Nach den Fakten kommt das Nichts
Aufführung vom 15.11.2017
mit Clara Liepsch, Maria Magdalena Mund, Lavinia Nowak und Benedikt Sieverding
Die Frage, ob es ein Leben nach dem Tod gibt, wenn ja, wie dies aussieht und wenn nein, was das Leben für einen Sinn hat, ist so alt wie die Menschheit selbst. Trotz der erdrückenden Gewissheit, dass jeden irgendwann der Tod ereilt, verdrängen wir den Gedanken des Sterbens gerne aus unserem Alltag. Aus dieser Motivation heraus untersucht Maike Bouschen in „Nach den Fakten kommt das nichts“ zusammen mit der Theaterakademie August Everding, wie man das Sterben üben kann, um sich somit intensiver mit dem Prozess des Todes auseinanderzusetzen und ihn nicht aus dem Alltag zu verbannen.
Umgesetzt wird dies in Form einer Vorstandsitzung des Vereins „Don’t dare – Prepare eV, Man kann ja nie wissen“. Dieser Verein versteht sich als Zusammenschluss von vier Mitgliedern, die sich dem Zweck verbunden fühlen, auf den Tod durch verschiedene Übungen vorzubereiten.
Das Stück beginnt mit einer Schweigeminute zum Gedenken aller Verstorbenen, an der jeder Zuschauer in erhobener Position teilnehmen kann. Anschließend folgt die erste praktische Todesübung, das Atmen während des Sterbens. Es werden verschiedene „röchelnde“ Atmungen durch die Schauspieler vorgestellt, bei denen auch die Zuschauer zum Mitmachen aufgefordert werden.
Im Weiteren wird als beispielhafter Tod das Sterben durch Gift diskutiert. Diese Diskussion wird ebenfalls durch eine praktische Übung begleitet: die vier Mitglieder versuchen sich unter Einnahme von Traubenzucker vorzustellen, wie sich der Moment des Schluckens von Zyankali anfühlt. Nach der Darstellung der Verabschiedung eines Toten mit Worten wie „Tschüß“, „Machs gut“, „Du bist so tapfer“, werden dem Publikum als Leichenschmaus mehrere Tabletts mit Schnittchen gereicht, was einen recht grotesken Eindruck hinterlässt.
An jede praktische Übung wird eine Reflektionsrunde angeschlossen, bei denen die vier Mitglieder erzählen wie realistisch sie die Situation empfunden haben. Jedes Mitglied gibt durch eine Prozentzahl an wie gut es sich in die jeweilige Situation einfühlen konnte. Durch Nennung höchst präziser Prozentzahlen (wie 78%), wirkt die ganze Situation recht makaber bis hin zu komisch amüsant.
Kurz vor Ende des Stücks setzt sich jeder Schauspieler in eine andere Ecke der Halle und erzählt in kleinem Kreis seine Vorstellung vom Wunschtod. Dies bricht das Theaterstück in gewissem Maße auf und vermittelt einem unterbewusst, dass man sich mit dem Tod ungern in einer großen Gruppe beschäftigt.
Das Stück endet damit, dass jeder Zuschauer aufgefordert wird sich unter Begleitung von Livemusik auf den Boden zu legen und dort einige Minuten zu verharren und den Hauch des Todes zu „genießen“. Den verbleibenden Zuschauern bietet sich hierbei ein nahezu ästhetisches Bild.
Das Stück wird in der Reaktorhalle der Hochschule für Musik und Theater in München aufgeführt. Die Halle selbst ist karg mit Betonwänden ausgestattet, mehrere Meter hoch und besitzt keine Stühle, sondern nur Sitzbänke an den Seiten. Der Boden ist komplett mit Laub ausgelegt und erinnert dadurch an den Herbst. Sinnbildlich kann dies als Herbst des Lebens, also als ein nahendes Lebensende verstanden werden. Das Licht wird während des Vorstellung mehrmals zwischen verschiedenen Einstellungen geändert. Insbesondere für die praktischen Übungen wird der Saal verdunkelt und nur die Schauspieler stehen im Licht. Alle Schauspieler tragen während der gesamten Vorstellung ein blaues Oberteil, welches die Vereinsfarbe symbolisiert. Die zahlreichen Todesübungen wirken auf den Zuschauer beklemmend, werden aber durch ungewöhnliche Elemente, wie die sehr detailgetreue Planung der eigenen Bestattung aufgebrochen. Bis zum Schluss ist man sich durch die realistische Umsetzung nicht sicher, ob der Verein tatsächlich existiert, vor allem auch durch die Nennung konkreter Treffpunkte weiterer Sitzungen, die Angabe eines Spendenkontos und die konkrete Anwerbung weiterer Mitglieder im Publikum.
Artikel von Sabine in Kooperation mit Markus