Berlin, Berlin – Die große Show der 1920er-Jahre

Besuchte Vorstellung: Dienstag, 25.02.2025 im Theater 11 in Zürich

BERLIN, BERLIN feierte im Dezember 2019 seine Weltpremiere im Admiralspalast in Berlin. Seit 2023 tourt das Musical durch Konzert- und Opernhäuser und zog bereits mehr als 225.000 Besucherinnen und Besucher in seinen Bann. Zwischenzeitlich ist das Musical immer mal wieder in seiner Heimat, dem Admiralspalast in Berlin zu sehen.

Der Vorhang ist noch geschlossen und im lila Licht steht ein altes Grammophon. Im Berliner Dialekt wird der Zuschauer begrüßt. Ein gealterter Soldat des ersten Weltkrieges hört die ersten Töne eines Liedes. Der Vorhang geht auf und wir befinden uns vor der Bühne des Admiralspalastes in den 1920er Jahren in Berlin.

Die «Goldenen Zwanziger» waren eine Zeit voller Gegensätze. Sie waren geprägt von politischer, wirtschaftlicher und kultureller Dynamik und voller Krisen und Spannungen. Der Erste Weltkrieg war vorbei und mit ihm die Monarchie. Die Politik mit ihren häufig wechselnden Regierungen und extremen Strömungen war sehr instabil. Die Frauen erkämpften sich das Wahlrecht (in Deutschland – nicht in der Schweiz, hier erst ab den 1970er Jahren) und wurden selbstbewusster und emanzipierter. Das «Leben» fand in den Großstädten statt.

© Christian Kleiner

Der Admiral (Tobias Licht) führt uns an diesem Abend durch verschiedene Szenen mit den Stars der 1920er, die zwischen 1927 und 1933 im Admiralspalast auftraten. Den hier gezeichneten Admiral kann man mit dem „Conferencier“ aus CABARET vergleichen. Mit Witz, Ironie und der ein oder anderen Interaktion mit dem Publikum verband der Admiral die verschiedenen Programmpunkte der Show. 

Was mir als erstes auffällt – und was mir immer sehr gut gefällt: es gibt eine Liveband, bestehend aus 8 Musikern, die auf der Bühne ihren Platz findet.

Auf der Bühne werde viele bekannte Songs der Goldenen Zwanziger in Originalsprache (englisch und deutsch) performt. Die Stimmung dieses Zeitalters scheint sich direkt aufs Publikum zu übertragen. Eine tolle Cast singt und tanzt Tango, Charleston, One-Step, Stepptanz und ich bin sehr beeindruckt, wie hier das Flair dieser Zeit zum Ausdruck gebracht wird.

Jil Clesse als Anita Berber, © Jens Hauer

Viele Showgrößen scheinen im Admiralspalast aufgetreten zu sein: Marlene Dietrich (Lena Müller), Anita Berger (Jil Clesse) und Josephine Backer (Dominique Jackson), aber auch die Comedian Harmonists (Samuel Franco, Yannic Blauert, Kevin Dickmann, Lucca Kleimann, Peter Fabig). Mir war bis zum Musicalbesuch nicht bewusst, dass der Text des Liedes „Mackie Messer“ tatsächlich aus der Feder von Bertold Brecht zu sein scheint.

Besonders gut hat mir der Laufbursche Kutte gefallen, der von Darsteller Sebastian Prange verkörpert wurde. Sebastian Prange schaffte es, mit hohem Sympathiefaktor und etwas Naivität, die die Rolle mit sich brachte, dem Publikum den ein oder anderen Lachflash zu entlocken. Insbesondere beim «Lachfoxtrott» war es schwierig, nicht mit zulachen.

Mir war gar nicht bewusst, wie viele bekannte Songs in den 1920er Jahren entstanden sind: „Putti’ n on the Ritz“, „Ich bin von Kopf bis Fuß“, „Mein kleiner grüner Kaktus“ oder „Veronica der Lenz ist da“. Der Dame hinter mir im Publikum, die mitsang, ging es wohl genauso.

Das revueartige Bühnenbild und die Beleuchtung waren perfekt. Auch das Fenster, aus dem man im Admiralspalast auf die Friedrichstrasse in Berlin gucken konnte, war ein kleines aber wirksames Detail, um einen Blick auf das Geschehen der Stadt zu werfen.

Das Lebensgefühl der 20er wurde voll auf den Zuschauer transportiert. Aber auch im zweiten Akt, als aus dem Zuschauerraum eine Person, die glücklicherweise ein Darsteller war, Josephine Baker – den ersten Schwarzen Superstar- rassistisch beleidigte, merkte man, wie sich eine Schwere durchs Publikum zog.

Auch in der letzten Szene, als der Admiralspalast von den Nazis geschlossen wurde, war sehr bedrückend.

Alles in Allem hat mir diese Revue mit mehr als 30 Songs sehr gut gefallen und ich fühlte mich wie durch eine Zeitreise in den Admiralspalast im Berlin der glamourösen 20er Jahre versetzt. Der Schwung und die Emotionen der Darsteller und Darstellerinnen wurde tänzerisch und gesanglich auf das Publikum übertragen. Daumen hoch für BERLIN, BERLIN.

Cast & Crew:

  • Der Admiral: Tobias Licht
  • Kutte: Sebastian Prange
  • Anita Berber: Jil Clesse
  • Marlene Dietrich: Lena Müller
  • Josephine Baker: Dominique Jackson
  • Comedian Harmonist: Samuel Franco,
  • Comedian Harmonist: Yannic Blauert
  • Comedian Harmonist: Kevin Dickmann
  • Comedian Harmonist: Lucca Kleimann
  • Comedian Harmonist: Peter Fabig
  • Ensemble: Theresa Weber, Jordan Maisuria-Wake, Jay Albray, Annis Rallis, Jack Buchanan, Agnes Püre, Izzy Cross, Sonny Grieveson
  • Choreografische Leitung: Matt Cole            
  • Regie: Christoph Biermeier
  • Musikalische Leitung: Michael Lieb                 
  • Resident Director: Michael Gugel
  • Dance Captain: Jay Albray
  • Stage Manager: Kristina Perner
  • Technische Leitung: Markus Klocker                 
  • Licht- und Videodesign: Nick Richings
  • Sounddesign: Dan Samson                             
  • Kostümdesign: Katia Convents
  • Perücken & Make Up: Andre Gutzler
  • Setdesign: Conny Kraus 

Wir bedanken uns bei FBM Entertainment für die Einladung!


Artikel von Susanne


Ein zweiter Blick (Berlin & Leipzig)

Ich durfte die Show insgesamt 4x erleben, davon 1x am Originalschauplatz, dem Admiralsplatz in Berlin. Als Zuschauer ist es sehr spannend in einen historischen Stoff einzutauchen und Geschichte lebendig werden zu lassen. Der Admiralspalast war zu seiner Zeit ein Ort, an dem der Mensch willkommen war.

© Claudia K

Egal ob Mann, Frau oder wen man liebte – die große Politik blieb vor der Tür. Hier herrschte das sündige Nachtleben und man fühlte sich wie in einer eigenen kleinen Welt. Durch diese Welt führt im Stück der Admiral, verkörpert von Friedrich Rau. Er schafft es mit seiner Stimme und seiner Ausstrahlung die Zuschauer in seinen Bann zu ziehen und glänzt mit vielen unterschiedlichen Soli. Mit seiner Stimme und seiner Darstellung des Admirals bringt er eine Figur auf die Bühne, die unterhält, einlädt und verführt, dann wieder ein guter Freund ist und den „Laden“ zusammenhält. Er trägt die Show und spielt gekonnt mit dem Publikum.

Doch auch er vermag es nicht, seinen Palast vor den erstarkenden Nazis zu schützen und muss als Jude schließlich ebenfalls fliehen. Und so begleitet der Zuschauer mehrere Schicksale im Admiralspalast. Große Karrieren beginnen hier, Künstler ziehen erfolgreich in die Welt, kehren aber auf den Ruf ihres Admirals hin gerne in den Palast zurück. Aber nicht allen ist der große Ruhm vergönnt.

Hier möchte ich besonders auf die Geschichte von Anita Berger eingehen. Sie begeistert ihr Publikum, kann aber den Drogen und dem Alkohol nicht widerstehen. Showstopper ist ihr Song Cabaret, der ihr Leben beschreibt und von Jil Clesse so grandios auf die Bühne gebracht wird. Gänsehaut pur beim Songfinale.

Leider kam es bei der Abendshow am 21.02.2025 zu einem Zwischenfall mit einem Zuschauer. Die Medien berichteten am Folgetag, dass bei der Präsentation einer Hakenkreuzfahne auf der Bühne (Anmerkung d. Red.: in diesem Zusammenhang auf der Bühne erlaubt) ein Zuschauer aufstand, den Hitlergruß zeigte und anschließend den Saal verließ. Es folgte ein Polizeieinsatz und eine Strafanzeige. Dieser Vorfall hat bei mir einige Fragen offengelassen, was die Reaktion des Publikums im wahrnehmbaren Bereich, aber auch die Reaktion des Opernpersonals nach Ende der Vorstellung betrifft und es zeigt, wie historisch aktuell die Show BERLIN, BERLIN ist.

© Claudia K

Zusatzbeitrag von Claudia K