Bad Hersfelder Festspiele 2024 – A Chorus Line

5,6,7,8 – Die Zweite im Sommer 2024

© Bad Hersfelder Festspiele

Premiere: 22. Juni 2024 – rezensierte Vorstellung: 30. Juni 2024, 15 Uhr

In der besonderen Atmosphäre der historischen Stiftsruine werden die Zuschauer bei den 73. Bad Hersfelder Festspielen 2024 mit, in den oft harten Alltag von Musicaldarsteller*innen hinein genommen. Mit „ A Chorus Line“ wird den Bad Hersfelder Festspielen die Ehre zu Teil, 2024 das erste deutschsprachige Freilichttheaterbühne zu sein, welches dieses Stück in einer eigenständigen Inszenierung sowie Choreografie auf die Bühne bringen darf. Denn ebenfalls diesen Sommer gibt es “A Chorus Line” auch in Hamburg in der deutschen Übersetzung zu sehen (wir berichteten).

Eine Audition zu bestreiten um ein Engagement zu erhalten, ist für Darstellende harte Arbeit und mit vielen Emotionen verbunden. Den erhofften Erfolg und somit einen Platz in der „Chorus Line“ zu erhalten und im Ensemble tanzen und singen zu dürfen, verlangt ihnen immer wieder aufs Neue alles ab.

Ein sehr schlicht gehaltenes Bühnenbild sowie Kostüme die auch gezielt reduziert gewählt wurden, ermöglichen dem Zuschauer den Fokus vollkommen auf die Darsteller und deren Geschichten zu richten. Das Orchester ist vor der Bühne platziert und so auch für die Besucher sichtbar. Die Stiftsruine ist mit einem mobilen Dach, sowie gepolsterten Stühlen ausgestattet, was einen sehr angenehmen Aufenthalt bei allen Wetterlagen schafft.

Die Handlung

Um acht Ensemblepositionen besetzten zu können, führt Star-Choreograph Zach eine knallharte Audition durch. Er verlangt von allen 18 Bewerber*innen, die es bis in die finale Runde geschafft haben, höchste Perfektion und Präzession. Doch reicht es Zach nicht, von allen höchstes Niveau beim tanzen und singen zu erhalten, nein, er fordert von jedem Einzelnen, seine persönliche Geschichte offen zu legen.

Nun muss also jeder von ihnen, zusätzlich zu den anstrengenden Tanz- und Gesangseinheiten, sein innerstes Seelenleben vor dem Choreographen, sowie den andern Mitbewerber*innen vortragen. Sehr emotionale Geschichten, wie jeder von ihnen zum tanzen gekommen ist, mit den verschiedensten Hintergründen kommen so zu Tage.

Während Zach an seinem Tisch anhand der Lebensläufe und Darbietungen, seine Auswahl treffen muss, kämpfen im Tanzsaal alle mit ihren Emotionen und der Hoffnung, gut genug zu sein um einen der begehrten acht Plätze zu erhalten. Alle benötigen diesen Job dringend und hoffen wie bei jedem Vortanzen, dass es für ein Engagement reichen wird. Bei jeder Audition müssen sie sich immer wieder Kritik, Selbstzweifeln und Ängsten stellen, doch alle vereint die Leidenschaft und Liebe für Tanz, Gesang und die Theaterwelt.

© Bad Hersfelder Festspiele

Doch auch der Star-Choreograph wird mit seinen Emotionen konfrontiert, denn seine alte Liebe Cassie steht mit im Bewerberfeld. Auch wenn er Cassie für qualifizierter hält, als das sie nur in der „Chorus Line” tanzen sollte, macht sie ihm klar, dass sie genau wie alle anderen diesen Job dringend benötigt. Auch in ihm entstehen durch Cassies Auftauchen alte Erinnerung, Zweifel und Hoffnungen. Genau die gleichen Emotionen, die all seine Bewerber bei seinem knallharten Casting durchleben.

Doch als sich Paul, ein Anwärter auf einen Platz im Ensemble, während der Audition verletzt, stellt Zach alle vor eine neue Herausforderung. Der Frage was sie tun würden, wenn sie nicht mehr tanzen könnten. Es beginnt ein weiterer emotionaler Schritt im Bewerberfeld und Zach muss sich nun entscheiden, wen er auf die vier weiblichen sowie vier männlichen Positionen besetzten möchte.

Die Inszenierung

Mit „ A Chorus Line“ in der Stiftsruine ist den Bad Hersfelder Festspielen mit ihrer Inszenierung ein sehr bewegendes, emotionales, leidenschaftliches und mitreisendes Musical gelungen. Jeder Theater- und Musicalbegeisterte sollte dieses Stück gesehen haben.

Es führt einem als Besucher das Leben eines jeden Darstellers, welcher uns auf einer Bühne in eine andere Welt entführt, in einem ganz neuen Blickwinkel vor Augen. Man fiebert und leidet mit den Charakteren auf der Bühne mit. Jede einzelne Geschichte berührt das Herz und man lernt die Theaterwelt hinter der Bühne ein bisschen besser kennen. Es führt zu mehr Verständnis und vor allem Wertschätzung gegenüber allen Beteiligten in dieser Branche.

Denn nicht nur mit den Bewerbern fühlt man Empathie, auch mit dem nach außen knallhart wirkenden Choreographen fühlt man mit. Auch er hat seine eigene Geschichte und Entscheidungen über das Weiterkommen oder Ausscheiden und somit auch über einzelne Schicksale zu treffen, ist nicht einfach.

Diese Inszenierung vereint alle diese Emotionen in einem Stück.

© Bad Hersfelder Festspiele

Das dezente Bühnenbild welches einen Tanzsaal darstellt, zwei LED- Leinwände auf denen Liveaufnahmen, wie bei einer richtigen Audition zu sehen sind und bewegliche schwarze Elemente an denen drehbare Spiegel eingearbeitet wurden, lassen den Fokus auf die Geschichten richten und passen hervorragend zu diesem Stück. Auch die Tatsache, dass Zach einen Großteil der Zeit an einem Tisch in mitten der Zuschauer sitzt gibt dem Ganzen noch mehr Casting-Charakter sowie das Gefühl, selbst als Zuschauer direkt dabei zu sein. Auf den LED-Leinwänden wird Zach immer wieder eingeblendet, sodass alle Besucher ihn sehen können.

Die Kostüme sind sportliche Outfits, wie es bei Auditions üblich ist. Erst zum großen Finale erstrahlen alle Darsteller in prächtig glitzernden Kostümen. Sehr aufwendige und hervorragende Choreografien sowie die berührenden Lieder von „ A Chorus Line“ begeistern von Beginn an.

In manchen Szenen war das Orchester leider etwas lauter als die Mikrofone der Darsteller, sodass an mancher Stelle der Text etwas schwerer zu verstehen war. Dennoch war es ein Genuss dem Orchester zu hören zu dürfen. Noch zu erwähnen ist die unglaubliche Leistung aller Darstellenden sowie dem Orchester. Da das Stück ohne Pause gespielt wird und fast alle Darstellenden in fast jeder Szene auf der Bühne agieren, sowie mit jeglichen Wetterlagen konfrontiert sind, kann man die Darbietung nur in hohem Maße anerkennen.

Die gesamten Lieder wie Monologe werden auf Deutsch vorgetragen, um das Verständnis für jeden einzelnen Charakter klar darzustellen.

Einzelne Darstellende hervorzuheben würde der Arbeit aller auf der Bühne und diesem Stück nicht gerecht werden. Denn alle gemeinsam schaffen durch ihr leidenschaftliches Einbringen ihrer Talente und eigenen Erfahrungen, diesem Stück Leben einzuhauchen und sind gesanglich wie tänzerisch auf hohem Niveau. Dennoch ist die außergewöhnliche Leistung von Arne Stephan als Choreograph Zach zu erwähnen. Dies ist die einzige reine Schauspielrolle in diesem Stück mit einigen Tanzszenen. Stephan überzeugt mit einer sehr klaren, ausdrucksstarken Darstellung und zeigt auch sein tänzerisches Können. Vor allem in den Momenten an denen er an seinem Tisch  in mitten der Zuschauer sitzt, spielt er absolut fokussiert. Eine großartige Darbietung.

Bis zum 18. August 2024 ist dieses fantastische Bühnenstück in der Stiftsruine bei den Bad Hersfelder Festspielen noch zu sehen. Restkarten gibt es direkt unter www.hersfelder-festspiele.de.

 

Cast & Crew: 

  • Zach ,Choreograph: Arne Stephan
  • Larry, sein Assistent: Alan Byland
  • Al: Benjamin Sommerfeld
  • Bebe: Samantha Turton
  • Bobby: Pascal Cremer
  • Cassie: Emma Kate Nelson
  • Connie: Vivian Wang
  • Diana: Myrthes Monteiro
  • Don: Rhys George
  • Frank: Stefan Schmitz
  • Greg: Thiago Fayad
  • Judy: Anneke Brunekreeft
  • Kelly: Julia- Elena Heinrich
  • Kristine: Maria Joachimstaller
  • Louis: Grace Simmons
  • Maggie: Kelly Panier
  • Mark: Alessandro Ripamonti
  • Mike: Johan Vandamme
  • Paul: Anton Schweizer
  • Richie: William Briscoe- Peak
  • Roy: Tobias Stemmer
  • Sheila: Olivia Grassner
  • Tricia: Katrin Merkl
  • Val: Clara Mills- Karzel
  • Vicki: Lavinia Kastamoniti
  • Buch: James Kirkwood und Nicholas Dante
  • Musik: Marvin Hamlisch
  • Songtexte: Edward Kleban
  • Deutsche Fassung: Robin Kulisch
  • Regie und Choreografie: Melissa King
  • Musikalische Leitung: Christoph Wohlleben
  • Bühne: Karin Fritz
  • Video: Eric Dunlap
  • Kostüm: Conny Lüders
  • Dramaturgie: Wiebke Hetmanek
  • Sounddesign: Joerg Gruensfelder
  • Lichtdesign: Pia Virolainen
  • Co Lichtdesign und Operator: Svein Selvik
  • Choreografische Assistenz:  Samantha Turton
  • Korrepetition: Martin Schmidt
  • Es spielte das Orchester der Bad Hersfelder Festspiele GbR

Artikel von Rebecca G.