Singin` in the Rain – Du sollst mein Glücksstern sein am Theater Lüneburg

Musical von Betty Comden, Adolph Green, Nacio Herb Brown, Arthur Freed

Besuchte Vorstellung: 26.Oktober 2019

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Während wir Bühnenlichter am 29. Juni in Bad Segeberg der Premiere von „Unter Geiern – Der Sohn des Bärenjägers“ und damit dem Beginn der Freilichtsaison am Kalkberg entgegenfieberten, zeigte das Theater Lüneburg, 110 Kilometer entfernt, zum Saisonabschluss 2018/2019 die Premiere von „Singin´ in the Rain“.

Das wohl bekannteste Filmmusical aus dem Jahr 1952 wurde erst 1983 für die Bühne adaptiert. Für uns sollte es im Oktober das erste Mal sein, dass wir die Bühnenfassung sehen würden. Den Film hatten wir schon als Kinder öfters gesehen und er ist einer der wenigen Klassiker des Genre Musikfilm, die auch hier in Deutschland auf DVD und Blu-Ray erhältlich sind.

Neben dem berühmten Titelsong, bei welchem Gene Kelly im Film fulminant durch den Regen steppt, gibt es noch solch bekannte Songs wie „Make ’em laugh“ und „Good Mornin´“ zu hören. Debbie Reynolds und Donald O´Connor vervollständigten das Trio der Hauptdarsteller, die ihre Hochzeiten in den 1940er und 1950er Jahren im Hollywoodmusical hatten.

Handlung

Die Geschichte erzählt vom Siegeszug des Tonfilms Ende der 1930er Jahre und dessen Folgen für Stummfilmstars, verpackt in eine Liebeskomödie. Alles beginnt auf der Premiere des neuesten Film des Hollywoodtraumpaares Lina Lamont und Don Lockwood. Diese werden dort gefeiert wie eh und je. Auf die Fragen von Klatschreporterin Dora antwortet jedoch nur Don. Immer wenn Lina versucht ans Mikrofon zu treten, um etwas zu sagen, schiebt er sie weg. Warum er das macht, hört man kurz danach hinter dem Vorhang, als sie sich darüber beschwert. Ihre Stimme klingt so schrill und schräg, dass einem die Ohren platzen und sich die Zehennägel hochrollen.

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Gerd Achilles als “Don Lockwood” mit dem Ensemble

Auf der nachfolgenden Premierenfeier im Haus von Studioboss R.F. Simpson spielt dieser seinen Gästen einen kleinen Film vor. Mit Ton. Die Anwesenden suchen den Redner hinter der Leinwand, aber dort steht niemand. Es kommt aber bei den Leuten nicht an und alle sind der Meinung, dass Film mit Ton keine Zukunft hat. Cosmo Brown, Klavierspieler und schon seit Kindertagen mit Don befreundet, schwant jedoch Böses. Nicht nur dass die Schauspieler Probleme bekommen werden, auch er als begleitender Musiker muss um seinen Job fürchten.

Mit dem Film „Der Jazzsänger“, der teilweise vertont und mit Songs gespickt ist, feiert das Filmstudio Warner Bros. kurz darauf große Erfolge und alle anderen Filmstudios müssen nun nachziehen. Also wird der nächste Lamont/Lockwood-Film kurzerhand während der Dreharbeiten zum Tonfilm umfunktioniert. Für alle ist es eine Leidprobe, sobald Lina mit ihrer schrillen Stimme versucht Worte zu formen. Da hilft nicht mal eine Sprachtrainerin, die sich so sehr bemüht.

Aber da naht die Rettung in Form von Kathy, einer jungen Frau, der Don nach der Premierenfeier des letztens Filmes begegnet war. Er wollte zu Fuß zur besagten Premierenfeier gehen, aber wurde von zu vielen Menschen erkannt und verfolgt. Seine Rettung war, mit der wildfremden Kathy so zu tun, als seien sie ein Pärchen. So rannte die Meute an ihnen vorbei. Sie war darüber gar nicht erfreut und rief sofort einen Polizisten herbei. Dieser aber erkannte Don und Kathy hörte nun seinem Grund an, warum er sie so behandelt hatte. Die beiden kamen weiter ins Gespräch, Don war fasziniert. Auch von der Art, wie Kathy ihm entgegentrat. „Sie sind nur ein Schatten auf der Leinwand, aber ich hingegen bin Schauspielerin und fülle die Bühne mit Leben!“, sagte sie zu ihm und verschwand mit dem Omnibus. Auf der Party gehörte sie dann aber zu den Tanzmäusen, die dort für den musikalischen Teil des Abends verantwortlich waren. Als der Auftritt vorüber war, konnte Don nicht drum herum, Kathy ihre Aussage zum Schatten auf der Leinwand schmunzelnd unter die Nase zu reiben. Der Abend endete damit, dass Kathy den Schauspieler mit einer Torte bewerfen wollte, aber die hochnäsige Lina traf. Diese hatte nun ab diesem Moment einen Zorn auf Kathy.

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Gerd Achilles und Merle Hoch (Beate Weidenhammer auf Leinwand)

Im Laufe der Geschichte kommen sich Kathy und Don immer näher und verbringen nach einigem Hin und Her viel Zeit miteinander. Doch vor der Öffentlichkeit muss dies geheim gehalten werden, denn diese, sowie Lina Lamont selber, denkt, dass Don und Lina ein Paar seien und bald heiraten würden. Und das obwohl Don seiner Filmpartnerin schon des Öfteren zu verstehen gegeben hat, dass da nichts ist und ihre angebliche Liaison nur den Klatsch und Tratsch anheizen soll.

Kurz darauf wird der fertiggestellte Film „The Dueling Cavalier“ einem Testpublikum vorgeführt und fällt dabei total durch. Nicht nur dass Linas Stimme ein Graus ist, auch die neue Technik zeigt ihre Tücken. Die Zuschauer verlachen den Film. Cosmo, Kathy und Don überlegen die halbe Nacht, wie man den Film noch retten könnte. In den frühen Morgenstunden steht fest: Es muss ein Musical sein. Aber was macht man nun mit Lina? Kurzerhand wird Kathy zu ihrer Stimme und in den letzten drei Wochen vor der Premiere werden tagsüber die neuen Szenen mit Lina gedreht und nachts von Kathy nachsynchronisiert.

Lina erfährt durch ihre Schauspielkollegin Zelda davon und versucht zu verhindern, dass es bekannt wird. Sie droht das Filmstudio zu verklagen und stellt zusätzliche Forderungen. Unter anderem, das Kathy sie weiter synchronisiert aber sonst niemand von ihr wissen darf. Kathys Name sollte später im Nachspann erscheinen und sie sollte mehrere Hauptrollen in Filmen erhalten. Zuerst hat Lina Erfolg damit, doch bei der Premierenfeier von „Der tanzende Kavalier“, so nun der Titel des Filmes, heben Simpson und Don langsam den Vorhang, hinter dem Kathy steht und für Lina singt. Die junge Schauspielerin will fliehen, aber Don schafft es sie davon abzuhalten, ist sie doch sein Glücksstern. Lina verlässt empört das Filmtheater, aber das Publikum jubelt nun dem neuen Traumpaar zu. Die beiden sind jetzt auch privat ein Paar.

Unsere Meinung

Rund 2 Stunden und 45 Minuten begleiten wir als Zuschauer das Geschehen auf der Bühne und wir bekommen einiges geboten: Knackige Steppnummern, wunderschöne Kostüme, ein klasse Orchester und tolle Stimmen, vom ersten Darsteller bis zum letzten Performer im Chor. Das Bühnenbild von Barbara Bloch spielt mit Motiven aus der Filmwelt, eine große Filmrolle, die sich drehen lässt und den Akteuren an und in ihr Spielraum bietet, bildet sehr oft den Bühnenmittelpunkt. Eine überdimensionale Filmklappe dient als Leinwand für die Filmvorführungen, von denen es einige gibt. Später, bei „Singin in the Rain“, wird es sogar richtig nass auf der Bühne.

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Die Voraufführung des ersten Tonfilmes mit Lina Lamont wird zum Disaster (zu sehen Elke Tauber als Zelda und Beate Weidenhammer als Lina).

Während der Ouvertüre sehen wir ein kleines Filmchen in schwarz-weiß, in dem die Ankunft der Stars bei der Premiere von „Der königliche Schurke“ gezeigt wird. Aus dieser Stummfilmvariante wird dann Realität und die Bühne verwandelt sich in den roten Teppich vorm Lichtspielhaus. Später im Stück werden weitere Filmaufnahmen eingesetzt, die die Darsteller in ihren Rollen auf der Leinwand zeigen. Am Anfang sind es noch Stummfilmsequenzen mit den eingeblendeten Texten und der Livemusik vom Klavier. Wer sich damit nicht auskennt: da es noch nicht möglich war, den Ton auf Zelluloid zu bannen, hatte jedes Kino Pianisten, die die Filme live am Klavier begleiteten. Deswegen fürchtet Cosmo auch um seinen Job.

Diese Filmchen sind recht amüsant und zeigen, wie übertrieben kitschig diese Stummfilme doch waren. Große Gesten, nicht nur vom Körper her, sondern auch in der Mimik, waren an der Tagesordnung. Wer jemals „Sunset Boulevard“ gesehen hat, braucht sich nur an das Auftreten von Norma Desmond erinnern. „With one look, I can break your heart“, singt sie unter anderem. Und das war die Art, wie die Stummfilmschauspieler sich ausdrückten, über übertriebene Mimik und Gestik. Dies hat das Ensemble unter der Regie von Olaf Schmidt gut umgesetzt. Man weiß nicht, ob man weinen oder lachen soll, doch letztendlich entscheidet man sich fürs Lachen, so überdreht und witzig ist das Gehabe auf der Leinwand. Besonders die ersten Drehversuche mit Ton und die Testvorführung des neuen Filmes sind gut umgesetzt.

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“Beautiful Girl” Merle Hoch als Kathy Seldon mit Alexander Tremmel und dem Ensemble

In der ersten Hälfte stockt es dennoch durch die Umbauten zu den Einspielungen hin und wieder etwas. Wett machen das die vielen Stepptanzeinlagen. Davon gibt es eine ganze Menge und sie sind wirklich gut. Es macht richtig Spaß, ein Stück auf der Bühne zu sehen, in dem so richtig viel gesteppt und getanzt wird. Da macht das Herz des klassischen Musicalzuschauers richtige Hüpfer. Für die vielen Tanzchoreografien zeichnen Regisseur Olaf Schmidt und Steppcoach Sean Stephens die Verantwortung.

Merle Hoch, die als „Kathy Seldon“ auf der Bühne steht und viele der Choreografien mittanzen muss, schrieb auf ihrem Facebook-Kanal: „Ich entschuldige mich hiermit bei all meinen Stepplehrern, zu deren Unterricht ich eher selten gegangen bin. Es bleibt offensichtlich doch nichts ungesehen und kommt alles zurück! Hier steppe ich nun als Kathy durch den Regen, aber viel mehr steppen meine lovely Kollegen Gerd Achilles als smarter Don und Kristian Lucas als Cosmo.“ Dennoch konnte sie mit den anderen Tänzern gut mithalten und machte auch sonst eine gute Figur, gesanglich, wie auch schauspielerisch.

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v.l.n.r.: Kristian Lucas, Ulrich Kratz, Steffen Neutze

Ulrich Kratz steht als Studioboss „R.F. Simpson“ auf der Bühne. Die „Allzweckwaffe“ des Theater Lüneburg kann sich hier wieder einmal von seiner leicht komödiantischen Seite zeigen, obwohl ihm Rollen wie „Viktor Komarovskij“ in „Doktor Schiwago“ (seit 16.11.19 ebenfalls am Theater Lüneburg in einer genialen Inszenierung zu sehen) besser stehen.

Den Regisseur „Roscoe Dexter“, der wohl auch mit am meisten unter den Allüren von „Lina“ zu leiden hat, stellt Steffen Neutze herrlich verzweifelnd da. Wenn man ihn dann danach als „Pascha“ in „Doktor Schiwago“ sieht, kann man kaum glauben, dass es ein und derselbe Schauspieler ist. Kirsten Patt gibt Klatschreporterin Dora Bailey. Sie schafft es, die übertriebene Bewunderung für die Darsteller, die eben die Promiexpertinnen der Abendmagazine auch heute noch ausmacht, gut auszudrücken.

Man kann „Kathy Seldon“ und „Lina Lamont“ in keinster Weise vergleichen, aber Beate Weidenhammer spielt den Filmstar mit der nervtötenden Quäkestimme so überzeugend gut, dass sie am Schluss den meisten Applaus erntet. Zudem agiert sie in ihren Szenen, nicht nur auf der Leinwand, sehr übertrieben in Mimik und Gestik. Anders als im Film hat die Figur auf der Bühne mehr Raum zur Entfaltung und mit „Was läuft hier schief“ sogar ein eigenes Lied, nachdem man sie sogar ein wenig bemitleidet. An manchen Stellen hat sie auch etwas von Cinderellas bösen Stiefschwestern, so quäkig hört sie sich an.

Als „Don Lockwood“ steht Gerd Achilles auf der Bühne, sein Partner und Freund aus Kindertagen, „Cosmo Brown“, wird von Kristian Lucas dargestellt. Locker und Selbstbewusst spielt Achilles den Schauspieler, der um seine Karriere kämpft und von „Kathy“ so fasziniert ist. Er darf auch den titelgebenden Song kurz vor der Pause auf der Bühne performen, auf der es wirklich regnet. Cosmo ist immer da, wenn Don Hilfe braucht und gibt gute Ratschläge. Mit „Make em laugh – Gib den Clown“ heitert Cosmo Don auf. Eine Herausforderung, die Lucas sehr gut meistert. Beide können hier alle Register ihres Könnens ziehen, besonders bei den Tanznummern sind sie sehr gefordert und mit viel Einsatz dabei. Es bringt einfach nur Spaß, ihnen zuzusehen. Kristian Lucas übernahm kurz darauf die Hauptrolle in „Doktor Schiwago“ und zeigt dort noch mehr Facetten seines Könnens.

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v.l.n.r.: Gerd Achilles, Marcus Billen, Kristian Lucas

Mit diversen Zungenbrechern wie „Drei treulose Tratschtanten trippelten trällernd auf trügerisch trockenem Troittoir“ bekommt es der Zuschauer zu tun, als Don und Cosmo beim Sprachlehrer in dessen Unterrichtsräumen sind. Hier ist ein Extraapplaus für Marcus Billen, den Lehrer, fällig. Die ganze Szene ist ein Spaß und fordert die Schauspieler sehr heraus. Sie müssen überhaupt in sehr vielen Szenen schneller und klarer sprechen; gerade bei diesem Thema ist das wichtig.

Die Kostüme stammen von Susanne Ellinghaus und sie durfte nicht nur die Kleidung im Stil der 1920er Jahre entwerfen sondern auch im Rokoko-Stil. Die Symphoniker werden dirigiert von Ulrich Stöcker, den Chor leitet Phillip Barczewski. Sie musizieren und ersingen sich den wohlverdienten Applaus des Publikums.

Alles in allem ein schöner Theaterabend, den das gesamte Ensemble am Ende mit Friesennerz, Regenschirmen und dem Titelsong des Abends noch einmal abschließt und unter tosendem Applaus beendet. Wer „Singin in the Rain“ in Lüneburg noch sehen möchte, hat 2020 noch zehnmal die Möglichkeit dazu. Wir können diese Inszenierung nur empfehlen. Genauso wie die Lüneburger Inszenierung von „Doktor Schiwago“, die wir hier das ein oder andere Mal schon erwähnten. Beide Stücke zeigen wieder eindrucksvoll, was man im Bereich Musical alles auch ohne große Bühne bewerkstelligen kann. Ein Bericht zu „Doktor Schiwago“ folgt.

Termine und Tickets für beide Musicals gibt es beim Theater Lüneburg online und telefonisch 0 41 31 / 42 100 und bei Eventim einzusehen und zu erwerben.

Text: Nathalie
Bilder: © t&w / Andreas Tamme


Das künstlerische Team

Musikalische Leitung Ulrich Stöcker
Inszenierung Olaf Schmidt
Choreographie Sean Stephens, Olaf Schmidt
Bühnenbild Barbara Bloch
Kostümbild Susanne Ellinghaus

Das Ensemble

Don Lockwood Gerd Achilles
Kathy Seldon Merle Hoch
Cosmo Brown Kristian Lucas
Lina Lamont Beate Weidenhammer
R.F. Simpson, Studioboss Ulrich Kratz
Roscoe Dexter, Regisseur Steffen Neutze
Dora Bailey, Reporterin Kirsten Patt
Zelda Zanders, Hollywoodsternchen Elke Tauber
Polizist Wout Geers
Sprecherzieherin, Sprecherzieher Astrid Gerken, Marcus Billen
Tenor Alexander Tremmel
Rod, PR-Chef Oliver Hennes
Kinderdarsteller sind im Wechsel Tomek Endsin, Leonhard von Freymann, Jakob von Mansberg und Justus Tribian.

Sowie Damen und Herren des Balletts, Haus-und Extra-Chor, Kinder-Statisterie
Lüneburger Symphoniker


Termine:

Premiere: 29. Juni 2019. Großes Haus

Vorstellungen 2019:
30.06.2019 um 15 Uhr
06.10.2019 um 19 Uhr (Wiederaufnahme Spielzeit 19/20)
11.10.2019 um 20 Uhr
25.10.2019 um 20 Uhr
26.10.2019 um 20 Uhr
21.11.2019 um 20 Uhr
04.12.2019 um 20 Uhr
31.12.2019 um 19 Uhr

Vorstellungen 2020:
21.01.2020 um 20 Uhr
23.02.2020 um 19 Uhr
13.03.2020 um 20 Uhr
28.03.2020 um 20 Uhr
29.03.2020 um 19 Uhr
02.04.2020 um 20 Uhr
25.04.2020 um 20 Uhr
29.05.2020 um 20 Uhr
30.05.2020 um 20 Uhr