Moulin Rouge Story (Studio-Aufnahme 2015)
Text: Nathalie
Im Dezember 2008 feierte die „Moulin Rouge Story“ im Alten Schauspielhaus Stuttgart Premiere. Es gab jedoch keine CD hierzu. Das Musical kam mit wenigen Darstellern aus: fünf Haupt- und sechs Nebenrollen. Auf der aktuellen CD ist vom damaligen Haupt-Ensemble nur Adrian Becker zu hören, der den „Maurice Guibert“ darstellte und nun wieder diese Rolle inne hat.
Ich kannte das Musical bis zum Erscheinen der CD nicht, nur den Film mit Nicole Kidman und Ewen McGregor in den Hauptrollen. Doch mehr als die Bezeichnung „Moulin Rouge“ verbindet diese Adaptionen um das berühmt berüchtigte Etablissement nicht. Die „Moulin Rouge Story“ ist vielmehr eine weitere Geschichte wie sie hätte in der langen Ära des über Paris hinaus bekannten Hauses passieren können.
Der Inhalt des Musicals (Grundlage ist hier die CD)
Hauptperson ist die Gräfin Isabelle de Fontillac (Sabrina Weckerlin). Nachdem sie mit ihrem Mann Henri (Jan Ammann) das Moulin Rouge besucht hat, ist sie mehr als begeistert von dem, was sie in dort gesehen und erlebt hat. Als ihr Mann beruflich verreist, besucht sie allein das Etablissement. Dort lernt sie den Idealisten und freiheitsliebenden Maler Arsène Cossard (Drew Sarich) kennen. Isabelle träumt davon so frei zu leben wie die Leute von Moulin Rouge und eben auch Arsène, der ihr seine Welt gezeigt hat und versucht, sie zu verführen – aber sie bleibt ihrem Mann treu.
Graf Henri hingegen scheint seine Isabelle zu betrügen. Er bestellt sich Frauen bei Joseph Oller (Ethan Freeman), dem Inhaber des Moulin Rouge. Fast wahnsinnig vor Unzufriedenheit, dass er noch nicht „die Richtige“ gefunden hat, bittet er immer wieder um eine neue Dame. Wie man später erfährt, sucht er ein Medium, um mit seiner ersten Frau im Jenseits Kontakt aufzunehmen. Diese hatte sich ertränkt und Henri plagen Schuldgefühle.
Parallel wird Isabelle zur geheimnisvollen Tänzerin im Moulin Rouge. Sie trägt bei ihrem Auftritt eine Maske, damit sie keiner erkennt. Arsène sieht die vermeidlich Fremde und will sie unbedingt malen, was ihm gelingt. Oller macht aus diesem Bild ein Werbeplakat, denn er konnte Isabelle dazu überreden, öfters aufzutreten. Dies Plakat, das nun in ganz Paris die Wände ziert, macht Henri neugierig. Vielleicht kann diese Frau ihn von dem Schatten seiner ersten Frau befreien? Er geht allein ins Moulin Rouge, nichtsahnend, dass seine Ehefrau die geheimnisvolle Tänzerin ist. Ohne zu wissen, dass der Graf im Publikum sein wird, betritt Isabelle die Bühne.
Der Skandal ist perfekt. Isabelle zeigt sich an diesem Abend nackt, da dies das Einzige ist, was sie Arsène, der sie immer noch heiß umwirbt, geben wird und kann. Henri erkennt sie sofort und es kommt zum Eklat. Isabelle muss das Tanzen aufgeben. Zusammen mit Maurice Guibert (Adrian Becker), dem Vortänzer im Moulin Rouge, erdenkt Oller sich eine Möglichkeit, wie das Geschäft ohne Isabelle weiterlaufen könnte. Sie preisen die anderen Damen des Etablissements an und Maurice darf immer mehr seiner eigenen Lieder inszenieren.
Henri verzieht seiner Frau, die Versöhnung scheint gelungen. Es kommt jedoch anders. Den Grafen quält weiterhin seine Vergangenheit, für Isabelle geht ein Tag wie der andere einfach so dahin. Arsène ist vor lauter Sehnsucht nicht fähig zu malen. So kommt es, wie es kommen muss: Isabelle trifft Arsène, während ihr Mann seinen Pflichten als Außenminister nachgeht, wieder und die beiden beginnen eine Affäre. Henri findet dies heraus, trennt sich endgültig von seiner Frau und verbietet ihr jedweden Umgang mit der gemeinsamen Tochter.
Die Jahre ziehen ins Land. Henri hat am Grab seiner ersten Frau endlich Frieden gefunden. Er kümmert sich nun voll und ganz um die Erziehung seiner Tochter. Isabelle und Arsène haben sich auseinander gelebt. Der Maler lebt immer noch in den Tag hinein und verschwendet Isabelles Rücklagen ohne groß darüber nachzudenken. Er versucht, sie mit denselben Worten wie vor 10 Jahren, als sie vor den Bruchstücken ihrer Ehe stand, zurück zu gewinnen. Doch sie löst sich von ihm los, denn er hat schon beim ersten Mal nicht gehalten, was er versprochen hatte. Am Ende verfällt Isabelle dem Alkohol. Als Maurice, der einzige Freund, der ihr verblieben ist, auf der Bühne stirbt, bricht ihre restliche Welt komplett zusammen. Ein Feuer zerstört das Moulin Rouge.
Das Stück endet mit der Neueröffnung des Moulin Rouge. Hier treffen sich Henri und Isabelle wieder. Er macht ihr den Vorschlag, sie könne doch wieder in das gemeinsame Haus zurückkehren, denn so viele Zimmer stünden leer und die gemeinsame Tochter hätte bestimmt gerne ihre Mutter um sich und er seine Frau. Von weit fern sind die Stimmen von den verstorbenen Oller und Maurice zu hören, die ihr gut zureden, dass sie diesen Schritt gehen soll.
Die CD – Gestaltung
Das Cover des 32-seitigen Booklets zeigt auf der ersten Seite den Titel über der französischen Flagge sowie die Schatten der Windmühlenflügel. Diese ziehen sich fast durch das ganze Heft. Die letzte Seite zeigt den Titel, der in Flammen aufgeht. Auf der zweiten Seite findet man eine Besetzungsliste sowie Portrait-Bilder der SängerInnen. Danach werden alle 29 Musiknummern mit ihren jeweiligen Protagonisten genannt. Die Geschichte wird auf zwei Seiten erzählt, passend dazu sind die Titel der Musikstücke angeführt. Im Folgenden werden sämtliche Liedtexte aufgeführt, jeweils mit der Angabe, wer welchen Song singt.
In manchen der Lieder befinden sich gesprochene Textpassagen. Diese sind daran zu erkennen, dass sie heller gedruckt wurden als die gesungenen Passagen. Hin und wieder findet sich in Klammern ein kleiner Hinweis, was gerade passiert. Dies ist wirklich sehr hilfreich, um sich von den Geschehnissen ein besseres Bild machen zu können. Bildliche Impressionen der Uraufführung aus dem Jahr 2008 sucht man umsonst, man ist ganz seiner eigenen Phantasie überlassen.
Die Lieder
Nachdem ich die CD einmal durchgehört hatte, summte ich am nächsten Tag die Eröffnungsnummer („Komm ins Moulin Rouge“), welche, mit Ethan Freeman als Inhaber „Oller“ des Etablissements den Livestyle der „roten Mühle“ wunderbar wiederspiegelt. Freemans weitere Auftritte sind eher klein gehalten und er tritt mehr mit gesprochenen Passagen in Erscheinung.
Ebenfalls war mir das düstere „Verstehen Sie?“ mit Jan Ammann als verzweifelten Grafen, im Kopf geblieben. „Ich werde mich von Dir befrei’n“ ist als weiteres Solo von Jan Ammann ebenso kraftvoll und dunkel.
Sabrina Weckerlin gibt die hinterfragende Gräfin („War das schon alles“) ebenso wie die verführerische („Nicht für fremde Augen“) aber auch leidenschaftliche („Ich schenke mich Dir ganz her“) Unbekannte. Verzweiflung, Liebe, Entschlossenheit, alles findet sich in ihrer Stimme („Isabelles Entscheidung“ = die endgültige Trennung von Arsène am Ende).
Drew Sarich hat immer sein jungenhaftes Lächeln, Leichtigkeit („Unangepasst und frei“) und Hoffnung in der Stimme („Mit neuen Augen“) und man möchte sich Arsène als den vermeintlichen Traummann vorstellen, für den eine Frau sofort alles aufgibt. Nach einiger Zeit, wie im Inhalt erwähnt, gelingt es ihm, Isabelle für sich zu gewinnen. Jedoch bleibt das Leben für Arsène eine ewige Party. An manchen Stellen hat Drew eine leichte Überheblichkeit in der Stimme, was perfekt zu der Person des Malers Arsène passt, der sehr von sich selbst überzeugt ist. Wie erwähnt, der vermeintliche Traummann.
Adrian Becker ist als Maurice quasi der „Geschichtenerzähler“ („Einmal kommt alles raus“, „Die Sehnsucht bleibt“ „Die Flügel der Mühle“), denn während seiner Lieder dreht sich das Rad der Zeit weiter und die Jahre vergehen. Dies macht er mit dem gewissen Schalk und einem Lächeln in der Stimme.
Die „Les Girls“ des Moulin Rouge, Susanne Eisenkolb, Ulrike Frank, Agnes Hilpert, Julia Klotz, Bettina Meske und Nini Stadlmann agieren meistens im Background und dürfen nicht fehlen. Sie runden die Bühnenlieder der Isabelle ab und haben bei „Belles de Moulin Rouge“ jede einen kleinen einzelnen Part. Bei der geringen Zahl der Darsteller hätte man ihnen eigene Namen geben können, als sie nur mit „Belle 1-6“ zu bezeichnen. Nun fällt es schwer zu sagen, wer in welchem Part zu hören ist.
Insgesamt
„Moulin Rouge Story“ hat verschiedene Musikstile zu bieten. Laute Momente, ruhige, nachdenkliche – es springt hin und her. Der Klang erinnert in manchen Passagen ein wenig an die Musicals „Jekyll und Hyde“, „Dracula“, oder auch an „Cabaret“ oder „Chicago“. Alles in allem biete die CD große Orchesterstücke. Alle Sänger sind in der Lage, dem Hörer die unterschiedlichen Gefühlsmomente glaubhaft zu präsentieren. Man kann sich die Situationen, wie beim Lesen eines Buches, wunderbar bildlich vorstellen. Der typische Klang eines Studioalbums ist jedoch an manchen Stellen vorhanden – allein schon dadurch, dass sich die Stimmen der Sänger logischerweise etwas anders anhören als wie man es live von der Bühne gewohnt ist. Eine gute Entscheidung war es, die gesprochenen Passagen einzufügen, sie machen die Lieder und den Zusammenhang der Geschichte runder und lassen den Hörer nicht „abgehakt“ zurück. Man sollte sich die Zeit nehmen und sich gut auf die CD konzentrieren und sie nicht einfach so „nebenbei“ laufen lassen. Somit ist ein schöner Nachmittag garantiert.