Goriup
  • Choreografie Wei-Ken Liao
  • Kostümbild Elisabeth Sikora
  • Lichtdesign Ingo Kelp
  • Tondesign Roland Baumann
  • Visual Artists VAME
  • Maske Renate Harter
  • Korrepetition Tomáš Küfhaber
  • Regieassistenz Laura Luisa Hat
  • Kostümassistenz Stephanie Thun-Hohenstein
  • Orchester: Geige: Tereza L·skov· | Bratsche: Stanislav Vacek | Violoncello: Lukas ZufánekI E-Bass, Kontrabass: Josef Str·nÌk | Guitar 1: Zdenek Kaplan | Guitar 2: Jakub Sedl·k
    Schlagzeug: Gregor Bayerl | Piano: Tomáš Küfhaber

 


Artikel von Rebecca G.