Swing Street – Musical-Uraufführung in Fürth 2020

Premiere am 16. Oktober 2020 im Stadttheater Fürth

Der Start des neuen Jahrzehnts hätte holpriger nicht sein können. Was im Januar und Februar noch ganz gut aussah, entwickelte sich im März durch die Corona-Pandemie für viele zur Katastrophe. Besonders gebeutelt von der Corona-Pandemie sind die Kulturschaffenden. Produktion um Produktion musste abgesagt oder verschoben werden, darunter Uraufführungen wie „Zeppelin“ oder „Robin Hood“. Die Verantwortlichen vom Stadttheater Fürth waren aber trotz aller Umstände von Anfang an optimistisch, ihre Uraufführung des Musicals „Swing Street“ über die Bühne zu bringen und am 16. Oktober 2020 war es dann endlich soweit. Das neue Musical von Thilo Wolf (Idee, Komposition), Ewald Arenz (Buch, Songtexte) und Gaines Hall (kreativer Mitentwickler, Inszenierung, Choreografie) konnte unter Einhaltung aller aktuell geltenden Corona-Richtlinien in Bayern dem 200-köpfigen Publikum (normalerweise 740 Plätze) präsentiert werden.

„Swing Street“ erzählt die Geschichte zwischen Anna und Mike im Hier und Jetzt. Die beiden wandern nach New York aus, um ihre Träume zu verwirklichen. Mike möchte Karriere als Banker machen und Anna als DJane. Die beiden sind sich einig, dass sie das Erfolgspaar des Jahres werden. Doch mit der Zeit kühlt die Stimmung zwischen den beiden ab. Mike ist auf Erfolgskurs, doch bei Anna läuft es gar nicht rund. Mike stellt seine Karriere vor die Beziehung zu Anna. Während sich für Mike alle Ziele zu erfüllen scheinen, zerbricht der große New- York-Traum für Anna immer mehr. Sie schafft es nicht, beruflich Fuß zu fassen. Mike hingegen stürzt sich in die Arbeit und hat keine Zeit mehr für Anna. Sie leben sich sprichwörtlich auseinander und Anna steht alleine da.

Anna ist enttäuscht. Mit der Zeit lernt Anna Doris, die Besitzerin eines Plattenladens, kennen. In Doris findet Anna eine Verbündete, denn sie beide verstehen die Männerwelt nicht wirklich, wohingegen Mike mit seinem Kumpel Tom die Frauenwelt nicht versteht.

Doris ist der Schlüssel in die Vergangenheit. Durch sie kann Anna sich auf eine Zeitreise in eine andere Welt begeben, in die Welt des Swings. Durch eine Tür im Plattenladen landet Anna auf der Swing Street der 1930er-Jahre. Dort lernt sie Pete kennen. Pete kann ihr augenscheinlich das geben, was Anna aktuell an Mike vermisst. Mike begreift erst, als es schon fast zu spät ist, was ihm wirklich wichtig ist. Nämlich Anna. Selbst Doris und Tom müssen sich eingestehen, dass es die wahre Liebe wohl tatsächlich gibt. Bald muss sich Anna allerdings entscheiden, in welcher Zeit sie leben möchte. Im Hier und Jetzt bei Mike oder in den 30er-Jahren bei Pete? Anna trifft eine Entscheidung, die das Leben aller Beteiligten für immer verändern wird.

Das Bühnenbild der „Swing Street“ wirkt recht opulent und anhand würfelartiger Elemente entstehen innerhalb kürzester Zeit verschiedene Räume, wie z.B. Doris´ Plattenladen oder das Schlafzimmer von Anna und Mike. Die Thilo Wolf Big Band sitzt nicht im Orchestergraben, sondern auf der Hinterbühne und ist beim Großteil der Szenen mitten im Geschehen. Der Orchestergraben wird zusätzlich als bespielbare Fläche genutzt, sodass schnell der Ort der Handlung umfunktioniert werden konnte. So wurde aus dieser Fläche ein Fitnessstudio, Diner oder Club.

Die Komik und auch eine gewisse Ironie zur Gesamtsituation darf in dieser Inszenierung nicht fehlen. So sorgt Tom (Simon Hauser), Mikes bester Freund, mit seinen Sprüchen und seinem Auftreten für reichlich Lacher. Mike selbst, dargestellt von Friedrich Rau, sorgt ebenfalls für Unterhaltung, wenn er z.B. versucht, auf Laufbändern zu Tanzen. Aber auch geschickt in Szene gesetztes Bier der Marke Corona erzeugte bei dem ein oder anderen wohl ein Schmunzeln.

Das gesamte Ensemble ist wunderbar besetzt. In den Hauptrollen sind Karolin Konert, Friedrich Rau, Bettina Meske, Niklas Schurz und Simon Hauser zu erleben. Aber auch das weitere Ensemble ist top besetzt. Denn hier können sogar Studierende der Theater Akademie August Everding ihr Können unter Beweis stellen. Hier wird nicht nur gesungen und geschauspielert, sondern auch getanzt und das nicht irgendwie. Stepptanz sowie Charleston und viele weitere Rhythmen finden in der „Swing Street“ ihren Platz. Für die Studierenden ist das Mitwirken an diesem Musical im Übrigen ein letzter Baustein zum Bachelor bzw. Master of Arts.

Karolin Konert als Anna und Friedrich Rau als Mike harmonieren stimmlich fantastisch. Schöne Musicalballaden wie „Auf dem Mond“ sorgen für emotionale Momente und rücken die Künstler ins rechte Licht. Friedrich Raus Gitarrensolo ist pur und gefühlvoll und steigert sich im weiteren Verlauf unter dem Einsatz der Big Band und dem Ensemble.

Bettina Meske überzeugt mit ihrer kraftvollen starken Stimme und spielt die Besitzerin des Plattenladens und ehemalige Diva Doris streng und fast unnahbar, wenn sie Anna gegenüber erzählt, dass die Platten zum Abspielen vom Swing da wären und nicht zum zerkratzen, wie es eine DJane täte. Im Verlauf der Handlung verändert sich Doris´ Verhalten gegenüber Anna und sie wirkt fast mütterlich, wenn sie als Torwächterin zur Vergangenheit bestimmt, wer Zutritt bekommt. Schließlich gibt es irgendwann kein Zurück mehr.

Ebenso hervorzuheben sind die Swing Sisters, dargestellt von Lydia Schiller, Rosa Kremp und Melissa Muther. Sie werden zum einen in die Szenerien eingebaut, wenn Doris sie z.B. bittet, weiterhin ein Auge auf Anna zu haben oder sie singen kleine Reprisen der vorangegangenen Songs während kurzer Umbauten. Die Swing Sisters erinnern ein wenig an die bekannten Andrew Sisters.

Die Choreografien von Gaines Hall lassen die eigenen Füße mit wippen und verzaubern einen. Besonders beeindruckend ist das kämpferische Tanzbattle zwischen Mike und Pete um Anna. Hier präsentiert das gesamte Ensemble inklusive der Solisten viel Stepptanz und dies überzeugt am Ende auch Anna.

Nun kann man sich zurecht die Frage stellen, wie die geltenden Abstandsregeln auf der Bühne gelöst wurden. Zum einen wurde und wird das gesamte Ensemble regelmäßig getestet und zum anderen wohnt ein Teil der Ensemblemitglieder zusammen, sodass diese sich in sämtlichen Szenen näherkommen dürfen. Ansonsten wird durch geschickte Choreografien von Gaines Hall der Abstand eingehalten. Es kommt einem aber nicht so vor als sei dieser ungewollt oder störend.

Die Big Band unter der Leitung von Thilo Wolf spielte munter swingend durch den Abend. Das Saxofon-Solo bleibt besonders in Erinnerung.

„Swing Street – Das Musical“ ist, auch wenn es aktuell ohne Pause gespielt werden muss, ein kurzweiliges rund 2-stündiges Musical. Auch wenn die Geschichte für den ein oder anderen relativ simpel daherkommen mag, so entflieht an diesem Abend nicht nur Anna in eine andere Welt, sondern auch das gesamte Publikum. Gerade in dieser stressigen und schnelllebigen Welt, die aktuell von der Corona-Pandemie geprägt ist, ist solch ein Abend Balsam für die Seele.

Gespielt wird noch bis zum 31. Oktober 2020. Eine Cast-Aufnahme befindet sich in der Postproduktion und mit etwas Glück geht die „Swing Street“ bald in eine zweite Spielzeit.

ANMERKUNG: Ab Donnerstag, dem 22. Oktober 2020 müssen im Stadttheater Fürth auch Mund-Nasen-Masken am Platz getragen werden. Die Stadt hat den ersten kritischen Corona-Warnwert überschritten, sodass die erweiterte Maskenpflicht nun in Kraft tritt.

Weitere Eindrücke


Gastbeitrag von Sonja. S und Silke H. für Bühnenlichter.de in Zusammenarbeit mit Anna-Virginia


 

Swing Street – Musical in 2 Akten und 18 Szenen

Musical von Thilo Wolf (Idee, Komposition), Ewald Arenz (Buch, Songtexte) und Gaines Hall (Kreativer MitEntwickler/Inszenierung/Choreografie)
Produktion Stadttheater Fürth

  • Anna, Mikes Freundin: Karolin Konert
  • Mike, Annas Freund / Immobilienmakler: Friedrich Rau
  • Doris, Besitzerin eines Plattenladens / Diva: Bettina Meske
  • Pete, Stepptänzer: Niklas Schurz
  • Tom, Makler / Mikes Freund: Simon Hauser
  • Swing Sisters: Lydia Schiller, Rosa Kremp, Melissa Muther
  • Ensemble: Taryn Nelson di Capri, Julius P. Williams III, Melanie Oster (Swing)
  • Studierende der Theaterakademie August Everding: Marco Beck, Larissa Hartmann, Jacob Hetzner, Frank Kühfuss, Manuel Mignemi, Sarah Sonnenschein, Julia Taschler, Klaudia Zajac

 

  • Thilo Wolf Big Band: Norbert Nagel, Julian Bossert, Norbert Emminger (Saxofone, Klarinetten, Flöten), Felice Civitareale, Sebastian Strempel (Trompeten, Flügelhörner), Hans-Heiner Bettinger/Denis Cuni, Christoph Müller (Posaunen), Thilo Wolf (Piano und Leitung), Béatrice Kahl/Alexander Köhler (Keyboard), Andreas Blüml (Gitarre), Sebastian Klose (Bass), Julian Fau (Schlagzeug)
  • Musikalische Leitung: Thilo Wolf
  • Kreativer Mit-Entwickler/Inszenierung/Choreografie: Gaines Hall

 

  • Ausstattung: Lena Scheerer
  • Künstlerische Mitarbeit/Dramaturgie: Katja Kendler/ Matthias Heilmann
  • Licht: Sebastian Carol
  • Musik-Arrangements: Thilo Wolf/Christoph Müller
  • Regieassistenz/Abendspielleitung: Agnes Wiener
  • Choreografie-Assistenz/Dance Captain: Melanie Oster
  • Promotion Wavehouse Entertainment: Nina Gold
  • Korrepetition: Beatrice Kahl/Alex Köhler
  • Inspizienz: Maria Floiger
  • Gewandmeisterin: Kaja Fröhlich-Buntsel
  • Requisite: Daniela Weigel
  • Maske: Nicole Zürner
  • Technische Leitung: Heino Gebauer
  • Bühnenmeister: Christian Forster
  • Ton: Alexander Sticht, Wolfgang Meyer, Hubertus Mohr