Come from away – Deutschsprachige Erstaufführung am Theater Regensburg

Premiere: 22. Februar 2025 – Rezensierte Vorstellung 26.04.2025 19.30 Uhr
Das Theater Regensburg bringt mit COME FROM AWAY von Irene Sankoff und David Hein ein außergewöhnliches und emotionales Stück als deutsche Erstaufführung (Übersetzung von Sabine Ruflair) auf die Bühne. Regie führte hierbei Sebastian Ritschel.
Das Stück basiert auf wahren Begebenheiten und erzählt die Geschichte, die sich im kleinen Ort Gander auf Neufundland/Kanada ereignet hat. Auf dessen Flughafen wurden viele internationale Flugzeuge umgeleitet, als der amerikanische Luftraum aufgrund der Anschläge am 11. September 2001 gesperrt wurde. So mussten die nur rund 9.000 Einwohner des Ortes tagelang rund 6.600 Passagiere aus aller Welt beherbergen, was natürlich einige Schwierigkeiten mit sich brachte, aber auch eine beispiellose Welle der Hilfsbereitschaft auslöste und alle Betroffenen eng zusammenschweißte. Das Musical erzählt sowohl die Geschichten einiger Einwohner Ganders, als auch die einiger Passagiere aus den Maschinen. Für das Stück wurden 400 Zeitzeugen interviewt und die Geschichten von 40 Betroffenen ausgewählt und geschickt miteinander verflochten. So ist daraus eine ziemlich rasante Erzählung vieler Geschichten dieser Tage geworden.
Die ganzen Rollen des Stückes werden von einem nur 14-köpfigen Ensemble gespielt, in dem Jede/r mehrere Rollen übernimmt und die Rollen auch ziemlich gleich gewichtet sind, es gibt keine typischen Hauptrollen. Alle Darsteller*innen überzeugen auf ganzer Linie, sie meistern die schnellen Wechsel zwischen ihren einzelnen Rollen mit Bravour und bilden auch als Gruppe eine schöne, homogene Einheit.

Benedikt Eder verkörpert hauptsächlich den Bürgermeister von Gander und schafft das sehr authentisch, resolut, aber auch charmant. Fabiana Locke ist in ihrer Rolle als Bonnie stets besorgt um die Tiere an Bord der Maschinen und kämpft mit liebevollem Temperament um deren Wohlergehen. Patricia Hodell nimmt als Beulah das Zepter in die Hand, wenn es um die Organisation der Unterbringung und Versorgung der Gestrandeten geht, zeigt aber auch eine sehr einfühlsame, mitfühlende Seite im Umgang mit den Problemen und Sorgen der Gestrandeten.
Felix Rabas hat mit sieben verschiedenen Rollen wohl den stressigsten Job den Abends, er verkörpert seine Rollen sehr facettenreich, teils bringt er gewisse Komik in das Stück, aber auch berührende Momente, wenn er als jüdischer Rabbi in der Kirche des Ortes ein hebräisches Lied singt. Scarlett Pulwey zeichnet eine Wandlung ihrer Rolle als Reporterin Janice nach, von dem erst recht schüchternen Mauerblümchen, hin zu einer selbstbewussten, treibenden Kraft der Helfenden.
Wietske van Tongeren ist als Pilotin Beverly ein besonnener und pflichtbewusster Ruhepol der Gruppe, während sie als eine der Einwohnerinnen Ganders, Annette, eher komödiantisch rüberkommt, wenn diese in ihren Männerfantasien mit Captain Bristol schwelgt. Carin Filipčić als fröhliche Texanerin Diane und Jogi Kaiser als etwas steifer britischer Büroangestellter Nick erobern das Herz des Publikums als sympathisches Paar, dass sich während der Ereignisse zufällig näherkommt. Man fiebert regelrecht mit den Beiden für ihr Happy End.

Andreas Bieber und Alejandro Nicolás Firlei Fernández wirken als noch etwas unsicheres, homosexuelles Paar Kevin T. und Kevin J. sehr authentisch und zeigen facettenreich die Bandbreite ihrer unterschiedlichen Emotionen in ihren Rollen. Außerdem ist Andreas Bieber in seiner Rolle als Kevin T. auch immer wieder präsent als eine Art Entertainer der Gruppe und Alejandro Nicolás Firlei Fernández berührt in seiner zweiten Rolle als muslimischer Passagier Ali, der sich aufgrund der Vorfälle vielen rassistischen Anfeindungen ausgesetzt sieht, von den Behörden gedemütigt wird, aber trotzdem keinen Groll hegt.
Lionel von Lawrence bringt als Jungspund Bob oder als überzogen klischeehaft dargestellter Captain Bristol einigen Humor in das Stück. Masengu Kanyinda spielt die wohl emotionalste Rolle des Stückes. Hannah, eine Mutter deren Sohn Feuerwehrmann in New York ist und vermisst wird. Sie berührt den Zuschauer in ihrer Rolle und man fiebert und leidet mit ihr mit. Maria Mucha und Patrick Imhof ergänzen harmonisch das Ensemble.
Die Musik des Stückes ist überwiegend im Irish Folk Stil gehalten, kein typischer Musicalsound, dementsprechend gibt es auch eine eher außergewöhnliche Band (unter der Leitung von Andreas Kowalewitz) mit typischen Irish Folk Instrumenten (Bodhrán, Fiddle, Whistle). Es ist eine schöne Mischung aus schwungvollen, energiegeladenen Nummern (der Opener „Welcome to the rock“ reißt einen direkt mit), aber auch emotionalen Balladen und schönen gemeinsamen Ensemblenummern. Die einzige richtige Solonummer des Stückes hat Wietske van Tongeren als Pilotin Beverley mit „Der Himmel geht auf“.

Die Choreografien von Gabriel Pintoni sind entsprechend des Tempos des Stückes und der Musik auch sehr energetisch, schwungvoll und abwechslungsreich. Aber auch bei den ruhigeren Nummern passen sie perfekt und fügen sich stets nahtlos in das Geschehen ein.
Das Bühnenbild von Kristopher Kempf wurde in Regensburg anders gewählt als bei den Originalproduktionen in New York und London: Im Hintergrund der Bühne ist ein halbrundes rotes Metallgerüst mit dem weißen Leuchtschriftzug Gander in der Mitte zu sehen, der dem Originalschild des Flughafens Gander nachempfunden ist. Auf der obersten Ebene des Gerüstes befindet sich die Band. Die einzelnen Streben des Gerüstes können unterschiedlich beleuchtet werden und darüber befinden sich helle Scheinwerfer. Ansonsten ist das Bühnenbild recht einfach gehalten mit weißen Tischen und Stühlen, die sich schnell in die verschiedenen Schauplätze wie Tim Horton’s Coffee Shop, Schule und Kirche in Gander, aber auch das Innere von Flugzeugen oder Schulbussen verwandeln lassen. Ein großes Drehelement in der Mitte der Bühne bringt noch mehr Dynamik in das ohnehin schon rasante Stück.
Die Kostüme von Kristopher Kempf entsprechen überwiegend moderner Alltagskleidung. Die verschiedenen Rollen der Darsteller werden dem Zuschauer geschickt durch kleine wechselnde Details der Kostüme verdeutlicht, wie eine Cap mit der Aufschrift Polizei, eine wechselnde Weste, eine Pilotenjacke etc.
COME FROM AWAY ist definitiv ein sehenswertes Stück. Es berührt und ist etwas Anders als das klassische Musical, durch den dokumentarischen Erzählstil und die Irish Folk Musik. Das rasante Erzähltempo und der Schwung des Stückes sorgen dafür, dass die Zeit wie im Flug vergeht. Hut ab auch vor der Leistung der Cast, die bei diesem Tempo all die Rollenwechsel so souverän meistert. Das Musical wird ohne Pause gespielt und dauert knapp 2 Stunden.
In Regensburg sind alle weiteren Vorstellungen bereits ausverkauft, aber wer COME FROM AWAY in dieser Inszenierung auch gerne noch sehen möchte, hat vom 09.07.-13.07. nochmal die Gelegenheit im Deutschen Theater in München.
Cast
- Claude (Derm, Eddie): Benedikt Eder
- Bonnie (Martha): Fabiana Locke
- Beulah (Delores): Patricia Hodell
- Oz (Joey, Zollbeamter, Mr Michaels, Terry, Matty, Rabbi, Kardiologe): Felix Rabas
- Janice (Britney, Flugbegleiterin): Scarlett Pulwey
- Beverley (Annette, Reporterin): Wietske van Tongeren
- Diane (Crystal, Brenda): Carin Filipčić
- Nick (Doug, Officer Stephenson): Jogi Kaiser
- Kevin T. (Garth, Präsident Bush): Andreas Bieber
- Kevin J. (Dwight, Ali): Alejandro Nicolás Firlei Fernández
- Bob (Muhumuza, Captain Bristol): Lionel von Lawrence
- Hannah (Margie, Micky): Masengu Kanyinda
- Ensemble | Swing: Maria Mucha / Patrick Imhof
Wir bedanken uns beim Theater Regensburg für die Einladung.
Artikel von Claudia S