Bücherwelt: Interview mit Julia Niederstraßer
Neuerscheinung der Reihe MUSEUM OF BROKEN HEARTS (Band 1)

Geschichten über wichtige Themen, nehmen einen immer größeren Teil in der Buchwelt ein. Dabei finden diese genau dann Anklang bei den Leser*innen, wenn sie authentisch, nicht romantisierend und realistisch dargestellt werden.
Besonders im Genre des New Adult finden sich zahlreiche Bücher, die Themen wie Sexuelle Belästigung, Rassismus, Mental Health, Essstörungen und Bodyshaming, Depressionen, Gebärdensprache oder das Leben mit einer Behinderung mit viel Feingefühl behandeln.
Mit ihrer Museum of Broken Hearts-Reihe öffnet Julia Niederstraßer den Blickwinkel auf drei unterschiedliche Geschichten. Im ersten Teil, der bereits am 24.6. im LEAF-Verlag erscheint, lernen wir Juna und ihren besten Freund Link kennen. Juna ist chronisch krank: Skoliose.
Bei der Vorbereitung auf das Interview bin ich auf ein Zitat aus dem bald erscheinenden Buch gestoßen, das meine Neugier unweigerlich geweckt hat:
„Ich bin stark.
Ich bin schön.
Ich bin ich.“
Eigentlich eins der schönsten Sätze, die man sich selbst zu schenken vermag. Umso erfreulicher ist es, dass wir vorab die Möglichkeit hatten, Julia Niederstraßer ein paar Fragen zu stellen.
Deine Protagonistin Juna hat Skoliose. Wie kamst du auf die Idee, ausgerechnet diese Krankheit in dem ersten Band deiner Trilogie zu thematisieren?
Ich habe selbst Skoliose und kenne in meinem Umfeld einige Personen mit der gleichen Krankheit. Bei vielen Menschen helfen Physiotherapie und Korsetts. Wer Skoliose hat, muss nicht automatisch operiert werden, Juna schon. Ich wollte im Buch allerdings nicht direkt nach der Diagnose oder der OP einsetzen, weil in vielen Büchern genau dann die Erzählung anfängt. Es wird gezeigt, wie mit der Lebensveränderung klargekommen wird, was superwichtig ist. Aber ich lebe schon so lange unter anderem mit Skoliose, dass ich mir wünschen würde, über den Alltag nach dem ich-lerne-mit-meiner-Diagnose-zu-leben zwischen den Seiten zu lesen. Deswegen ist Junas OP schon einige Jahre her.
Welche anderen Werte oder Kernthemen möchtest du deinen Leser*innen mit auf den Weg geben?
Dass Schönheitsideale oftmals beigebrachte normative Werte einer gesamten Gesellschaft sind. Das Veränderungen Angst machen können, aber nicht zwangsläufig schlecht sind. Das Familie nicht immer blutsverwandt sein muss.
Deine Reihe spielt im Museum of broken Hearts. Kannst du uns etwas mehr dazu erzählen?
Ich liebe das Setting :D. In dem Museum sind vor allem Alltagsgegenstände ausgestellt, die eine Geschichte symbolisieren, in der das Herz gebrochen wurde. Dabei geht es nicht nur um Liebesbeziehungen, sondern auch um Momente zwischen Eltern und Kindern, Freunden, Tieren. Alles mögliche.
Jeder von uns könnte dort einen Gegenstand abgeben. In Kroatien existiert so ein ähnliches Museum. Als ich dort im Urlaub war, habe ich das Museum entdeckt und mich sofort verliebt. Obwohl die Geschichten auf den ersten Blick traurig wirken, steht das Museum auch sehr stark für Heilung und Neuanfänge.
Wie würdest du Juna und Link beschreiben?
Sie sind sehr ehrlich zueinander, kennen sich in und auswendig und trotzdem fällt es ihnen schwer, in diesem einen Punkt die Wahrheit zuzulassen: nämlich ihre Gefühle füreinander.
Kannst du eine Lieblingsstelle oder eins deiner liebsten Zitate aus dem Buch nennen?
Eins meiner Lieblingsstellen ist die Tiefgaragenszene. Sie ist so leidenschaftlich und schmerzhaft und ich kann seitdem nicht mehr durch Tiefgaragen fahren, ohne an Juna und Link zu denken.
Wie bist du zum Schreiben gekommen und warum ist es dir so wichtig, Menschen mit einer chronischen Erkrankung zu repräsentieren?
Ich schreibe eigentlich schon immer. Früher eher einzelne Szenen und seit der Uni ganze Bücher. Ich weiß gar nicht, wie ich genau dazu gekommen bin, die Sätze mussten einfach raus. Vielleicht auch ein bisschen dadurch, dass in der Kultur relativ ähnliche Seiten von Menschen mit Behinderungen und chronischen Erkrankungen dargestellt werden. In Büchern und Filmen existieren wenig andere Facetten von Betroffenen. Die möchte ich zeigen, ohne sie als Drama zu inszenieren. Es ist scheiße, eine chronische Erkrankung oder Behinderung zu haben, das soll auf gar keinen Fall runtergespielt werden. Aber das Leben besteht nicht ausschließlich aus dem Krankheitsbild. Juna und Links Liebesgeschichte dreht sich um andere Dinge. Ich möchte Menschen mit Behinderungen und chronischen Erkrankungen repräsentieren, in dem ich Verständnis schaffe, aber eben auch das Bewusstsein dafür, dass „unser“ Leben mehr ist als die Erkrankungen.
Gibt es auch lustige Stellen in der Geschichte?
Ja, definitiv. Eine Romcom ist es allerdings auch nicht.
Welche drei Dinge sollten deine Leser*innen sich vor dem Lesen parat legen?
- Ein Origamiherz für das Ende des Buchs (ihr versteht dann weshalb).
- Chips mit Dip (weil ich eine dezente Obsession dafür entwickelt habe :D)
- Einen Zettel und Stift, um aufzuschreiben, welchen Gegenstand man selbst im Museum of Broken Hearts abgegeben würde.
Klappentext

„Wir sammeln gebrochene Herzen – gib uns einen Gegenstand deiner verflossenen Liebe und lass sie endlich los!
Als Juna eine Zeichnung im Museum of Broken Hearts abgibt, hofft sie auf das Versprechen des Museums: Wer einen Gegenstand seiner verflossenen Liebe dalässt, wird sich von der Person lösen können. Perfekt! Denn Link ist nicht nur Junas bester Freund, sondern auch der ihres Bruders, und Juna muss dringend mit diesem Kuss, ihren Gefühlen und dem Bild abschließen, das Link von ihr gezeichnet hat. Um ihre Freundschaft nicht zu gefährden, geht sie dem Tattooartist aus dem Weg. Doch selbst in den kurzen Momenten, in denen sie sich sehen, ist das Feuer zwischen ihnen kaum zu bändigen – egal, wie sehr sie sich bemühen, die Grenzen ihrer Beziehung zu wahren…“
Mein Eindruck:
Bereits beim Lesen der Antworten habe ich angefangen, die Autorin für ihre starken Worte zu bewundern. Sie hat so viele unterschiedliche, aber nicht minder wichtige Aspekte benannt, die sich jeder Mensch in sein Bewusstsein holen sollte. Unabhängig davon, ob er gern liest oder nicht.
Veränderungen machen Angst, sind aber nicht zwangsläufig schlecht
Meine Gedanken sind Achterbahn gefahren und hallen immer noch in mir nach, obwohl es schon etwas her ist, dass ich diese Aussage erstmals gelesen habe. Denn ja, Routinen geben Sicherheit und Sicherheit brauchen wir Menschen. Veränderungen nehmen uns diese Routinen, stellen uns vor neue Herausforderungen und zwingen uns teilweise, unser Denken komplett umzustellen. Und doch kann sich keiner von ihnen freisprechen. Nicht immer müssen es gravierende Veränderungen sein: ein neuer Job, neuer Partner, ein Umzug, eine Krankheit, verlorene und neu gewonnene Freundschaften.
Wenn wir aber lernen, sie anzunehmen und ihnen mit einem gewissen Funken an Neugier entgegenzutreten, können wir lernen, zu wachsen.
Ich möchte eben auch das Bewusstsein dafür, dass „unser“ Leben mehr als die Erkrankung ist, schaffen.
Ich glaube, dass es zwei Probleme in der Gesellschaft geben kann. Oft beginnt das Umfeld, einen in gewisse Raster zu kategorisieren:
- “Das ist die mit den dünnen Haaren”
- “Das ist der mit den Depressionen”
- “Das ist die Alleinerziehende”
- “Das ist der im Rollstuhl”
Wenn man das immer wieder und wieder hört und darauf reduziert wird, nimmt man es selbst als seine Persönlichkeit an. Als das, was einen ausmacht. Dabei machen jeden Menschen unzählig viele Dinge aus und besonders.
Fazit
Zumindest der erste Band der Reihe verspricht eine Geschichte zu behandeln, die nicht nur beim Lesen berührt, sondern auch im Nachgang zum Denken anregt. Die Idee mit dem Museum of Broken Hearts finde ich genial und bin gespannt, was sich dort alles finden wird. Außerdem überlege ich, was ich dort lassen würde. Denn Hand aufs Herz: Wem wurde das Herz noch nie gebrochen?
Where I left my heart erscheint am 24. Juni 2025 im LEAF-Verlag ist und ist bereits vorbestellbar.
Aussicht auf Folgebände
- Where I owned my Voice
- Where I found my Soul
Wir bedanken uns bei der Autorin für das Interview und ihre Offenheit!
Artikel & Interview von Sandra